7

13 3 0
                                    


"JJ hat mich schon lange niemand mehr genannt", sagt Jase und löst sich lachend aus meiner Umarmung. Er verzieht die vollen Lippen zu einem Lächeln und mustert mich dann von oben bis unten. 

"Seit wann bist du zu einem Schwarzliebhaber geworden? Es gab Zeiten, da war pink dein Erkennungsmerkmal", ziehe ich ihn auf. 

"Werd nicht frech, Kätzchen. Deine Krallen hast du jedenfalls nicht verloren, das hast du bewiesen" Jase setzt seine Kapuze ab und zeigt seine blonden, kurzen Haare, die ihm locker in die Stirn fallen und sein blasses Gesicht nur noch blasser aussehen lassen. Mit der blassen Haut und den dunklen Augenringen sieht er wirklich mitgenommen und fertig aus. Ganz anders als ich ihn in Erinnerung habe. JJ war immer die Sonne auf zwei Beinen. Niemand konnte ihm sein Lächeln nehmen. Er war fast wie ein ansteckender Lächelvirus. Sobald man bei ihm war, konnte man überhaupt nicht schlecht drauf sein. Der einzige Tag, an dem mir sein Lächeln verborgen  blieb, war der Tag, an dem er umzog. 

"Alles okay bei dir? Seit wann bist du wieder in der Stadt?", frage ich ihn und streiche ihm eine Strähne hinter das Ohr. Jase sieht über mich hinweg und ein Schatten zieht über seine strahlenden Augen und lässt sie kurz matt und glanzlos wirken. Die Lippen presst er zu einer schmalen Linie zusammen und verkrampft die Hände. 

"Fünf Jahre nachdem wir weggezogen sind, hat Dad etwas mit einer anderen Frau angefangen. Mom hat das Ganze erst aufgegangen, als die Frau schwanger vor unsere Haustüre stand. Da war ich 15. Dad hat Mom die ganze Zeit über betrogen und kein Wort gesagt. Und als er sich entscheiden musste, hat er sich gegen uns entschieden. " 

Ich bin vollkommen fassungslos und kann JJ nur mit offenem Mund anstarren. 

"Dad ist zu seiner neuen Frau und Mom und ich sind hierher zurückgezogen. Ich konnte es kaum erwarten wieder in deiner Nähe zu sein und dir alles zu erzählen. Trotz des Kummers, dass Dad uns verlassen hat, habe ich mich gefreut, wieder in diese Stadt zurückzukommen. Meine beste Freundin wiederzusehen. Ich hab Sturm geklingelt und bin auf und ab gesprungen vor Vorfreude. Dein Dad hat mir dann die Tür aufgemacht und gesagt, dass du mit deiner Mom weggezogen bist und ihn an den Wochenenden nicht mehr besuchen kommst. Das hat mich wie ein Schlag ins Gesicht getroffen und sämtlicher Kummer ist wie ein Dach über mir eingestürzt. " 

Schuldbewusst wende ich das Gesicht von Jase ab. Wenn ich gewusst hätte, dass Jase wieder zurück in der Stadt ist, wäre ich gekommen. Wahrscheinlich hat Dad mir das auch immer in den verzweifelten Versuchen, mich anzurufen,  sagen wollen. Aber ich habe ihn jedes einzelne Mal weggedrückt, weil ich "zu beschäftigt" war. Jetzt im nachhinein wird mir klar, dass man für die Familie und für seine Freunde nie zu beschäftigt sein kann. Man hat immer Zeit für sie. Weil sie das wichtigste auf dieser Welt sind. Sie sind dein Anker, der dir Halt gibt, wenn du drohst auf weite, gefährliche See zu treiben. Sie sind die Wegweiser in deinem Leben, die dich aus der Dunkelheit zurück ins Licht führen. Aber das alles musste ich erst auf schmerzliche Weise erfahren. Ich musste erst verlieren, um zu verstehen. 

"Es tut mir leid, Jase", sage ich und sehe ihn mit großen Augen an. Jase schüttelt den Kopf und fährt mir über das Haar. "Ich bin nicht derjenige, bei dem du dich entschuldigen musst, Kätzchen. Dein Vater ist es" 

Er hat recht. Ich habe Dad mit 14 einfach links liegen lassen. Und als ich alleine im Regen stand, mit einer tiefen Wunde im Herzen, weil Mom gestorben ist, hat er mich trotzdem zu sich geholt. Er hat mir nie vorgeworfen, ihn nicht besucht zu haben. Ich bin ihm eine Entschuldigung schuld. Ich hätte nicht nur Mom, ich hätte auch ihn verlieren können. Und dann hätte ich ihm nicht einmal mehr gesagt, wie wichtig er mir ist. Ich hätte ihn einfach nur ohne Vorwarnung verloren. Und hätte mit der Schuld leben müssen, ihn ignoriert zu haben und ihm meine Liebe nicht gezeigt zu haben. Die letzten Worte, die man zu einer Person sagt, sollten immer mit Bedacht gewählt werden. Denn man weiß nie, was das Leben für einen bereit hält. Denn man weiß nie, ob es nicht vielleicht die letzten gewesen sein könnten. 

Mindless - Eine Party.  Eine falsche Entscheidung. Eine ewige SchuldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt