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Ich lehne mich mit dem Rücken gegen die geschlossene Tür, rutsche dann langsam an ihr runter.

Das war... intensiv.

Ruhig lausche ich. Ich kann Levis Präsenz hinter der dünnen Holzplatte förmlich spüren, wie er gleichermaßen enttäuscht und überrascht dort steht, sich wieder zusammenreißt und weggeht. Wartend kauere ich da und höre wie Levis schwere Stiefel auf den Boden aufkommen, bis es nur noch ein entferntes Trappeln ist.

Kurz bleibe ich noch so sitzen, rappele mich dann auf und ziehe mich schnellstmöglich um. Es ist schon spät, also schnappe ich mir meine Handschuhe und flitze auf den Gang während ich laufend diese anziehe.

Glücklicherweise scheint heute irgendwie ein Tag zu sein an dem viele etwas verschlafen haben, also fällt es gar nicht auf dass ich zu spät bin. Ich werfe Levi einen raschen Blick von der Seite zu. Er lässt mich nicht aus den Augen, das spüre ich. Doch momentan kann ich nicht in diese strenge Miene blicken da ich weiß dass das Training später hart wird. Und um gar keinen Preis will ich dass er mich anders behandelt!

Ich bin dermaßen in meinen Gedanken versunken dass ich die Person vor mir gar nicht realisiere und so volle Kanne gegen sie stoße. Es ist Connie der mich leicht von sich drückt und dann breit lächelt.

"Tut mir Leid, (V/N). Habe nicht aufgepasst."

"Nein mir tut es Leid. Ich habe dich nicht gesehen."

"Hast wohl auch verschlafen, was?", lächelt er.

"Woher..."

Er kämmt mit seinen Fingern kurz durch meine Haare.
Verdammt.
Ich sehe sicherlich gerade aus wie eine Vogelscheuche. Gerade heute habe ich vergessen mir einen Pferdeschwanz zu machen und trage meine Haare offen. Leider sehe ich dann immer total bekloppt aus wenn ich nicht einmal versuche meine wilde Mähne zu bändigen.

Wie auch immer.

Ich danke ihm und folge ihm dann zum Tisch.

"Na, (V/N)? Geht's dir besser?", fragt Jean und lässt sich gleich neben mir auf den Platz fallen. Ich nicke, beginne dann zu essen.

"Willst du wirklich wieder mittrainieren? Ich meine dass die letzten Wochen wahrscheinlich sehr anstrengend für dich waren und du ja körperlich auch nicht ganz so fit bist..."

Ich stutze. Einen Augenblick mal. Armin hat recht. Ich wäre normalerweise körperlich absolut nicht in der Verfassung mich jetzt irgendwie zum Training zusammenzurappeln. Doch das ist es ja gerade. Ich fühle mich absolut fit, habe keine Schmerzen mehr. Nicht einmal meine vor bis noch kurzem gebrochenen Gliedmaßen machen mir Probleme.

Überlegend starre ich auf mein Essen vor mir. Es ist irgendwie seltsam.
Doch trotzdem ist es gut! Hat es vielleicht mit dem zu tun, was mir mein Vater im Untergrund erzählt hat?

Schnell schüttele ich den Gedanken fort.

"Ist okay. Ich fühle mich super!"", strahle ich schließlich.

"Wenn du doch etwas brauchst...",

Eren legt seine Hand auf meine.

"...dann werden wir für dich da sein."

Ich nicke glücklich. Genau so müssen Freunde sein!

Eren lächelt, blickt dann hinter mich. Sofort wirkt sein Blick kalt, fast schon gereizt. Vorsichtig drehe ich mich um und verfolge seinem Blick, wundere mich jedoch kein Bisschen als ich in Levis Gesicht starre.

Eren tut mir Leid. Es muss hart für ihn sein mit mir befreundet zu sein, weil Levi ja denkt dass er in mich verliebt ist. Ob das richtig ist weiß ich allerdings selbst noch nicht so genau. Eren scheint ein wahnsinnig guter Freund zu sein, allerdings könnte auch noch mehr dahinter stecken.

Provozierend zwinkere ich Levi zu, drehe mich dann schnell wieder um. Er mag es nicht wenn ich ihn so herausfordere. Doch ich finde es lustig. Ich mag es mit ihm zu spielen, denn ich denke nicht dass es schon oft vorgekommen ist dass der große Heichou so eine Herausforderung hatte.

Zeitsprung

Sofort als wir auf dem Trainingsplatz stehen und uns Levi einige Schimpfwörter gegen den Kopf geschmissen hat müssen wir schon Runden laufen. Ich bin so froh dass Levi mich den anderen nicht vorzieht.

Und ich möchte ihm beweisen dass er das nicht braucht.

Vor mir starre ich auf die schwarzen, glänzenden Haare Mikasas die nach hinten wehen während sie läuft. Leider ist sie so viel größer als ich sodass es praktisch unmöglich ist sie einzuholen, außer wenn ich um mein Leben rennen würde. Wie eine Gazelle springt sie leichtfüßig weiter, doch jetzt bin ich richtig angespornt. Nur Eren trennt uns noch voneinander.

Langsam erhöhe ich meine Geschwindigkeit und meine kurzen Beine fliegen förmlich über das Feld. Nur noch ein kleines Stück und ich habe sie tatsächlich eingeholt.

Doch plötzlich werde ich zu Boden gerissen. Es passiert unheimlich schnell und erst als ich Bekanntschaft mit der rauen Oberfläche mache realisiere ich was gerade passiert ist. Seltsamerweise bin ich ziemlich sanft gelandet und ich spüre absolut keine Schmerzen.

Verwirrt schaue ich nach hinten und merke erst jetzt dass Sasha wahrscheinlich gestolpert und mich zu Boden gerissen hat. Mit großen, unschuldigen Augen bittet sie mich tausendmal um Verzeihung, aber ich sage dass es nur halb so wild ist und es vorkommt dass man jemanden zu Boden reißt.

"Ugh. Da hast du aber verdammt recht, (V/N)."

Erschrocken drehe ich mich wieder um und merke dass ich auch auf jemanden gelandet bin.

Ein bekanntes, schmerzverzerrtes Gesicht liegt unter mir und so schnell es geht rappele ich mich auf um Eren wieder auf die Beine zu helfen.

"Oh Gott, Eren! Das tut mir so leid!", rufe ich während ich ihm helfe sich aufzusetzen. Wahrscheinlich hat er sich den Kopf leicht gestoßen, denn er hält ihn sich inmer noch mit schmerzverzerrtem Gesicht.

"Halb so wild...", stöhnt er.

"Wir müssen dich auf die Krankenstation bringen, Eren!", sage ich panisch als ich die rote Flüßigkeit bemerke.

"Was ist hier los?!"

Wie aus dem Nichts steht Levi nun da und sieht uns mit diesem wütenden Blick an. Gruselig.

"Lev- Ich meine Heichou! Eren ist verletzt. Ich werde ihn zu Hanji bringen."

So stehe ich auf, reiche ihm die Hand sodass er aufstehen kann, doch bevor wir losgehen können werde ich festgehalten. Von einem eisernen, starken Griff.

"Lauf du weiter. Ich habe dir nicht erlaubt eine Pause zu machen, (N/N)."

"Aber-"

"Kein aber! Ich werde Jäger begleiten."

"Was?!"

Ich schlucke. Wenn das mal gut geht. Gerade will ich argumentieren, da erinnere ich mich an Erwins kalte Worte im Krankenflügel.

Und er hatte recht.

Levi ist trotz allem mein Vorgesetzter. Ich bin nicht besser als jeder andere Soldat, also bin ich auch keine Extrawurst. Ich muss mich an dem halten, was Levi sagt.

Ich seufze kurz, salutiere mit einem "Verstanden, Heichou!" und renne schnellstmöglich Sasha hinterher, die schon seit sie Levi aus der Ferne gesehen hatte ihre Beine in die Hand genommen hat und um ihr Leben gerannt ist.

Noch kurz blicke ich auf die beiden, die sich mit fuchsteufelswilden Blicken ansehen, und auf das Hauptgebäude zugehen.

Irgendwie habe ich da ein mulmiges Gefühl.

Coming Home // Levi x Reader x ErenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt