16 »Und wenn er nie bereit ist aufzuwachen?«

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»Und wenn er nie bereit ist aufzuwachen?«

Auf dem Weg zu Nialls Krankenzimmer bekam ich dann doch schwitzige Hände. Die Tatsache, dass Candy die ganze Zeit bei mir war, half mir aber sehr mich zu beruhigen. Alles erinnerte mich an die letzte Nacht, als alles so schnell gehen musste und ich im Wartezimmer meine Minuten abzählte. Und hoffte, dass alles gut ging.
An der Rezeption sagte man uns die Zimmernummer von Niall und als wir direkt davorstanden, wollte ich sofort wieder umdrehen.
   „Was gedenkst du da zu tun?" Candy fasste mich am Zipfel meines Shirts und zog mich wieder zurück zur Tür.
Man, ich wusste doch auch nicht was mit mir los war.

„Es ist alles meine Schuld.", redete ich mir von der Seele. Das würde ich in seinen Augen sehen, so wie in meinem Traum.
Eigentlich hätte ich jetzt im Bett im Krankenhaus liegen sollen.
„Du hörst mir ganz genau zu. Es ist nicht deine Schuld. Er hat es für dich getan. Aus freien Stücken. Und er ist ein freier Schattenschwinge, der tun kann was er will."
„Stimmt nicht. Manche Dinge wie Raub und Töten sind verboten.", wandte ich ein und Candy schlug sich mir der flachen Hand auf die Stirn.
„Du hörst mir nicht zu, oder? Wir gehen da jetzt rein. Hier deine Pralinen."
Ich sammelte mich und nickte. Ich war bereit. Und dann drückte ich die Türschnalle herunter und öffnete die Tür.
Meine Augen fanden Niall sofort ohne lange zu suchen. Er lag mitten im Raum auf einem Bett. In seiner Armbeuge steckte eine Nadel, die an eine Flasche angeschlossen war. Der Verband zog sich über seine gesamte Brust und Schulter.
Candys Hand berührte sanft meine und ich nahm sie an. Ihn da so liegen zu sehen, löste etwas in mir aus, dass ich nicht beschreiben konnte. Mitleid, Wut, Trauer, Reue...
Der Monitor der neben ihm stand, piepste stetig und das Geräusch war einfach nur wunderschön. Denn es bedeutete, dass er lebte und er  da war. Es hätte so viel schlimmer ausgehen können.
Mit schnellen Schritten ging ich zu ihm ans Bett auf die rechte Seite und stellte die Pralinen auf den kleinen Tisch daneben.
„Niall?", flüsterte ich leise um ihn nicht gleich unsanft aus dem Schlaf zu wecken. An meiner Wange spürte ich etwas Kühles, Nasses. Ich wischte die Träne weg und probierte erneut seinen Namen zu sagen. Ein bisschen erinnerte es mich an die Explosion in der Schule und als er mir den Streich gespielt hatte. Ich hatte gedacht er wäre tot.
Niall atmete ruhig weiter und ich berührte ihn an der Schulter. Aber er gab keine Regung von sich. Ich sah verwirrt zu Candy hoch, aber sie zuckte nur mit der Schulter.
„Niall, ich und Candy sind da. Hörst du uns?", fragte ich.
„Ich werde einen Arzt fragen.", murmelte Candy und verließ das Zimmer. Mir wurde mulmig.
Ich sah in Nialls Gesicht. Er sah so engelsgleich wie immer aus. Nur leichte Augenringe zeichneten sich ab und er wirkte ein wenig blasser.
Als Candy zurückkam setzte sie sich auf den Stuhl auf der anderen Seite und erklärte mir was der Arzt gesagt hatte.
„Er liegt noch im Koma? Aber wann wird er aufwachen? Wacht er überhaupt auf?" Mein Herz begann zu rasen. Das war doch beschissen. Konnten die Ärzte ihn nicht wieder gesund machen?
„Ja, aber es braucht Zeit. Er wacht auf wenn er bereit dafür ist." Ich sah wieder zu Niall hinab auf sein schlafendes Gesicht und schüttelte den Kopf. Er hätte mir nicht helfen sollen. Er musste nicht den Held spielen, aber er hatte es getan. Und was wurde aus dem Mut? Er lag im Koma. Ich strich ihm langsam eine Locke aus dem Gesicht und zusammen saßen wir noch eine Weile da und hingen unseren Gedanken nach.
„Und wenn er nie bereit ist aufzuwachen?", fragte ich dann in die Stille.
Diese Frage blieb unbeantwortet.

***
Es stellte sich heraus, dass ich mir meine Kleidung für das Gespräch mit der Königin nicht selbst aussuchen musste. Stattdessen lag sie nach dem Mittagessen auf meinem Bett im Zimmer. Ich hielt das Kleid ins Licht und betrachtete den feinen Stoff. Dass ich jemals so ein hübsches und wahrscheinlich teures Kleid in den Händen halten, geschweige denn tragen würde hätte ich nie gedacht.

 Dass ich jemals so ein hübsches und wahrscheinlich teures Kleid in den Händen halten, geschweige denn tragen würde hätte ich nie gedacht

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Shadow Creek 2 (Blutengel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt