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Levis Sicht
Ich kann mir gar nicht ausmalen was sie alles durchlebt hat. Der Tod ihrer Mutter, der Verrat ihres Vaters, die schwere Kindheit im Untergrund, die Kämpfe an der Oberfläche, die Einsamkeit außerhalb der Mauer, die Angst, der Tod unseres Bruders und unserer Schwester, der ständige Streit mit mir, die Entführung und Misshandlungen durch ihren Vater, die Schmerzen.

All das in einem einzigen zarten Leben. Sie tut mir so unendlich leid. Ich weiß dass ich die Vergangenheit nicht ändern kann, sooft ich es mir auch wünsche, doch wenn ich ihr das Leben nur für einige Augenblicke erleichtern kann indem ich mit ihr im Regen stehe, dann werde ich es tun. Ohne zu zögern.

Ich löse mich nach einer Weile von ihr, wische ihr klatschnasses Gesicht mit meiner Handfläche mehr oder weniger trocken und lächele schwach. Sie lächelt traurig zurück.

"Komm wir gehen rein."

Ich reiche ihr meine Hand. Sie atmet kurz durch, nimmt dann meine Hand und tritt mit mir in das Hauptlager ein. Vielleicht ist es zu viel für sie. Vielleicht ist es besser dass sie keine Soldation mehr wird. Sie hat schon genug für die Menschheit durchstehen müssen.

Ich öffne die schwere Tür der Eingangshalle und trete nach (V/N) ein. Wie zu erwarten war stehen dort alle Soldaten mit aufgeregten Lächeln auf den Lippen.

Wie lächerlich.

Sie reden aufgeregt umher, kommen auf uns zu und versuchen (V/N) einer nach dem anderen in die Arme zu schließen. Einige weinen, andere schweigen.

Überraschenderweise sagt (V/N) nichts. Sie bleibt stumm, setzt ein trauriges Lächeln auf und blickt dann durch die Runde.

"Danke, Leute.", sagt sie dann ganz leise, geht dann schweigend an ihnen vorbei auf ihr Zimmer. Sorgvoll drehen sich ihre Kameraden nach ihr um, sogar ich bin mehr als verwundert.

"Heichou. Was ist mit ihr passiert?", fragt mich Lenz nach einer Weile.

"Tch."

Und so gehe ich in mein Büro um mich mit meinen Dokumenten zu befassen.

Die Antwort. Die Antwort auf Chistas Frage. Was ist mit ihr passiert? Ich weiß es nicht. Aber es schmerzt so sehr sie so zu sehen. Ich will nicht mehr über sie sprechen, über sie denken. Ich bringe es nicht übers Herz.

Erens Sicht
"Es ist unsere Schuld, Jean. Wären wir damals nicht so schwach gewesen dann hätten wir verhindern können dass sie (V/N) mitgenommen haben!"

Er schluckt.

"Ich weiß doch."

Ich seufze laut, enttäuscht und wütend von unserer Niederlage und lasse mich auf das knarzende Bett fallen.
"Wie es ihr wohl geht...?", murmele ich.

"Ich weiß nicht. Sollen wir vielleicht noch einmal zu ihr?", fragt Jean langsam.

Ich nicke. Mit einem Ruck bin ich wieder auf den Füßen und schlurfe den Gang hinunter, in Richtung (V/N)'s Zimmer.
Die Tür steht auf. Seltsam. Ich drücke sie leise auf, und als ich das leere Zimmer entdecke atme ich tief durch.

"Sie ist wahrscheinlich bei Levi."

Ich nicke. Das habe ich auch gerade gedacht.

Ich schließe die Tür des Zimmers, trete einige Schritte zur Seite und klopfe an Heichous Tür.

"Eren bist du verrückt?! Levi wird uns umbringen!"

"Das ist mir egal.", erwidere ich kalt.

"Was?!", brummt die gedämpfte Stimme Heichous durch die Tür.

Kurz durchatmen, Klinke runterdrücken und eintreten.

Ich blicke mich im Zimmer um und bin mehr als überrascht dass nur Levi hinter seinen Blättern sitzt. Er ist immernoch klitschnass, hat sich wahrscheinlich noch nicht umgezogen.

"Ähm... Verzeiht, Heichou. Wir dachten dass wir (V/N) vielleicht hier finden würden."

Ich öffne gerade die Tür um rauszutreten, da hält mich ein kräftiger Handgriff fest und zieht mich leicht zurück.

"Sie ist nicht in ihrem Zimmer?!"

"Ähm... nein Heichou!"

Levis Augen weiten sich ungeheuerlich und ich spüre zum ersten Mal seine Angst. Der sonst so kalte und starke Heichou hat angst.

Und dann ist er schon davongestürmt. Aus dem Zimmer, reißt die Zimmertür von (V/N) auf und blickt wütend umher.

"Dieses Brat!", knurrt er wütend und läuft dann die Treppen runter.

"Heißt das... Selbst der Hauptgefreite weiß nicht wo sich (V/N) befindet?"

Erst jetzt wird mir dies klar.

"Verdammt! Jean! Wir müssen sie unbedingt finden!"

Jean nickt entschlossen, und sogleich laufen auch wir die Treppen runter. Wir stürmen überall hin, zur Krankenstation, Esssaal, das Büro des Kommandanten, die Duschen, die Trainingsräume und selbst in zahlreichen anderen Zimmern von anderen Soldaten.

Erfolglos.

"Wo kann sie sein?"

Ich lasse meinen Blick auf den Sturm wandern der draußen wütet.

"Außer sie ist..."

Und mit diesem Satz reiße ich die Eingangstür auf und kämpfe meinen Weg durch den kalten nassen Regen. Ein höchst unangenehmes und widerliches Gefühl, doch ich laufe einfach weiter, gefolgt von einem wütend fluchendem Jean.

"Eren! Sie kann doch niemals hier draußen sein! Eren! Bleib doch Mal stehen du Idiot!"

Ich bleibe ruckartig stehen, Jean knallt in meinen Rücken.

"Danke...", zischt er wütend.

Ich zeige einfach durch den Regen. Eine kleine Silhouette am Waldesrand, angelehnt an einen Baum.

Ich setze mich wieder schnell in Bewegung. Meine Schuhe versinken in den Schlamm und machen dabei ein matschendes Geräusch.

"(V/N)! (V/N)! Verdammt was machst du hier?"

Sie sitzt dort, eine Denke über den Schultern mit gesenktem Blick.
Sie hebt verträumt ihren kalten Blick, schaut mich einen Augenblick an.

"Den Regen genießen. Und nachdenken."

Ich schaue sie verwirrt an. Ihre Antwort ist zu ernst um ein Witz gewesen zu sein.

"(V/N). Komm rein. Es regnet wie wild. Und Levi macht sich bestimmt auch schon Sorgen.", meint Jean.

Ich nicke zustimmend. Mein Hemd ist schon völlig durchtränkt und der Stoff klebt ekelhaft an meiner Haut.

"Ich muss im Moment nachdenken, Jungs. Bitte lasst mich einfach hier."

Ihr Blick gleitet entgeistert und leer wieder auf ihre Füße.

Jean und ich schauen uns gegenseitig an. Wir denken dasselbe.

So setzen wir uns gleichzeitig neben (V/N) auf den nassen Boden, legen unsere Arme um sie und lächeln.

"Dann bleiben wir bei dir."

Ihre wunderschönen Augen glänzen kurz. Sie hebt ihre Arme kurz hoch damit wir beide auch Unterschlupf unter der Deck bekommen. Das riesige Blätterdach spendet uns etwas Trockenheit, und die Decke ist schön mollig warm.

Als ich dann das perfekte Profil von (V/N) erblickte, da erkenne ich dass der Regen tatsächlich ein schönes Wetter ist. Besonders wenn der Schauer (V/N) ist.

Coming Home // Levi x Reader x ErenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt