Family picture

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Ich bin fähig, zu hören, zu sehen, zu fühlen, zu schmecken, aber im Moment konnte ich nicht reden. Meine Knie zitterten, ich hatte eine Gänsehaut auf dem gesamten Körper und das nur, weil ich Angst hatte. Ich hatte Angst, vor dem, was kommen würde. Heute wäre der Tag, an dem der erste öffentliche Termin von den Kindern, mir und Stefan war. Heute würde die Welt Maximilian kennenlernen. Als kleinen Jungen. Ich bürstete mir meine Haare ein letztes Mal, zupfte an meinem Kleid und Mantel herum und wartete darauf, dass es an meiner Tür klopfte. Leonia war vertraut mit dem Ablauf, während ich meinen letzten vor mehreren Jahren absolviert hatte. Maximilian war alles fremd, es würde also insgesamt ein Tag voller Überraschungen werden. Keiner konnte vorhersagen, wie es ausgehen würde. Ich schloss meine Tagen und setzte mich kurz auf mein Bett. Ich hatte es mir gerade eben erst so richtig gemütlich gemacht, als Stefan an die Tür klopfte. Ich ließ mich davon nicht irritieren und wartete darauf, dass er die Tür öffnete. Lange ließ er natürlich nicht auf sich warten. "Bist du fertig?" Er streckte seinen Kopf zur Tür herein und man konnte nur seinen Körper, der in dem Anzug, den er trug, besonders gut zur Geltung kam, bestaunen. Sehr wahrscheinlich hatte ich ein wenig zu lange geschmachtet, denn er räusperte sich und verließ den Raum. Mein Gott war das peinlich! Ich senkte meinen Kopf und folgte ihm. Er bot mir seinen Arm an und gemeinsam gingen wir zur Eingangstür, während wir tunlichst vermieden, über Nikolina und deren Schwangerschaft zu reden. Apropos, darüber müsste ich mit meiner Schwiegermutter noch reden, über das Gespräch, dass ich zwischen ihr und dem Unbekannten mitbekommen hatte. Aber erst einmal, müsste ich diesen Termin hinter mich bringen. Ich vermutete stark, dass hinter den Palasttüren bereits einige Pressevertreter warten würden. Allerdings mussten wir noch auf Leonia und Maximilian warten und die beiden schienen wohl nicht gerade die besten in Facto Pünktlichkeit zu sein. "Was denkst du?" wollte ich von Stefan wissen und er lächelte mich an. "Was denkst du?" Früher war das immer unser Gag gewesen, denn ich hatte es zuerst missverstanden und ihm meine Gedanken mitgeteilt, wobei er eigentlich wissen wollte, was ich dachte, dass er dachte. Ist das irgendwie verständlich? "Dass unsere Kinder definitiv noch etwas aufzuholen haben in Facto Pünktlichkeit." Aufgrund dieser Aussage musste er lachen und ich stimmte mit ein. "Jetzt aber ernsthaft, was denkst du wirklich?" Das interessierte mich zutiefst. "Über all das hier. Über diesen Termin, über unser gemeinsames Auftreten. Was denkst du darüber?" "Dass es vielleicht wieder so wird, wie früher." Er schaute mir tief in meine Augen und ich schloss diese. Denn es konnte nie wieder so werden, wie früher. Er bekam seiner Meinung nach ein Baby mit einer anderen Frau. Wie konnte es da wieder so wie früher sein? Es würde nie wieder so wie früher sein, wir hatten uns beide weiterentwickelt und beide ein Kind verloren. Wir hatten getrennt gelebt, aber immerhin war seine Hoffnung noch da. Er nahm meine Hand und hob meinen Kopf leicht an. "Es wird wieder so wie früher." Er sah mich tief an und ich musste ihm einfach glauben, zumindest für den Moment. Ich lächelte ihn an und er gab mir einen Kuss auf die Stirn. "Wo bleiben die denn nur?" Ich war so versunken in meine Gedanken gewesen, dass mir gar nicht aufgefallen war, dass unsere Kinder noch nicht da waren. "Siehst du, da kommen sie." Stefan deutete auf die Treppe, auf der unsere Sprösslinge wie zwei Elfen hinunterglitten. Sie sahen einfach bezaubernd aus und ich wischte mir verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel. "Jetzt geht es los." Stefan neigte sich zu mir. "Bist du bereit?" Auf diese Frage hin, schmunzelte ich. "Du kennst meine Antwort." Er lachte und nahm meine Hand. "Kinder", er drehte sich zu ihnen "ihr geht neben uns. Leonia, du nimmst Mommys Hand und du Maxi, kommst zu mir." In dieser Aufstellung verließen wir den Palast und es war nicht anders, als ich erwartet hatte, draußen wartete die Presse. Wir lächelten alle und gingen so schnell wie möglich zum Auto, das uns zum eigentlichen Ort des Termins brachte. Eine Gedenkstelle für Verstorbene des Zweiten Weltkrieges. 

An diesem Ort angekommen, stiegen zuerst die Kinder aus, und dann wir. Stefan hatte ihnen im Auto eingeprägt, vor uns zu laufen und sich an den Händen zu halten, während wir beide, dies ebenfalls tun sollten. Also ergriff er meine Hand und alles fühlte sich so vertraut an. Überall waren Menschen und wollten mit uns reden, uns die Hand geben, uns Geschenke darbringen und es war so einfach. So einfach, weil er an meiner Seite war. Es fühlte sich genauso an wie früher. Vielleicht hätte er doch recht. Vielleicht konnte wirklich wieder alles so werden, wie es früher gewesen war. In diesem Moment glaubte ich ebenfalls daran. Als wir an der Gedenkstelle ankamen, bekamen meine Tochter und ich Blumensträuße überreicht, die wir ablegten. Zudem bekamen wir danach noch einmal zwei identische Blumensträuße für uns als kleines Gift überreicht und Maxi bekam ein Spielzeugauto, worüber er sich tierisch freute. Dafür, dass es das erste Mal für ihn war, benahm er sich so erwachsen. Er machte alles nach, was Leonia ihm vormachte. Es hätte gar nicht besser laufen können. Nachdem der offizielle Teil erledigt war, posierten wir alle noch für ein Foto und Stefan und ich warfen uns ab und zu verliebte Blicke zu, die meinerseits alle echt waren. Ich wusste nach wie vor leider nicht, was er für mich empfand. Das müsste ich aber demnächst endlich mal erfahren, damit ich wüsste, wie ich Weitervorgehen würde. 

Plötzlich Royal 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt