Kapitel 30 - Der Anruf

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„Ihr seid der Wahnsinn. Das ist echt gut." Cameron klatschte in die Hände. „Das kann man echt auf die Bühne bringen, bei der nächsten Runde, wenn man das noch ein bisschen perfektioniert. Ich bin stolz auf euch, wirklich."

Lux stieß mir leicht ihren Ellenbogen in die Seite. „Dass er so ruhig ist, verdanken wir dir."

Ich verdrehte die Augen. So etwas in der Art behauptete sie jedes Mal, wenn Cam entspannt war und immer wieder stritt ich es ab, doch Lux war ein Sturkopf und blieb fest bei ihrer Meinung, deshalb verzichtete ich inzwischen darauf, mit ihr zu diskutieren, da es sowieso nichts brachte. Sie starrte mich mit ihren kristallblauen Augen an.

„Ich weiß ganz genau, dass du mir nicht glaubst, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass es trotzdem so ist."

„So ein Quatsch", murmelte ich und rollte erneut mit meinen Augen. Warum musste die Blondine nur so stur sein und konnte mir nicht einfach glauben. Wahrscheinlich dachte sie sich dasselbe, immerhin glaubte ich ihr genauso wenig, wie sie mir, aber ich verstand nicht, was ich mit seiner Ruhe zu tun haben sollte. Ich hatte Lux diese Frage schon oft gestellt. Sie meinte, ich hätte einen positiven Einfluss auf mein Umfeld, was ich allerdings nicht wirklich bestätigen konnte. Auf jeden Fall war es in Los Angeles nie so gewesen. Dort war ich womöglich das Schlechteste, was einem passieren konnte, einfach weil ich durch Costa, Cody und Jespa eine sehr freche und gleichgültige Art hatte und mit der typischen „Es mir egal"-Einstellung durchs Leben ging, was vieles einfacher machte. Warum ich nicht mehr so war, fragte ich mich selber. So wie ich jetzt war, so einfühlsam und freundlich, kannte ich mich nicht, ich war noch nie so gewesen, auch nicht, wie meine Eltern noch lebten. Ich war schon immer frech gewesen und ich hätte einfach nie gedacht, dass sich das jemals ändern würde und ich wusste auch nicht ob ich mich verändert hatte oder ob das nur eine Phase war, aber das würde sich mit der Zeit ganz sicher noch herausstellen.

Cameron klatschte in die Hände, was uns dazu aufforderte noch einmal die Anfangsposition einzunehmen und die Choreografie ein letztes Mal durchzutanzen bevor wir eine Pause einlegten. Ich ließ mich auf die Couch fallen und griff nach meiner Wasserflasche die daneben stand und dann noch nach meinem Handy, als es läutete. Eine unbekannte Nummer rief an. Ich kniff meine Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Der Rest der Gang unterhielt sich, weshalb es nicht auffiel, dass ich aufstand und abhob.

„Hallo?", fragte ich.

„Novi?" Ich hatte das Gefühl, mein Herz setzte für einen Moment aus, um dann mit doppelter Geschwindigkeit weiterzuschlagen, als ich die Stimme hörte. Es kam mir so vor, als würde mein Herz Trauer durch meinen Körper pumpen. „November, bist du noch da?" Mir hatte es die Sprache verschlagen, ich stand wie gelähmt im Raum und starrte mit aufgerissenen Augen auf den Boden. Das durfte doch nicht wahr sein. Costa. „Novi, bitte sag doch was."

Ich schüttelte den Kopf. Die Tränen die in mir hinaufkletterten hatten mir die Kehle verschnürt. Ohne etwas zu sagen, nahm ich das Telefon vom Ohr und legte auf. Ich spürte Lux' Blick auf mir.

„Wer war das?", wollte sie wissen. Ich schüttelte nur den Kopf.

„Niemand." Ich zwang mir ein Lächeln auf. Sie sah mich schief an. Es war klar, dass sie ganz genau wusste, dass etwas nicht stimmte, immerhin hatte sie dieses Gefühl dafür. Sie wusste immer ganz genau, dass und was los war und genau deshalb fragte sich auch immer nach, damit sie die Bestätigung hatte, dass sie recht hatte. „Es war nichts Wichtiges", sagte ich. Die Blondine durchbohrte mich förmlich mit ihren kristallblauen Augen.

„Ich will jetzt nicht darüber reden, Lux", erklärte, da ich wusste, dass sie sonst keine Ruhe geben würde. Ich schob mich an ihr vorbei und ging zurück zu den anderen. Ich konnte ihren Blick in meinem Rücken spüren.

Nach Costas Anruf, der mir nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte, war meine Konzentration wie weggeblasen, so sehr ich mich auch bemühte, sie wollte nicht so ganz wiederkommen. Auch Lux' Aufmunterungsversuchte scheiterten, was in der Zeit, die ich sie jetzt schon kannte, noch nie der Fall gewesen war. Warum oder wie zur Hölle kam er auf die Idee mich anzurufen? Hatte ich ihm nicht klar genug gezeigt, dass ich nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte? Anscheinend hatte ihm das nicht gereicht, oder er hatte es einfach nicht verstanden. Oder es war einfach nur ein schlechter Scherz, dass würde zu Costa passen. Salz in Wunden zu streuen machte ihm Spaß. Vor allem bei Menschen, die er nicht mochte. Aber laut ihm liebte er mich ja. Ich musste innerlich auflachen. Wie dumm und naiv ich war. Ich fragte mich, wie ich ihm das glauben konnte. Er hatte mir nie gezeigt, dass er mich liebte und trotzdem habe ich ihm jedes einzelne Wort abgekauft. Ich Dummkopf. Ich glaubte, er hatte nie verstanden, wie wichtig er mir eigentlich war. Weil das war er. Und zwar sehr. Eigentlich war er der wichtigste Mensch in meinem Leben, ich hätte mir ein Leben ohne ihn nie vorstellen können, beziehungsweise wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass es jemals so weit kommen könnte, weshalb ich an diesen Gedanken auch kaum Zeit verschwendet hatte. Liebe machte ja angeblich blind. Und das war der Beweis. Es war eine Erfahrung, ob gut oder schlecht wusste ich nicht, womöglich beides. Es war definitiv etwas, was mich stärker machte. Aber warum musste man immer Fehler machen, um es das nächste Mal besser machen zu können? Warum konnte man nicht gleich wissen, wie etwas richtig war? Das war wieder einer dieser Momente, in denen ich mich fragte, wie das Alles gekommen wäre, wenn meine Eltern zu diesem Zeitpunkt gelebt hätten. Ich fragte mich, ob sie mich von Costa, Cody und Jespa ferngehalten hätten, ob sie die Drei verändert hätten oder ob genau dasselbe passiert wäre. Es war eine Frage, auf die ich nie eine Antwort bekam. Eine Frage, mit der ich mich ziemlich sicher noch länger herumschlagen würde. Aber ich war mir sicher, dass ich auch da bald darüber stehen würde und glücklich sein würde. Ich wollte Costa zeigen, dass ich auch ohne ihn glücklich sein konnte und auf dem besten Weg war, ohne ihn glücklich zu werden.

Ich streckte mich. Es wurde Zeit, mein Leben wieder in die Hand zu nehmen und mich um mein Wohlbefinden und meine Zukunft zu kümmern. Ich wollte glücklich sein, werden und machen. Und das funktionierte nicht, wenn ich so in meiner Vergangenheit hing, die ich jetzt sowieso nicht ändern konnte und eigentlich auch gar nicht ändern wollte, immerhin hatte ich dadurch hier Menschen gefunden, die die loyalsten und besten Menschen überhaupt waren und denen ich in so kurzer Zeit so viel zu verdanken hatte. Menschen, die mich so nahmen wie ich bin und bei denen ich mich wirklich gewollt fühlte.

Ich hatte das Gefühl, meine Lebenslust, meine Motivation und mein richtiges Ich kam wieder zurück. Der Moment, auf den ich gewartet hatte. Ich hatte mich selber schon irgendwie vermisst. 

Because I Dance (Fortsetzung von Born to Dance)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt