Kapitel 3

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кαριтєℓ 3

"Aah."

Ich stand vor dem Spiegel in meinem Zimmer und betrachtete den Kratzer auf meiner Wange, den Caroline hinterlassen hatte. Er war zum Glück nicht allzu tief, aber der Schmerz pochte heftig. Langsam legte ich ein Pflaster darauf und hoffte, dass keine Narbe zurückbleiben würde.

Als ich mein erschöpftes Gesicht im Spiegel sah, überkam mich ein Déjà-vu. Es war nicht das erste Mal, dass ich mich wegen Caroline verarzten musste, und auch nicht das erste Mal, dass ich in die leeren Augen meines Spiegelbilds blickte. Meine Hände waren gebunden.

Ich wusste, dass mein Vater mir nicht glauben würde, selbst wenn ich es ihm erzählte. Der Versuch, es ihm zu sagen, würde nur dazu führen, dass Caroline ihm von meinem Glauben erzählte und alles noch schlimmer wurde. Ich war gezwungen, nichts zu unternehmen.

Niemand wusste von meiner Konvertierung. Deshalb konnte ich mit niemandem darüber sprechen.

Plötzlich ertönte ein Ton, und mein Handy blinkte.

Eine Nachricht von Ivan.

Ein leichtes Lächeln erschien auf meinem Gesicht.
Nein, ich lag falsch. Es gab jemanden, dem ich alles erzählen konnte und der mir immer half. Jemand, der mich in meinen verzweifelten Momenten fand und meine Verzweiflung in Kraft umwandelte.
Aber Ivan war nicht einfach nur ein Junge.
Ivan war Isha. Das letzte Gebet der fünf täglichen Gebete.
Um meine Gebetszeiten zu verbergen, stellte ich sie in meinem Handy so ein, als ob jemand mir schreiben würde. Die anderen vier Gebetszeiten hatten auch verschiedene Namen: Fajr als Fabienne zum Morgengrauen, Duhur als Daniella am Vormittag, Asr als Anna am Nachmittag und das letzte nach dem Abendgebet als Michelle, Isha, das während der Finsternis der Nacht war, das ich ausnahmsweise mit dem Jungennamen Ivan einspeicherte.
Das bedeutete, die einzige Person, mit der ich darüber sprechen konnte, war mein Herr. Und er rief mich fünfmal am Tag an, nahm mir meine Einsamkeit und Machtlosigkeit.
Gerade als ich meine Gebetskleidung anziehen wollte – ein langes schwarzes Kleid und ein hellblaues Kopftuch – klopfte es plötzlich an der Tür.

Mein Herz begann zu rasen, und ich versteckte meine Sachen blitzartig unter dem Bett, um nicht erwischt zu werden.

"Wer ist da?" rief ich laut.
Es kam keine Antwort.
Verwundert ging ich zur Tür und sah auf die Uhr, die fast 11 schlug. Langsam öffnete ich die Tür und sah die etwa 1,50 Meter große Fatima vor mir stehen.
Ich blickte sie verwundert an.

"Alles in Ordnung, Fatima? Warum bist du noch hier?" fragte ich in Gebärdensprache mit meinen Händen.

Fatima arbeitete seit meiner Geburt als Hausmädchen in meiner Familie. Doch sie war für mich mehr als das – das Fenster in meinem goldenen Käfig, wenn er mich zu ersticken drohte. Sie übernahm die Mutterrolle in meinem Leben, besonders seit ich im Ausland war und nun seit ein paar Jahren bei meinem Vater. Ihr verdankte ich Geborgenheit, doch ich sah auch die Erschöpfung in ihren Augen.

Caroline hatte es nicht nur auf mich abgesehen, sondern tat alles, um auch Fatima das Leben schwer zu machen.

Fatimas müde Augen wanderten zu einem Tablett mit Whiskeyflaschen, das sie in den Händen hielt.

Sofort verstand ich, was sie mir signalisieren wollte.

Heute würde es wieder eine lange Nacht werden, nicht nur für Caroline und meinen Vater, sondern auch für mich. In solchen Nächten betranken sie sich, und es bestand die Gefahr, dass Caroline betrunken im Haus wütete, auch gerne mal in meinem Zimmer.
Seit dem letzten Mal, als ich zum Glück geschlafen hatte, warnte mich Fatima rechtzeitig, und ich schloss einfach die Tür ab.

Die blonde MuslimaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt