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Schenke den Menschen ein Lächeln, Amber. Dann schenken sie dir auch eins zurück.

Diese Worte hat Mom jedes Mal zu mir gesagt, wenn ich neue Leute getroffen habe und unglaublich nervös deshalb war. Das letzte Mal hat sie sie zu mir gesagt, als ich in die Highschool gekommen bin, und riesige Angst davor hatte, die Schule auch nur zu betreten. Man merkt es mir vielleicht nicht an, aber ich hasse es mit fremden Leuten in einem Raum eingeschlossen zu sein. Leider ist das in der Schule unvermeidbar. Und da ich zu Dad gezogen bin, habe ich alle meine Freunde, die mir das Leben in der Schule erleichtert haben, verloren. Ich habe die Menschen verloren, die an meiner Seite waren, als der Tod mir mit dem Messer einen Stich ins Herz gegeben hat, indem er meine Mom aus dem Leben geführt hat. Die Menschen, die mich aufgefangen haben, bevor ich auf dem harten Boden des Lebens aufschlagen konnte. Natürlich redet man vor dem Umzug, dass man den Kontakt halten wird und sich auf dem laufenden halten wird. Doch trotzdem verliert man sich aus den Augen. Man verliert sich aus den Augen, weil man im Leben des anderen einfach verschwindet. Als würde ein Charakter in einer Serie sterben und durch einen neuen ersetzt werden. Man trauert um ihn, ja. Aber letztendlich geht man seinen eigenen Weg. Und das ohne den anderen.

Und jetzt stehe ich hier, vor dem Eingang meiner neuen Schule und traue mich nicht, einen Fuß hineinzusetzen. Vielleicht bin ich feige. Vielleicht bin ich nicht bereit den nächsten Schritt in meinem Leben zu tun. Vielleicht bin ich zu stur, um damit klarzukommen, dass ich nichts an der Situation ändern kann, egal wie sehr ich es mir wünsche. Vielleicht will ich aber auch einfach nicht das neue Mädchen sein, das seine Mutter verloren hat und jetzt bei seinem Vater wohnt. Fertig macht mich vor allem die Unwissenheit, ob es die anderen wissen. Aber woher denn auch schon? Dad kennt so gut wie niemanden und er ist ein ziemlich verschlossener Typ. Andererseits ist diese Stadt so klein, dass es sich schnell herumsprechen muss, wenn etwas passiert ist. Wenn seine Tochter plötzlich wieder aufgetaucht ist. Ich lege eine Hand an die Tür und zwinge mich zu einem Lächeln, doch meine Mundwinkel bewegen sich nicht. Ich lasse den Arm wieder fallen und raufe mir die Haare. Es fühlt sich falsch an ein Lächeln auf den Lippen zu tragen. Und ich glaube auch nicht, dass es sich für mich jemals wieder richtig anfühlen wird. Nicht solange der Schmerz hinter meiner Brust sitzt und sich an meine Seele geklammert hat. Ich atme einmal tief durch und trete in das Gebäude. Die Gänge sind leer und kühl. Nur gedämpft sind die Stimmen rechts und links von den Klassenräumen zu hören. Eigentlich hat Dad mich pünktlich zur Schule gebracht, aber ich bin die komplette erste Stunde vor dem Eingang gestanden. Wenn es jemand gemerkt hätte, würden sie mich für verrückt halten. Ich gehe mit gesenktem Kopf in das Sekretariat und stoße fast mit jemanden zusammen Derjenige murmelt eine Entschuldigung, schiebt sich an mir vorbei und verschwindet durch die Tür. Hinter dem Pult steht eine etwas ältere Dame. Ein paar graue Strähnen ziehen sich durch ihre glatten, braunen Haare und sie trägt eine hellblaue Bluse, die ihre Augen zum Vorschein bringt. Sie sieht genervt und gelangweilt aus, als sie mich von oben bis unten mustert. "Du musst Amber sein", sagt sie schließlich, dreht sich um und geht zu einem Schrank voller Ordner und Papiere. Ich nicke nur stumm und bin mir nicht sicher, ob sie mein Nicken wahrgenommen hat oder nicht. Jedenfalls zeigt sie keine Reaktion, sondern wühlt nur in den Papieren herum, bis sie ein paar Zettel hervorholt und mir überreicht. "Die Bücher bekommst du von den Lehrern. Hier ist dein Stundenplan. Du hast jetzt im Moment Deutsch bei Herrn Johnson. Um die Ecke und die erste Tür links." Mehr sagt sie nicht. Wer hat der denn bitte den Tag versaut? Ich nehme die Zettel und ringe mich schließlich doch noch zu einem Lächeln ab, um Moms Worten treu zu bleiben. Doch die Frau schenkt mir kein einziges Zucken mit den Mundwinkeln. Sie zuckt nur mit den Schultern und dreht sich um.

Ich bin in der Hölle gelandet. Der Schmerz hinter meiner Brust kriecht langsam hervor und breitet sich in meinem Körper aus. Kaum ist Mom nicht mehr hier, haben anscheinend auch ihre Worte Kraft verloren. Ich frage mich, ob der Schmerz, den ich mit ihrem Tod verbinde, auch jemals an Kraft verliert. Denn wenn nicht, halte ich ihn nicht mehr lange aus.



Mindless - Eine Party.  Eine falsche Entscheidung. Eine ewige SchuldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt