Der Held ohne Umhang

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Sara

„Ya Allah... ich flehe dich an bitte vergib mir"

Es war mittlerweile eine Woche seit dieser Nacht vergangen.

Eine Woche, indem ich mein Zimmer nicht verlassen hatte.

Eine Woche, in dem ich mein Kopf von meinem Gebetsteppich nicht erhoben hatte.

Eine Woche in dem keine Sekunde verging ohne, dass nur eine einzelne Träne nicht auf meinen Gebetsteppich tropfte.

Auf der Zunge immer wieder die gleichen Worte.

Ya Rab. Du bist der, der vergibt. Der es liebt zu vergeben. So bitte... vergib mir. Vergib mir.

Ich hoffte auf seine Barmherzigkeit, aber auch wenn er mit vergeben würde, wusste ich nicht, ob ich mir vergeben könnte. Ich wusste auch nicht, wie ich mein Leben ab sofort mit dieser Nacht vereinbaren konnte. Wie ich es schaffen sollte nächste Woche in die Uni zu gehen. Wie ich mich vor den anderen verhalten sollte.

Ich fühlte mich dreckig. Betrogen.

Meine Ideale, meine Moral, meine Werte. Ich hatte in dieser Nacht alle betrogen. Ich hatte mich selbst betrogen.

Langsam hob ich mich mit völlig durchnässtem Gesicht vom Gebetsteppich und bewegte mich zu meinem Fenster.

Als ich die Gardinen zur Seite schob, stand er wieder dort. Wie seit dem ersten Morgen nach dieser Nacht.

Egal um welche Uhrzeit ich aus dem Fenster blickte, stand er dort.

Ali.

Und immer wieder, wenn ich ihn sah, erinnerte ich mich an diese Nacht.

Wie ich auf der Tanzfläche auf den Schultern eines wildfremden Jungen herumtanzte. Wie ich glaubte, fliegen zu können und mich in die Tiefe stürzen wollte.

Wie Ali mich aus dieser Hölle entriss und zu Fatima brachte. Wie er bis zum Morgengrauen auf den Boden neben dem Bett kauerte, um nach mir zu wachen. Ohne auch nur ein Auge zu verschließen. Um nur am Morgengrauen bevor ich aufwachte, ohne ein Wort zu sagen, zugehen.

Ich konnte mich nicht an alles erinnern. Mehr an Bruchteile. Doch woran ich mich noch sehr gut erinnerte, war es, wie er auf dem Dach mich in seine starken Arme geschlungen hatte.

Obwohl es mich sehr störte, dass er meinem machtlosen Zustand ausnutzte, hatte ich das Gefühl, er hatte das in diesem Moment mehr als ich nötig.

So innig, so unschuldig und so ohne Hintergedanken war diese Umarmung. Es war, als ob unsere Herze in diesem Moment zum ersten Mal aufeinandertrafen.

Vielleicht ist er doch nicht so ein schräger Typ.... erwischte ich mich denken und schüttelte sofort den Kopf.

Nein. Sowas durfte ich nicht denken. Ich durfte nicht vergessen, wer er ist und wie er überhaupt in meinem Leben kam.

Ruckartig zog ich die Gardinen fest vor und versperrte meinen Augen den Blick zu ihm.

Doch es gelang mir nicht die Gardinen in meinem Herzen zu ihm zu schließen.


1 Woche später

„Bismillahirrahmanarahim. Ya Rabbi gib mir Kraft." Murmelte ich vor mich hin.

Nun war ich hier.

Ich stand vor der Uni. Der erste Tag war gekommen. Der Tag von dem ich seit jener Nacht große Angst hatte.

„Bereit?"

Langsam blickte ich zu Ali, der seine Sonnenbrille absetzte und mich besorgten Augen ansah.

Die blonde MuslimaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt