Kapitel 17

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Was zuvor geschah:

Nach der Beerdigung will Beca die gesammelten Eindrücke und die Gefühle die nachdem sie Chloe erneut gesehen hatte aufkamen, mit dem Joggen von sich treiben. Da sie ihre Joggingsachen dabei hat, will sie sich hinter der Kirche umziehen. Chloe hat derweil ihre Tasche vergessen, welche sie durch den Hintereingang der Kirche wiederholen möchte. Dort treffen die Beiden aufeinander.

Gegenwart
Chloe:

Ungeduldig saß ich in Eliza's Büro.
Eine Woche war nun vergangen, mittlerweile duzte ich sie. Schließlich war sie mir momentan am nächsten. Das hörte sich ziemlich komisch an, wenn man das so aussprach. „am nächsten"... Das sollte je eigentlich Beca sein...
Jedoch war Eliza wie ein Schatten, sie war immer da, ließ mich nie alleine.
Manchmal fragte ich mich, was ich bloß getan hatte, dass ich so eine Beschattung nötig hatte. Dennoch tat sie mir gut. Sie war immer da, wenn ich sie brauchte und kümmerte sich um mich.
Ich konnte mit ihr über fast alles reden, über Alles außer Beca, denn diese hatte es nie gegeben. So wurde es mir zumindest erzählt. Aber auch ich hatte das mittlerweile begriffen und musste nun anfangen die Wahrheit zu akzeptieren.
Ich war krank. Nein, ich bin krank.
Immer wieder hatte ich mir ein Leben eingebildet, hatte an sie gedacht, an ihn.
Doch das war jetzt Geschichte, das alles war nie passiert, sie hatte nicht existiert, wir hatten nicht existiert. Alles nur Einbildung, Alles nur in meinem Kopf!
So hatten sie es mir zumindest erzählt. Mit „Sie!" meinte ich Eliza und alle anderen hier.
Ich sah nicht viele Menschen am Tag, aber wenn, dann sagten sie immer das Gleiche: „Du musst gesund werden.", manchmal aber auch Sätze wie: „Vergiss Sie!" oder „Das Leben geht weiter."
Dass das Leben weiterging, hieß ja noch lange nicht, dass MEIN Leben weiterging. Denn so wie es momentan aussah, musst ich mein altes Leben beenden um gesund zu werden.
Mir war immer noch nicht ganz klar, wie ich ohne sie, beziehungsweise ohne die Vorstellung von ihr weiterleben sollte.
Aber was sollte ich auch anderes tun? Sie war nur eine Vorstellung gewesen.
Eine Phase, welche mir nur Schmerzen zugefügt hatte, es hatte mich krank gemacht.
Mit einem Klicken öffnete sich die kleine Holztür auf der anderen Seite des Raumes. Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch und richtete meinen Blick auf die lächelnde Brünette vor mir. Sie lächelte immer zu, das war verwirrend, aber auf eine Art und Weise auch aufmunternd.
Mit einer unglaublichen Ruhe schloss sie die Tür hinter sich und setzte sich vorsichtig auf das Sofa mir gegenüber.
Während sie sich bewegte schien eine Art Zeitlupe eingesetzt zu haben. Ich hatte selber aufgehört mich zu bewegen und sie angestarrt. Sogar mein stetig wippendes Bein war endlich still.
Sie sagte nichts, sondern beobachtete mich mit ihren großen braunen Kulleraugen. Solche Momente machten mir Angst.
Wenn sie mich so ansah hatte ich immer das Gefühl, sie würde grade meinen Schädel durchdringen und meine Gedanken lesen.
Als kleines Kind hatte ich immer geträumt jemand würde meine Gedanken dokumentieren und mich irgendwann damit erpressen, eine Zeit lang hatte ich sogar schlechte Gedanken über Menschen in meinem Umfeld unterdrückt.
Ich hatte die Angst jede Person über die ich jemals schlecht gedacht hatte würde es erfahren und dann hätte ich keine Freunde mehr.
Komisch, worüber ich mir als Kind Gedanken gemacht hatte.

Eliza starrte mich weiterhin an, während ich die Macht über meinen Körper wiedergefunden hatte und mir nervös eine rote Strähne hinters Ohr strich.
Mein Blick wanderte auf die Uhr, so lange hatte sie mich noch nie nur beobachtet. Das verwirrte mich.
Nach einer weiteren Minute sah ich sie genervt an, ich wurde langsam ungeduldig.
„Wie lange willst du mich noch anstarren?!", presste ich entnervt hervor.
Nun wanderte ihr Blick auf meine Hände, die zu meiner Verwunderung zitterten.
„Ich starre nicht, ich beobachte. Vor genau 30 Sekunden haben deine Hände angefangen zu zittern.", sagte sie konzentriert.
Schnell klemmte ich meine Hände zwischen meinen Oberschenkeln ein. Das war mir irgendwie unangenehm.
„Und was bringt dir das bitte?!", erwiderte ich etwas patziger als gewollt.
Sie sah mich ganz ruhig an: „Dadurch erfahre ich etwas über dich. Zum Beispiel wie du dich in diesem Moment fühlst. Du bist nervös oder?"
Ich schüttelte den Kopf.
„Naja, nervös trifft es nicht ganz, eher genervt oder sowas. Ist doch auch geal, oder?!"
Ihr Blick irritierte mich sowas von, ich konnte mich nicht mehr richtig konzentrieren und abnerven tat sie mich auch. Diese ganzen Fragen, diese Neugier, das war alles so nervig.
„Das ist definitiv nicht egal. Es wichtig was grade in dir vorgeht und wie du dich fühlst."
„Aber wofür denn?!", fragte ich patzig. „ich bin doch sowieso verrückter Abschaum!"
Meine Worte glitten eher einem Schrei, als einem normalen Satz.
Aber was sollte ich auch sagen?
Sie sagten mir immer wieder, dass ich nicht verrückt war und dennoch wurde ich so behandelt.
Dennoch wurde ich bewacht und angesehen wie eine Art Abschaum. Also wofür war das Ganze überhaupt noch gut?

„Ach Chloe.", sie legte ihre Hand auf mein Knie und jagte mir dadurch einen Schauer über den Rücken.
„Du. Bist. Kein. Abschaum.", sagte sie noch einmal, so wie sie es jeden Tag tat. In meinen Ohren hörte es sich mit jedem Mal mehr nach einer Lüge an.
Eine Träne bahnte sich sich ihren Weg über meine Wange.
„Aber was dann? Was bin ich?"
„Menschlich. Denn du bist vieles, aber nicht verrückt. Ich denke gezeichnet vom Leben trifft es da wohl besser. Du hast viel durchgemacht. Es ist okay kleine Ticks zu haben und es ist auch okay sich zu verlieben. Du darfst auch deine Erinnerungen festhalten, doch du musst sie loslassen."
Die Tränen flossen wie aus dem Nichts über meine Wangen. Warum konnte ich nicht einmal stark bleiben? Es dauerte einen Moment, indem ich mich sammeln musste, aber auch nur einen Moment. Unglaublich viele Fragen schossen mir mit einem Mal in den Kopf.
„Könntest du es mir noch einmal erklären? Was genau ist passiert?", sagte ich monoton. Mittlerweile hatte ich diese Fragen schon zu oft gestellt. Es war zu einer Art Ritual geworden. Jeden Tag fragte ich sie und jeden Tag erklärte sie es mir erneut.
Das brauchte ich, um es zu verstehen. Ich musste es irgendwie schaffen die Wahrheit zu verstehen.

Sie atmete einmal tief ein:
„Also, du hattest Probleme in der Vergangenheit und während der Zeit auf dem College. Du hast dich einsam gefühlt und warst dadurch immer mehr und mehr alleine. Deine Freunde ließen dich im Stich, als es schlimmer wurde und ließen dich dadurch vereinsamen.
Da dir die Liebe zu und von einem Menschen gefehlt hat, hast du angefangen dir dieses Mädchen einzubilden. Naja, einzubilden ist eigentlich das falsche Wort. Du hast sie mit deiner Fantasie entworfen, sie nach deinen Wünschen geformt. Diese Vorstellung war so schön, dass du dich in sie verliebt hast. Du warst verliebt in die Vorstellung von Glück. Nachdem du ihr in deinem Kopf Aussehen und vor allem einen Charakter geschenkt hast, hast du dir Geschichten ausgedacht und dich abgeschottet.
Dein Leben ist regelrecht an dir vorbeigezogen. Bis zu dem Unfall.

Wenn man es überhaupt Unfall nennen kann. In deiner Trance fielst du von einer Brücke.
Vielleicht bist du auch gesprungen, das weiß keiner so genau.
Letzte Woche starb ein Freund von dir und wie durch ein Wunder bist du aus deiner Art Koma aufgewacht.
Bis vor Kurzem wusste auch ich noch nicht, was damals mit dir passierte. Das Puzzle setzte sich in den letzten Tagen zusammen, als ich mit dir reden konnte und Menschen aus deiner Vergangenheit befragen konnte."
Sie starrte mich an und hatte Tränen in den Augen. Das war jedes Mal so. Sie hatte mir mal erzählt, wie sehr sie meine Geschichte berührte und wie traurig das doch eigentlich Alles war. Was man halt alles so sagte. Das nervte mich irgendwie, denn helfen konnte es auch nicht so wirklich.
Was brachte mir ihr Mitleid denn jetzt noch?
Hätte sich damals Irgendjemand für mich interessiert, wäre vielleicht alles anders gelaufen und ich müsste mich jetzt nicht so schlecht fühlen. Ich müsste jetzt nicht hier sitzen und all die bemitleidenden Blicke ertragen.
Manchmal wusste ich nicht, was mein Leben oder DAS HIER überhaupt noch bringen sollte.
Ich mein ich war doch sowieso krank und die ganze Geschichte verstand ich auch jetzt noch nicht so richtig.
Das hörte sich alles so unreal an.
Wie so ein schlechter Roman oder sowas!
Da ich mittlerweile nicht mehr richtig wusste, was ich denken sollte, musste ich aber irgendwem Glauben schenken. Also glaubte ich und hörte zu.
Ich tat was sie sagte, weil ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte.
Ich glaubte, was sie sagte, weil ich nicht wusste, was ich sonst glauben sollte.
Mir war noch nicht mal bewusst von welchem Freund sie sprach, wenn sie sagte jemand wäre gestorben. Hoffentlich würde ihre Geschichte über mich irgendwann weitergehen. Hoffentlch würde sie mir bald mehr über meine Freunde und meine Vergangenheit erzählen.
Ich wollte wenigstens mit realen Erinnerungen in mein neues Leben gehen können.
Der Wecker klingelte, die Sitzung war beendet.

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Dieses Kapitel ist ziemlich lang, dafür kam es aber auch wirklich spät (sorry). Ich weiß nicht, wann das nächste Kapitel kommen wird, da ich diese Feren noch sehr viel unterwegs sein werde.
lg Örmel<3

BROKEN. (Fortsetzung von Is this love?)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt