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Ich nähere mich Jase und der anderen Person, ohne, dass sie etwas merken. Hinter einem Baum bleibe ich kurz stehen und lausche den Stimmen.

"Bitte, Jase, ich bin zur Zeit einfach knapp bei Kasse. Ich gebe dir das Geld innerhalb von zwei Monaten. Nur bitte gib mir etwas" 

Die Stimme ist tief. Die Stimme eines Mannes. In der Dunkelheit kann ich die große, schlanke Silhouette des Mannes wahrnehmen. Jase sitzt lässig auf einer Schaukel. Den einen Fuß angewinkelt, den anderen nach vorne gestreckt. 

"Sorry, aber ich kann nicht. Ich habe auch Vorgaben, an die ich mich halten muss. Und eine ist eben, nur zu geben, wenn ich dafür auch bekomme", antwortet Jase dem Mann. Seine Stimme ist mir so vertraut und doch klingen die Worte so fremd. 

"Jase, bitte" Die Stimme des Mannes ist angespannt, fast schon panisch. Vor meinem Auge, sehe ich das Gesicht des Mannes vor mir. Eingefallene, abgemagerte Konturen und Gesichtszüge. Die Augen sind leicht gerötet und dunkle, lila Schatten lassen das Gesicht viel älter wirken, als es ist. Ich kann nur zu gut ahnen, wonach der Mann Jase bittet. Und doch hoffe ich immer noch, dass ich mich irre. 

Noch bevor Jase etwas sagen kann, trete ich hinter dem Baum hervor und bleibe erst stehen, als ich direkt vor den Zweien stehe. Der schwache Schein einer Straßenlaterne ermöglicht es mir, Jase Gesichtsausdruck annähernd zu erkennen. In seinen dunklen Augen spiegelt sich das Licht der Laterne kaum. Seine Augen wirken leer. Verlassen. So als hätte er seine Seele verloren. Er presst die Lippen zu einer schmalen Linie, als ich vor ihm stehe bleibe und senkt ganz leicht den Kopf.  

"Lass uns allein, Nate", befehlt Jase dem Mann. Dieser wirft mir einen hilfesuchenden Blick zu. Sein Gesicht ist genau so, wie ich es gedacht habe. Und obwohl ich es wusste, erschreckt es mich doch. In seinen Augen liegt ein fast tierisch wirkender Glanz. Ein Glanz, der seine Abhängigkeit zeigt und alles menschliche aus den Fenstern zur Seele vertreibt. Ich blicke hinab auf seine Hände, die er zu einer Faust geballt hat. Er hat sie so fest geballt, dass ich sogar im Dunkeln die herausragenden Knochen erkennen kann. Als er die Faust öffnet, beginnt das Zittern, das von seinen Fingern  über seine Hand wie einen Schar Ameisen entlangkribbelt und sich langsam ausbreitet. Als Nate merkt, dass mein Blick  auf seinen unkontrolliert zitternden Händen liegt, steckt er sie schnell in die Taschen seiner Lederjacke. Er öffnet den Mund, so als wolle er Jase widersprechen, tritt dann jedoch einen Schritt zurück und seufzt laut.  Ohne ein weiteres Wort, dreht er sich um und geht, blickt dabei aber immer wieder über die Schultern zu ihm zurück. 

Ich sehe Nate solange nach, bis er in die Dunkelheit eingetaucht und mit ihr verschmolzen ist. Eine Weile schweigt Jase und nur das leise Quietschen der Schaukel unter seinem Gewicht hallt durch die Finsternis. 

"Du hast so spät nichts mehr hier zu suchen, Amber", bricht Jase schließlich das schwere Schweigen. 

Ich schüttle ungläubig über seine Worte den Kopf. "Und das ist alles, was du mir zu sagen hast?", fahre ich ihn wütend an. 

"Es gibt nichts zu sagen", entgegnet Jase und steht von der Schaukel auf. 

"Nachdem, was ich gehört habe, gibt es eine Menge zu sagen" Wut, Enttäuschung und Verwirrtheit sprechen zugleich aus meiner Stimme und ich schwanke einen Schritt zurück. Die Realität hat mich wie ein Ball am Kopf getroffen. Sie war die ganze Zeit da, aber ich wollte sie einfach nicht sehen. Ich habe die Augen verschlossen und mich blind gestellt. 

Jase stellt sich direkt vor mich hin und unsicher blicke ich zu ihm auf. Er hat die Lippen noch immer zu einer schmalen Linie verschlossen. "Du hast nichts von dem gehört, verstanden, Amber. Ich will dich nicht in Schwierigkeiten wissen", sagt Jase und packt mich an den Oberarmen. 

"Ich in Schwierigkeiten? Du, Jase. Hier geht es nicht um mich! Es geht um dich! Was hast du angestellt? Der Typ, der hier vor mir steht ist nicht der Jase, den ich als kleines Mädchen heiraten wollte. Diese Person vor mir ist ein Fremder!"

Eine Weile starrt Jase mich an, dann zieht er mich näher an sich heran und ohne das ich realisieren kann, was passiert, spüre ich seine Lippen auf den meinen. 

Mindless - Eine Party.  Eine falsche Entscheidung. Eine ewige SchuldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt