Wunschdenken

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Aber so würde es nie wieder werden. Ich sah zwar gerade meinen Ehemann, den Vater meiner beiden Kinder, mit unserem Sohn auf dem Arm im menschenleeren Park herumtollen, aber er war mit jemand anderem zusammen, der nicht Rebekah hieß. Sondern Nikolina. Und genau das, rief ich mir in diesem Moment ins Gedächtnis. Denn sonst, würde ich wieder Gefühle für ihn entwickeln, aber irgendwie kam es mir so vor, als hätte ich sie nie verloren, sondern nur ganz tief in meinem Inneren vergraben. Und immer wenn ich ihn ansah, kamen sie wieder an die Oberfläche, aber das dürfte nicht sein. Er war mit jemand zusammen. Und dieser Jemand war nun mal nicht ich. Obwohl ich mir das in diesem Moment so sehr wünschte. Ich senkte den Blick und dachte an meine kleine Tochter. Die ich seit drei Jahren nicht mehr gesehen hatte. Ich musste sie sehen. Hierbei konnte mir allerdings nur einer helfen. Und das war Stefan. Ich hob meinen Blick, stand von der Parkbank auf und ging auf mein Männergespann zu. "Hey", Stefan sah mich fragend an. "Hey", ich schaute verlegen auf den Boden. Ich wusste nicht, wie ich beginnen sollte. "Momma", mein Sohn sah mich mit demselben Blick an, wie sein Vater. Aus denselben blauen Augen. "Ähm", begann ich. "Maxi", setzte ich wieder an "möchtest du deine große Schwester kennenlernen?" Ich sah dabei aber nicht meinem Sohn in die Augen, sondern meinem Ehemann. Der schaute mich nur entsetzt an. "Ja!" Maxi wollte sofort auf den Boden, griff die Hand von seinem Vater und mir und ging schnurstracks auf den Ausgang des Parks zu. "Warum hast du das getan?", Stefan sah mich giftig über Maxis Kopf hinüber an. "Weil ich Leonia kennenlernen möchte, genauso wie du jetzt Maximilian kennengelernt hast." "Das ist etwas ganz anders!", rief Stefan aus, aber trotzdem noch leise. "Nein, ist es nicht!", widersprach ich ihm. "Außerdem sind wir in einem Land der Gleichberechtigung. Du siehst Maxi, ich Leonia. Und das Wichtigste ist, dass ich ihre Mutter bin und sie mich bis jetzt nicht kennt." "Das ist aber nicht meine Schuld", sagte Stefan. Und tief in meinem Inneren wusste ich das. Er wandte sich an unseren Sohn: "Maxi, kannst du noch kurz warten, und dich dort auf die Bank setzen, bitte? Mami und ich müssen noch etwas besprechen." Maxi ließ unsere Hände los und marschierte in Richtung Bank. Stefan zog mich bei der Hand. Ich erschauderte unter seiner trotzdem zärtlichen Bewegung. Sofort musste ich an unseren letzten gemeinsamen Urlaub denken. An all die Jahre, an die ich in Australien nur in meinen schwächsten Momenten gedacht hatte. All dies kam wieder hoch, und ich wünschte, alles wäre so wie zuvor. Ich schüttelte meinen Kopf, um wieder auf andere Gedanken zu kommen und um Stefan zuhören zu können. "Warum bist du gegangen?", fragte er mich. Ich stammelte: "Niklas", kam dann aber nicht mehr weiter. "Ich habe ihn auch verloren." Er schaute betroffen auf den Boden. "Ich habe dich geliebt. Wir hätten das gemeinsam durchstehen können.", er streichelte meine Hand. "Das weiß ich." Ich war so berührt von seiner Liebeserklärung, obwohl sie in der Vergangenheit stand. Aber meiner Meinung nach, hört man nie ganz auf, eine Person zu lieben. "Ich habe es versucht.", fing ich an. Er unterbrach mich: "Das hat man ja wunderbar gemerkt. Du warst nicht mal auf seiner Beerdigung!" Er wurde dabei etwas lauter. "Doch, das war ich, aber versteckt.", erklärte ich. "Ich dachte, wir schafften das, aber dann war da die Öffentlichkeit, die seinen Tod so oft heraufbeschworen hat und das habe ich nicht mehr ertragen." "Denkst du ich? Aber ich hatte meine Pflichten." "Richtig, du hattest etwas, dass dich abgelenkt hat. Ich hatte nichts. Du warst kaum da und so versank ich immer mehr, bis ich beschlossen habe, zu gehen. Und das war etwas gutes." Ich schaute ihm tief in die Augen. "Obwohl ich dich verlassen musste. Ich habe dich auch geliebt", schloss ich meine Erklärungen. "Aber lass uns Maxi nicht mehr länger warten lassen, lass uns zu Leonia gehen." Ohne auf seine Zustimmung zu warten, ließ ich ihn stehen und ging schnellen Schrittes auf die Bank zu, auf der Maxi saß. Er saß dort und schaute auf das Blätterdach, von dem langsam Tropfen auf den Boden fielen, da es anfing, etwas zu tröpfeln.

Plötzlich Royal 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt