Kapitel 11 "Verschwinde aus meinem Leben. Ich will dich nie wieder sehen."

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Kapitel 11

Verschwinde aus meinem Leben. Ich will dich nie wieder sehen.

•°•

   Fertig angezogenen traf einer nach dem anderen im Trainingsraum ein um Selbstverteidigung zu lernen. Unser Trainer stand bereits auf der großen Matte in der Mitte des Raumes und redete mit einem Schüler. Man merkte sofort, dass er oft ins Fitness Studio ging oder trainierte, da sein Körper ziemlich gut gebaut war. Er stellte sich mit dem anderen Jungen in eine Position auf, woraufhin der Junge ihn angriff. Doch der Trainer blockte seine Schläge gekonnt ab und binnen weniger Sekunden war der Angreifer am Boden. 

„Das werdet ihr nach dem Kurs selbst können.", grinste er siegessicher.

Schließlich brachte er uns etwas theoretisches Wissen bei und schickte uns dann zum Aufwärmen. Ausdauer war sehr wichtig, aber auch den Körper schon einmal aufzuwärmen bevor man sich noch etwas zerrte. Ehrlich gesagt ging mir bereits nach der zweiten Runde die Puste aus, aber Chris sah mich mit hoch gezogenen Augenbrauen an, als wollte er mir sagen:„Schon am Ende?" Es freute mich wirklich sehr, dass mein Freund sich über meine Nichtleistung lustig machte, anstatt mich anzutreiben. Aber anstelle aufzugeben, legte ich noch einen Zahn zu und zog das Aufwärmen durch. Dann ging es endlich an den Nahkampf. Der Trainer, der sich uns als Dimitri vorstellte, zeigte uns bestimmte Griffe, die wir mit unseren Partnern nachmachen mussten. Es ging nicht wirklich um Kraft sondern um die richtigen Bewegungen und Taktiken. So schaffte ich es sogar, Chris über die Schulter zu werfen und das so einfach als hätte ich mir nur die Fingern lackiert.
„Uff.", stöhnte er und ließ den Kopf auf die Matte sinken.
„Das hättest du jetzt nicht erwartet, oder Chris?", fragte ich ihn belustigt. Er verzog das Gesicht und streckte mir einen Arm hin, sodass ich ihm aufhelfen konnte. Doch da hatte ich nicht damit gerechnet, dass er mich austrickste und ich statt ihm auf der Matte landete. Seufzend machte ich die Augen zu und ertrug meine Niederlage.
„Und das hattest du jetzt nicht erwartet, Anni."
Gekichere drang an mein Ohr. Das konnte nur Candy sein. Diese wurde aber selbst in ihrem unachtsamen Moment von Dimitri einfach Mal so ausgeknockt und Kyle gleich noch dazu. Wir mussten noch eine Menge lernen, aber vorerst war ich an der Reihe mit auslachen.
„Unachtsamkeit ist der schlimmste Fehler, den man machen kann Ladies. Es könnte entscheiden, ob ihr lebend vom Platz geht oder gar nicht. Weil ihr Tod seit."
Dimitris Worte waren wahr, aber er sollte es nicht so ernst nehmen, schließlich übten wir ja noch.

„Sagt mal bereiten wir uns hier auf einen Kampf vor? Oder üben wir nur Selbstverteidigung?", murmelte Chris mir ins Ohr.
„Definitiv ein Kampf um Leben und Tod.", sagte ich etwas lauter als beabsichtigt und Candy kam sofort zu mir herüber.
„Du sagst es Schwester. Man, ich glaube ich hab mir meinen Po gezerrt. Ist das überhaupt möglich?" Dabei fasste sie sich an den Hintern und verzerrte das Gesicht. Ich musste erneut kichern. Selbst Rob verzog sein Gesicht und ich konnte beinahe ein Lächeln an ihm sehen. Das wurde aber auch Zeit.
„Ich denke nicht, dass das möglich ist." „Man, jetzt lacht mich nicht alle aus, oder wollt ihr, dass ich euch mit meinen neu erlernten Fähigkeiten in den Arsch trete?" Sie versuchte wütend zu wirken, aber schaffte es nur halb. Während wir lachten, zeigte Dimitri bereits den nächsten Griff um den Gegner kurz außer Gefecht zu setzen. Dazu musste man beide Daumen in die Augen des Gegners drücken. Bei der Vorstellung so etwas jemals zu tun wurde mir schlecht. Jemanden die Augen auszustechen konnte ich mir nicht vorstellen, aber wenn es um mein Leben ginge, wer wusste das schon?
„Das müssen wir aber nicht üben oder?", schrie ein Junge nach vorne und ich verdrehte die Augen.
„Nur wenn ihr von jetzt an blind sein wollt. Was ich aber nicht empfehlen würde."

•°••°•

Am Abend ging ich mit Candy draußen spazieren. Die Zerrung an ihrem Po machte ihr immer noch zu schaffen, weshalb sie ungefähr jede Minute irgendwelche Schmerzenslaute von sich gab. Diese ignorierte ich bald, da ich nicht mehr tun konnte als ihr eine Schmerztablette zu geben. Das Wetter schien es aber nicht so gut mit uns zu meinen, da auf einmal schwarze Wolken aufzogen. Etwas lag in der Luft und ich konnte es deutlich spüren. Vermutlich braute sich ein Gewitter zusammen. Ich fand es nur ziemlich merkwürdig, da es so kurz vor Weihnachten normalerweise keine Wärmegewitter geben sollte. Schneestürme wären da schon wahrscheinlicher gewesen. Aber es musste sich ja nicht um ein Gewitter handeln. Es konnte auch ganz einfach schneien. Nur dass ich das nicht glaubte, da ich es in der Ferne donnern hören konnte.
Wir gingen eine Runde um die Türme herum und hingen unseren Gedanken nach, weshalb wir uns erschreckten als zwei in schwarz gekleidete Männer aus dem Turm der Jungs kamen. Die Beiden trugen eine Sonnenbrille, obwohl es langsam zu dämmern anfing und die Sonne um diese Jahreszeit sowieso nicht so stark schien. Die Waffen, die eigentlich an ihrem Halfter stecken sollten, waren fest in ihren Händen. Fast so als hätten sie sie gerade benutzt. Mich beschlich sofort ein ungutes Gefühl als ich sie sah. Hatten sie bereits Ergebnisse aus den Bluttests? Besuchten sie die Verdächtigen? Oder hatten sie schon jemanden festgenommen?
Ich zog Candy an ihrer Hand zurück, damit sie ebenfalls stehen blieb.
„Was hat es denn mit denen auf sich?", fragte ich.
„Bist du schon paranoid? Die haben bestimmt nur nach dem Rechten gesehen." Candy sah mich besorgt an und hielt sogar ihren Handrücken an meine Stirn um zu testen ob ich Fieber hätte. Aber das konnte sie sich sparen. Ich hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Die Wachen gingen nie in die Wohnhäuser der Schüler. Zumindest hatte ich noch keinen gesehen bis auf den der uns zum Verhör abgeholt hatte.
„Nach den ganzen Vorfällen darf ich das doch wohl sein. Außerdem habe ich kein gutes Gefühl bei der Sache.", erklärte ich ihr, darauf bedacht nicht zu laut zu sprechen, damit uns die Wachen nicht hörten. Sie entfernten sich so langsam von uns und steckten ihre Waffen wieder in ihren Halfter.
„Wenn du meinst. Lass uns lieber wieder reingehen. Jetzt machst du mir auch noch Angst. Nicht dass wir noch hier draußen angegriffen werden.", murmelte Candy mit großen Augen und zog mich weiter. Ich ging ihr ein paar Schritte nach doch dann blieb ich erneut stehen. Ich konnte noch nicht wieder in unser Zimmer gehen. Ich war einfach zu neugierig und da hieß es bei mir nicht später sondern immer jetzt gleich. 

„Weißt du was? Ich gehe zu Chris nach oben. Er wird wissen warum die Männer im Jungs Wohnheim waren. Und wenn nichts besonderes war, dann habe ich wenigstens Gewissheit.", beschloss ich. Candy zuckte mit den Schultern.
„Ok, mach was du nicht lassen kannst. Aber beeil dich. Sonst musst du nach der Sperre zurück in unser Zimmer gehen.", flüsterte sie in einem Ton, der mir anscheinend Angst machen sollte, aber ich ließ mich von ihr nicht einschüchtern. Ich war schon einmal nach der Sperre draußen.
„Mach ich. Und wenn es später wird, frage ich einfach Chris, ob er mich zurück begleitet, wenn es dir so lieber ist.", versicherte ich ihr damit sie sich keine Sorgen um mich machen brauchte. Sie winkte mir noch einmal zu und ich drehte mich um und ging zu Chris nach oben.
Im Wohnheim schien alles normal zu sein. Als ich bei zwei Jungs vorbeiging fingen sie an zu tuscheln, aber das interessierte mich nicht. Sollten sie doch denken was sie wollten. Jungs waren alle gleich. Sobald ein Mädchen im Jungsturm auftauchte wurde als allererstes angenommen, dass sie mit einem Jungen ins Bett stieg. Was war das für ein Blödsinn? 

Ich schreckte kurz zusammen als es draußen einen lauten Krach gab und schüttelte dann den Kopf. Es war nur ein Gewitter. Der einsetzende Regen bestätigte mir das.

Ich klopfte an die Tür und wartete bis Chris aufmachte. Es dauerte eine Weile, aber schließlich öffnete sie sich einen Spalt breit. Ich konnte nur seine Augen erkennen, da er nicht weiter aufmachte und runzelte die Stirn. Wieso um Himmels Willen verhielt er sich so seltsam?
„Hey Chris. Willst du nicht weiter aufmachen?", fragte ich lächelnd und biss mir in die Unterlippe. Wenn das ein Spielchen werden sollte, war ich dabei.
Chris seufzte und trat zurück um die Tür ganz auf zu machen. Als er zum Vorschein kam, mit seinen verwuschelten Haaren und dem düsteren Blick, ging ich nach vorne um ihm einen Kuss auf die Lippen zu geben. Doch ich kam gar nicht dazu. Denn sobald ich meine Hände um seinen Hals geschlossen hatte und nur noch Zentimeter von seinem Gesicht entfernt war, versteifte er sich total und wehrte mich ab. Mit einer Hand schob er mich zurück und ich fühlte mich plötzlich so, als hätte ich irgendetwas falsch gemacht. Chris sah bei genauerem Betrachten auch etwas grimmiger aus als sonst.

„Chris? Was ist los?", fragte ich besorgt. Vorsichtshalber ging ich einen Schritt zurück.
Warum wollte er mich nicht küssen? Hatte ich Mundgeruch? Oder hatte ich ihn irgendwie beleidigt? Ich konnte mich an nichts erinnern, dass relevant gewesen wäre. Ich wusste nur, dass etwas nicht stimmte und ich ein ungutes Gefühl hatte. Dabei war mir das Gewitter das draußen wütete, keine große Hilfe. Es passte nur zu dieser Stimmung.

„Bitte geh jetzt, Anni.", brummte Chris mit ernster Miene und schob mich langsam aus seinem Zimmer.Mein Lächeln verschwand genauso wie die Freude ihn zu sehen. Mein Herz verengte sich bei seiner Ablehnung.
„Was? Warum? Ich wollte fragen, ob du weißt was dir Männer hier wollten?" Er schwieg. Er sah mir nicht in die Augen. Er zeigte keine Emotion. Chris war wie ausgewechselt.
„Hab ich etwas falsch gemacht?", fragte ich verzweifelt und fühlte wie meine Augen zu brennen begannen.
Dann sah er mich an, als würde er mich nicht kennen. Als wäre ich eine lästige kleine Fliege, die um ihn herum schwirrte. 

„Anni." So emotionslos war er noch nie.

„Was ist los?", fragte ich noch einmal mit fester Stimme. Ich brachte es sogar zustande, dass sie nicht zitterte.  Und ich schrie ihn nicht an, obwohl ich nichts lieber getan hätte. Auf jeden Fall noch nicht.
„Verschwinde aus meinem Leben. Ich will dich nicht mehr sehen."
„Das ist nicht dein Ernst, Chris. Wo sind die Kameras? Über so etwas macht man keine Scherze." Genau das musste es ein. Ein schlechter Scherz. Ich sah mich nach Kameras um aber sah keine. Chris schüttelte den Kopf und begann die Tür weiter zuzumachen.
„Es ist kein Scherz. Ich mache Schluss.", sagte er mir direkt ins Gesicht und in dieser Sekunde blieb mein Herz stehen. Er wollte mit mir Schluss machen? Einfach so?
„Das kannst du nicht machen. Es war doch alles in Ordnung!", rief ich etwas lauter. Ab diesem Zeitpunkt war es mir egal, ob es irgendjemand in den anderen Zimmern hörte. Chris sagte mir eiskalt ins Gesicht, dass er sich trennen wollte und ich konnte es nicht glauben. Er stand an der Tür ohne irgendwelche Emotionen. Fast so als hätte ich ihm gar nichts bedeutet. Aber ich wusste was wir miteinander erlebt hatten.
„Geh jetzt." 
„Nein, ich will wissen warum? Ich liebe dich. Du hast gesagt dass du mich liebst." Ich weinte vor ihm vor Verzweiflung, aber schämte mich kein bisschen es zu zeigen. Er sah, dass es mich verletzte und doch machte er nichts.
„Ich habe gelogen."
Dann nahm er ein Messer, stach es brutal in meinen Hals und schlitzte mich auf. Bis direkt zu meinem Herz, dass er mit bloßen Händen aus meiner Brust riss und achtlos auf den Boden warf. Das Blut tropfte an mir herab genauso wie die Tränen.
Dann schlug er die Tür zu.

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Jaaaaaa ;) Ich hoffe ihr hattet Spaß beim Lesen.
Bis zum nächsten Mal.

LG Tanja

Shadow Creek 2 (Blutengel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt