23

10 0 0
                                    

Der Kuss und das "sehr erfolgreiche" Gespräch mit Jase haben mich die ganze Nacht wach gehalten, sodass ich schließlich verschlafen habe und ganze zwanzig Minuten zu spät zum Deutschunterricht komme. Dass Mr.Johnson auch noch den gleichen Nachnamen hat wie Jase ist wohl ein Wink des Schicksals, das sich über meine verzweifelte, verzwickte Situation kaputtlacht. 

Zum Glück ist Mr.Johnson gnädig und bestraft mich nur mit einem mahnenden Blick. Aber es ist schon Strafe genug, dass er mich mit Raphael eine Gruppenarbeit machen lässt. Alleine beim Anblick seines Rückens werden meine Beine schwach. Verdammt es ist nur ein Rücken! Aber der schönste Rücken, den ich je gesehen habe.

"Da bist du ja, Amber. Ich dachte schon du würdest mich diese philosophischen Fragen von Mr. Johnson alleine bearbeiten lassen", sagt Raphael und zwinkert mir mit seinen Augen zu. Wunderschöne Augen.

Ich greife in den Briefumschlag und hoffe diesmal keine solche Frage wie letztes Mal zu ziehen. "Worauf hoffst du?" Diese Frage hat mich zum ersten Mal mit dem neuen Jase konfrontiert. Mittlerweile weiß ich nicht einmal, ob  ich mir den alten JJ nur eingebildet habe.
Raphael betrachtet mich ganz genau, als ich den Zettel auseinanderfalte und lässt mich keine Sekunde aus den Augen.
"Das Meer ist eine Form der Unendlichkeit. Dort wo das tiefe blau den Horizont küsst, ist nicht das Ende. Worin findest du in deinem Leben die Unendlichkeit", lese ich laut vor und muss noch während des Lesens mir ein Augenrollen zu unterdrücken. Mr. Johnson scheint wirklich die tiefste Finsternis in uns ans Licht bringen zu wollen.

Eine Weile betrachte ich stumm Raphaels Gesicht, konzentriere mich darauf, nicht in diesen Rehaugen zu versinken, und wünsche mir, das Leben, die Liebe, Gefühle wären einfacher. Aber die Welt der Gefühle ist eine für den Menschen unverständliche Welt, für die es keine Anleitung gibt. Gefühle sprechen ihre eigene Sprache und der Mensch muss lernen, diese Sprache mit seinem Herzen zu verstehen. Doch mein Herz steht noch ganz am Anfang. Denn mein Herz ist geprägt von der Sprache des Schmerzes.

"Der Tod" Mit diesen Worten breche ich schließlich das Schweigen und beantworte die Frage. "Der Tod?" Raphael legt den Kopf schief, sieht mich neugierig an und wartet geduldig auf meine Erklärung.
"Vielleicht ist es nicht die richtige Antwort für die meisten, doch der Tod scheint mir unendlich. Jemanden zu verlieren geht schnell, doch es bleibt immer ein Schmerz in deinem Herzen zurück, den der Tod dir anstelle deiner geliebten Person gelassen hat. Es ist nicht leicht zu akzeptieren, noch schwerer ist es zu verstehen. Doch am schlimmsten ist es zu Ertragen. Es ist wie ein nie endender Schmerz. Er scheint einem bis zum Schluss unendlich. Vielleicht ist es lächerlich so zu denken, aber"

Raphael legt seine Hand auf meinen Unterarm und schenkt mir ein ehrliches Lächeln. "Ich weiß, was du meinst. Ich habe meinen Vater nicht auf diese Art verloren, aber dennoch verloren. Es zeugt nicht von Schwäche, so zu denken, sondern von einer inneren Stärke, die einen nach außen hin leuchten lässt"

Raphaels Worte sind so tiefgründig, dass mir der Mund aufklappt und ich aufpassen muss, nicht zu sabbern. Aber er ist der erste, den ich treffe der versteht und mitfühlt. Und das lindert meinen Schmerz. Nicht ganz, aber ein großes erträgliches Stück.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 11, 2018 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Mindless - Eine Party.  Eine falsche Entscheidung. Eine ewige SchuldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt