29.Kapitel

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Seit zwei Wochen hatte der Morgen einen ganz anderen Verlauf für mich. Ich verbrachte 20 Minuten damit, mich im Bett rumzuwälzen, weil ich mich selbst nicht überzeugen konnte, aus dem Bett zu steigen. Wir hatten uns ganz schön gut angefreundet, mein Bett und ich. Wir verbrachten nicht nur die Nächte, sondern auch die Tage miteinander.

Ich hatte keine Freude mehr daran, zur Universität zu gehen und mich mit Freunden zu unterhalten. Ich hatte es so satt früh aufzustehen, weil ich in der Nacht Ewigkeiten brauchte, um einzuschlafen. Ich fand einfach keine Motivation mehr, diese Sachen zu tun, die Menschen eben so taten. Alles wurde so unsinnig und unwichtig.

Zwei Wochen. Ganze zwei Wochen waren her, seitdem Michael weg war. Zwar kam es mir so vor, als wären es Monate, aber in mir hatte sich gar nichts geändert. Ich spürte genau dieselbe Leere wie am ersten Tag, genau denselben Schmerz, nichts hatte sich gebessert!! Er war einfach weg! Wir konnten uns nicht einmal von einander verabschieden!

Es heißt "Die Zeit heilt alle Wunden". Nein, das tut sie nicht!! Sie lässt dich nur daran glauben! Nichts wird besser, der Mensch beginnt nur seinen Schmerz zu verdrängen! Eigentlich ist das einzige, was die Zeit tut, einfach weiter ticken. Sie kümmert sich nicht darum, ob du weiterlebst, nein, sie macht einfach weiter!! Und du musst dich an ihre Spielregeln halten, egal wie schlecht es dir geht!

In diesen zwei Wochen rief Sebastian, nach Dianas Aussagen, sehr oft bei seinem Cousin an. Er war nämlich der einzige, denn Michael hatte es kein einziges Mal getan. Michaels Mum, Teresa, ging es mittlerweile besser. Sie hatte drei Tage im Koma gelegen, hatte sich aber nach ihrem Erwachen ein wenig gebessert. Es war das zweite Mal, dass sie ein Herzinfarkt durchlitt. Im Medizinstudium hatte ich gelernt, dass nur die wenigsten einen dritten Herzinfarkt überstehen. Ich konnte mir gut vorstellen, was Michael dort durchmachen musste, aus diesem Grund ging es mir unglaublich schlecht. Ich wusste ganz genau, was ihn erwartete, denn ich hatte fast dasselbe erlebt.

Auch für mich war es damals nicht leicht gewesen, meine Mutter so zerbrochen und dem Krebs ergeben zu sehen. Es hatte mich jedes Mal eine große Überwindung gekostet, bis ich mich traute, sie im Krankenhaus zu besuchen. Und jedesmal sah sie verändert aus. Ihre blonden Haare waren matt, ihre blauen Augen glanzlos und ihr Gesicht war jedesmal um einiges gealtert, dabei war sie erst 31. Das schlimmste daran war, dass ich ihr nicht helfen konnte. Sie war ihrem Schicksal ergeben, keiner konnte ihr wirklich helfen, auch nicht die Ärzte!! Das einzige, was wir taten, war, zuzuschauen wie die Krankheit ihr von Tag zu Tag die Lebenskraft wegnahm. Genau dasselbe Schicksal traf auch Teresa Ashen! Niemand konnte mitentscheiden, ob sie oder wie lange sie leben würde. Diese Kraft besaßen wir einfach nicht!!

Michael hatte sich in diesen zwei Wochen kein einziges Mal bei mir gemeldet. Wir hatten uns nicht einmal verabschieden können, geschweige denn miteinander geredet. Einerseits konnte ich es verstehen, denn seine Mutter war krank und brauchte Unterstützung und Zuneigung, er fand bestimmt nicht die Zeit und Kraft um an mich zu denken. Doch andererseits brach es mir das Herz. Er hatte nicht einmal nach mir gefragt. Klar, es ging um seine Mutter und nicht um mich, aber trotzdem traf es mich hart, denn ich vermisste ihn sehr. Ich vermisste seine grünen Augen, seine Blicke, die mehr sagten als Tausend Worte. Ich vermisste einfach alles an ihm, denn er gab mir mehr Kraft, als alles andere.

Ich hatte mich nur einmal getraut, ihn anzurufen, aber er hatte nicht abgehoben. Klar, ich hätte es auch mehrmals versuchen können, aber ich wusste nicht, wann er den Anruf wirklich annehmen konnte und wann nicht. Seine Mum war noch immer im Bett und er war nach der Aussage seines Vaters, Raymond Ashen, die ganze Zeit bei ihr. Außerdem gab es einen Zeitunterschied von 6 Stunden. Wenn es dort tags war, war es hier nachts und umgekehrt.

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