23 »Man hat immer eine Wahl.«

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×Kapitel 23

Die Beerdigung der Königin fand an einem Tag statt, der nicht besser hätte passen können. Der Himmel weinte und das den ganzen Tag, zusammen mit den anderen Trauernden. Es ergab ein tragisches Bild, dass kein Künstler hätte besser treffen können.

Vor der heiligen Stätte der Schattenschwingen versammelte sich jeder, der Abschied von ihr nehmen wollte. Alle trugen schwarze Kleidung und hielten eine Rose in derselben Farbe in der Hand, die auf den Sarg der Königin gelegt wurde sobald sie an der Reihe waren. Ich machte den Anfang, ging zum hölzernen Sarg nach vorne und legte die Rose darauf ab. Zum Himmel gewandt sprach ich ein kurzes Gebet und versuchte nicht zu sentimental zu werden. Denn obwohl ich sie noch nicht so lange kannte war sie mir ans Herz gewachsen. Und sie hatte einen Tod verdient, der ihr gerecht wurde. Es war feige Gift ins Weinglas zu mischen nur um an die Macht zu kommen.
Die Band die engagiert wurde, spielte Trauermusik während alle anderen ebenfalls Abschied nahmen. Ich biss meine Lippen fest aufeinander. Immer wieder kam mir der Gedanke, dass mein lebloser Körper da liegen könnte. Fein zurechtgeputzt und bald unter der Erde. Candy bemerkte meine Anspannung und nahm meine Hand in ihre. Ich atmete wieder durch.
„Mach dir keinen Kopf. Wenn es das Schicksal so gewollt hätte, dann hättest du das Glas getrunken. Aber deine Zeit ist noch nicht gekommen." Das gleiche hatte mir Niall auch gesagt und doch wollte ich es nicht akzeptieren.
„Das Schicksal ist dumm."
„Es will dich keiner im Himmel haben, sei froh. Und die Rede schaffst du auch noch.", sprach sie mir gut zu und drehte ihre Rose in den Händen hin und her.
Ich hatte die Grabrede halb verschwitzt aber dank Candice erinnerte ich mich wieder daran. Es gehörte zu meinen Pflichten. Nach einigen Minuten verstummte die Musik und ein Redner begann zu sprechen. Bevor die Königin in die Erde gelassen wurde, war ich an der Reihe. Meine Hände zitterten, aber ich meisterte die Rede professionell und der Sarg wurde mit großem Tamtam auf den Friedhof getragen, mit Blütenblätter bestreut und in die Erde gelassen.

Der Umtrunk danach war gar nicht so bedrückt wie ich dachte. Wir hatten den kleineren Saal vorbereiten lassen. Noch bevor ich zu meinen Freunden kam, die an einem Tisch beieinander standen, wurde ich von Simens, dem engsten Vertrauten der Königin abgehalten und in Gespräche verwickelt. Ich tauschte Nettigkeiten aus und nahm Beileidsbekundungen an. Es war anstrengend und ich fragte mich wann ich meine hohen Schuhe wieder gegen Sneakers eintauschen konnte.
„Und jetzt musst du dich von deiner besten Seite zeigen. Die Königin hat vor ihren Ableben mit mir deine Heiratspläne besprochen und wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass Prinz Elwin von Hagendorn, der beste Anwärter ist. Die Gespräche mit seinen Eltern laufen bereits."
Mir blieb erst einmal die Spucke weg bei den Nachrichten. Ich hatte nicht einmal die Zeit ihn anzuschreien, stellte er mir schon den Prinzen vor. Meine Augen waren vor Schreck weit aufgerissen und ich musste wie ein aufgeschrecktes Reh ausgesehen haben. Dennoch hielt ich dem Jungen meine Hand hin um keine große Szene zu machen. Der braunhaarige Schönling nahm sie an und küsste sie als wäre er von einem schlechten Film entsprungen.
"Bei mir kannst du damit nicht punkten.", sprach ich das erste aus was mir in den Sinn kam und hielt mir den Mund zu. Ich war zu überrumpelt und konnte nicht mehr klar denken. Mein Blick ging zur Seite zu Siemens, der einen peinlich berührten Ausdruck im Gesicht hatte und ich lief rot an. Glück gehabt, dass nicht Mr. Reed neben mir stand.
Der Prinz allerdings lachte bloß. Ich versuchte mich zusammen zu reißen und wenn ich alleine mit Siemens oder Mr. Reed war, konnten sie ihr blaues Wunder erleben.
„Schon gut. Du willst erobert werden, das kann ich verstehen, Prinzessin Annabella. Ich freue mich dich kennenzulernen.", sagte er freundlich und gab mir zu verstehen ihm zu folgen. Meine Füße gingen ihm nach, mein Verstand jedoch war nicht mehr anwesend. War ich in der falschen Zeit gelandet? Ich dachte die Zeit in der man gegen seine Willen heiraten musste, war schon längst vorbei. Wie kam ich aus der Situation bloß wieder raus?
Ich setze mich neben Elwin von Hagendorn zu Tisch und stieß mit ihm an. Der Champagner wurde von einer Angestellten vorgekostet und dann erst uns gegeben. Die Sicherheitsvorkehrungen stiegen gewaltig an um mich zu beschützen. Es war merkwürdig. Doch der Vorfall mit dem Gift hatte ihnen zu denken gegeben. Ich fühlte mich dadurch zusätzlich geschützter.
„Es freut mich dich kennen zu lernen. Mein Beileid." Ich nickte und blickte mich im Raum nach Candy um, die ich dann auch vor dem Klavier vorfand, wo sie mit Kyle redete. Sie sah nicht zu mir herüber.
"Ich habe schon einiges über dich gehört.", sagte er und nahm einen Schluck von seinem Glas.
„Oh nett. Ich noch gar nichts über dich." Es war nur die Wahrheit, doch er hob fragend eine Augenbraue.
„Dann müssen wir das ändern, findest du nicht? Immerhin werden wir bald miteinander verheiratet sein. Ich kann es noch gar nicht glauben. Du bist einfach nur wunderhübsch." Ich verdrehte innerlich die Augen.
„Mhm." Als mein Blick endlich den blonden Lockenkopf fand, den ich verzweifelt suchte, wurde mir warm ums Herz.
„Auf meinem Anwesen haben wir die Möglichkeit Schi zu fahren. Gleich neben unserem Haus führt ein Lift nach oben und die Aussicht ist herrlich."Ich fragte mich warum er mir das erzählte, ließ ihn aber. Anscheinend merkte er mein Desinteresse nicht. Ich nahm mir von der Mitte des Tisches ein kleines Häppchen und antwortete. „Ach wie schön." Das Essen musste bald serviert werden. Ich hatte bereits Bärenhunger.
„Bist du schon Mal Schi gefahren?" Er rückte interessiert näher. Ich war noch nicht einmal in der Nähe eines hohen Berges mit Schnee.
„Nein."
„Oh dann könnte ich es dir doch beibringen. Ich bin sicher, dass wir uns so noch besser kennen lernen können. Schi fahren ist eines meiner größten Hobbys.", fuhr er fort und nahm sich ebenfalls lächelnd etwas zu Essen. Ich sah wieder zu Niall, der endlich meinen Blick bemerkte und mir zuzwinkerte. Ich jedoch sah ihn nur gequält an.
„Kälte kann ich jetzt nicht so ab."
„Okay. Was machst du denn gerne in deiner Freizeit?" Niall zeigte mit dem Finger auf meinen Gesprächspartner und zog die Augenbrauen zusammen.
„Mit Freunden feiern gehen zum Beispiel.", antwortete ich etwas abwesend. Das schien ihm jedoch nicht so zu gefallen.
„Ok." Er schien eine Weile nachzudenken. „Welche Musik hörst du so? Meine Lieblingskünstler sind Frank Ronn und Xavier Bellser. Die besten der klassischen Musik." Zu sagen, dass ich mich langweilte war untertrieben. Elwin bemühte sich wirklich mit mir Konversation zu betreiben, aber meine Gedanken und meine Blicke gingen immer wieder zu Niall. Nie im Leben wollte ich verheiratet werden ohne meinen Gegenüber zu lieben. Elwin erzählte mir noch einige uninteressante Details über ihn aber dann seufzte er auf. Ich richtete meinen Blick wieder auf ihn anstatt auf Niall, der komische Grimassen schnitt und mich fast zum Lachen brachte.

Shadow Creek 2 (Blutengel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt