Der Tag brach an und Jane sprang aus dem Bett. Sonntag! Am morgigen Tag war ihr 18. Geburtstag und wenn alles gut lief, konnte sie gleich morgen mit Frau Gress, also ihrer Mama zum Spenden gehen. Und am Nachmittag würden sie dann ihr neues Zimmer in ihrem neuen Zuhause einrichten. Sie freute sich schon sehr auf den nächsten Tag. Sie schaute auf die große Wanduhr über ihrem Bett. Gleich 9 Uhr. Sie rappelte sich auf und stieg aus dem Bett, um erst einmal eine Dusche zu nehmen. Gegen 12 Uhr musste sie am Krankenhaus sein, dort hatte sie den Termin bei Dr. Kleie zusammen mit ihrer Adoptivmutter. Gut gelaunt, dass alles bisher so gut lief, pfiff sie vor sich hin, während sie ein Nutellabrot bestrich. Um zwanzig vor 12 machte sie sich dann auf den Weg zum RKH. Susan Gress wartete bereits wie abgemacht vor dem Eingang. Jane lächelte sie scheu an und ließ sich in eine kleine Umarmung ziehen, riss sich aber schnell wieder los. Sie konnte es kaum erwarten, endlich mit dem Arzt zu sprechen. Dr. Kleie erwartete sie in seinem Sprechzimmer. Es dauerte keine halbe Stunde, da waren alle Formalitäten erledigt, die letzten Voruntersuchungen gemacht und das Einzige, was noch fehlte, war Janes Unterschrift, die sie am darauffolgenden Tag geben würde. Fröhlich verließen die beiden das Krankenhaus und beschlossen, Fau Genser kurz zu besuchen, bevor sie sich nach Wandfarbe und Möbeln für ihr neues Zimmer im Internet umsehen wollten. Frau Genser war begeistert, als die glückliche Mutter-Tochter-Familie bei ihr auftauchte und zum ersten Mal seit einigen Tagen trat ein Leuchten wieder in ihre Augen, das jedoch mit einem Schleier Traurigkeit erlosch, wie Jane feststellen musste. Bald darauf verabschiedeten sie sich von der Französischlehrerin und verbrachten einen schönen Nachmittag damit, im Internet verschiedene Möbel und Farben zu vergleichen.
Als es 8 Uhr abends wurde, machte sich Frau Gress auf den Heimweg. Zum Abschied umarmte sie ihre Schülerin noch einmal. Jane war glücklich, dieser Tag war wirklich so gewesen wie sie ihn erhofft, erträumt hatte. Sie machte sich fertig fürs Bett, denn schließlich wollte sie am nächsten Tag ausgeruht sein, auch wenn sie keine Schule hatte, immerhin wollte sie ein Leben versuchen zu retten. Sie lag noch einige Zeit wach, aufgeregt überlegend, wie es wohl werden würde. Irgendwann fielen dann auch ihr die Augen zu und sie erwachte erst, als die Dezembersonne auf ihr Gesicht fiel. Einen Moment wollte sie erschrocken aufspringen, doch dann fiel ihr ein, dass ja der Montag war, der Tag der Spende und sie nicht zur Schule musste. Gemütlich und warm war ihr Bett, darum blieb sie noch einige Zeit drin liegen,bis sie zuerst einmal eine kalte Dusche nahm. Sie verließ das Haus um halb neun, denn sie wollte sich mit ihrer Mutter um kurz vor neun vor dem Krankenhaus treffen. Der Termin war zur vollen Stunde. Sie überlegte während sie durch den, mit Puderschnee bedeckten, Parkschritt, wie Frau Genser das Ganze wohl aufnahm. Jane hatte das Gefühl, an diesem Morgen war alles perfekt. Man konnte einfach nichts mehr besser machen und so musste es einfach sein, wenn man ein zu 100 Prozent glücklicher Mensch war. Das Krankenhaus tauchte in ihren Blickwinkel und die Wintersonne breitete ihre letzte Wärme vor dem Eingang aus. Einen Moment blieb Jane stehen und sah dem Schauspiel zu, bis etwas Anderes ihre Aufmerksamkeit erregte. Durch den Schnee schritt auf den Eingang zu eine Frau mit braungelocktem Haar, einer lilafarbenen Winterjacke und einem wunderschönen Glitzerschal. Liebevoll beobachtete Jane, wie sie nun vor der Tür stand, immer wieder den Blick auf die Uhr gerichtet, bis sie plötzlich das Mädchen auf dem Straßenhügel stehen sah.
Ein wunderschönes Lächeln entstand auf ihrem Gesicht und Jane wurde es warm ums Herz. Sie rannte los. Ihr war es egal, ob sie auf dem etwas glitschigen Boden ausrutschen konnte, sie wollte zu Frau Gress, sie wollte sich in die Arme ihrer Mutter fallen lassen und nie wieder von ihr getrennt sein. Keine der beiden wusste, dass über ihnen eine Frau die Szene beobachtet hatte. Eine Frau, die nur darauf wartete eine lebensrettende Spende zu bekommen. Arm in Arm schritten Jane und Frau Gress in das Krankenhaus. Der Arzt wartete schon auf sie. "Guten Tag, Frau Gress, Hallo Jane!",meinte er. Beide begrüßten ihn ebenfalls. "So, ab hier muss Jane alleine gehen",erklärte er den beiden, als sie im Flur der Behandlungsräume standen. Das Mädchen umarmte ihre neue Mutter und genau in diesem Moment kam eine kleine Welle von Angst geschlichen. Frau Gress bemerkte es und flüsterte ihr zu: "Es wird alles gut, denk daran, du rettest ein Menschenleben." Sie drückte ihre Tochter noch ein letztes Mal fest an sich und löste sich dann sanft aus Jane's Umarmung. Auch der Arzt bemerkte die Zweifel und versuchte sie zu beruhigen. Frau Gress sah Jane noch lange nach, bis sie sich dann auf einem der Stühle im Wartezimmer niederließ. Inzwischen war Jane in einen Raum geführt worden. Der Arzt bedeutete ihr, er würde gleich wiederkommen und ließ sie allein. Einige Sekunden nach seinem Verschwinden trat jemand durch die Tür und legte dem Mädchen von hinten die Hand auf die Schulter. In diesem Moment wusste Jane, sie hatte nichts falsch gemacht, sie hatte die richtige Entscheidung getroffen.
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Home Is A Person *wird überarbeitet*
Teen FictionAls Jane vor einigen Jahren ihre Eltern bei einem Autounfall verlor, wurde ihr Leben völlig auf den Kopf gestellt. Nach einer langen Phase des Trauerns fand sie zwar ihre Lebenslust wieder, aber eine Familie blieb ihr seitdem dennoch verwehrt. Doch...