Mein erster Weg am Morgen führte mich direkt zur Direktorin. Gleich in der Früh klopfte jemand an unsere Zimmertür und als ich sie aufmachte hing ein Zettel daran. Ich konnte mir schon denken was auf diesem Stück Papier stand. Es musste mit meinem Verstoß am Vorabend zu tun haben. So früh würde niemand an unsere Tür klopfen. Während ich also den Zettel von der Tür löste, schlief Candy seelenruhig weiter in ihrem Bett. Ich fragte mich warum sie so gut schlafen konnte, denn ich zum Beispiel wälzte mich die ganze Nacht nur herum. Hin und wieder schlief ich ein, aber die Gedanken die in meinem Kopf herumspukten, hielten mich die meiste Zeit von Schlaf weit fern.
Ich lief also nach unten, in das Schulgebäude und den Gang entlang zum Büro der Direktorin. Davor auf den Stühlen saß bereits Niall, der mich nicht beachtete. Er schien zu beschäftigt damit zu sein, nicht gleich auf der Stelle einzuschlafen. Sein Kopf lag schräg in der aufgestützten Hand und seine Augen fielen alle paar Sekunden zu. Auch er musste nicht viel geschlafen haben. Es schadete zumindest nicht seiner Frisur. Die blonden Locken standen wirr in alle Richtungen ab als wäre er gerade erst aufgestanden. Aber es sah gut aus. Wie immer.
Ich ließ mich schnaufend auf den leeren Stuhl neben ihn fallen und steckte mir die Kopfhörer in die Ohren um meine Lieblingsmusik zu hören. Es war die Vorbereitung auf die große Standpauke, die gleich kam.
Als die Tür in hohem Bogen aufschlug, zuckte nicht nur ich zusammen. Auch Niall schreckte hoch wie ein ängstliches Meerschweinchen. Geschah ihm Recht. Immerhin hatte er uns den Ärger eingebrockt. Wenn er mich nicht aufgehalten hätte, wären wir nicht nach der Ausgangssperre noch draußen gewesen und alles wäre perfekt. Naja, fast perfekt. Da gab es ja immernoch meinen Freund Chris, der sich heute noch nicht gemeldet hatte.
„Kommt rein, Niall Corner und Anni Melone.", sagte die Direktorin gelangweilt und verschwand in ihrem Büro. Wir gingen ihr wie kleine Lämmchen nach und setzten uns auf die schon bereit gestellten Stühle vor dem Schreibtisch. Ihr Büro war überraschenderweise sehr chaotisch eingerichtet. Auf jeder kleinen Ablagefläche lagen stapelweise Ordner und Zettel herum. Selbst auf dem Boden befanden sich einige Dinge, die das Zimmer sehr unordentlich wirken ließen.„Ich möchte gerne von euch Beiden wissen warum ihr meine Regeln missachtet und euch nach der Ausgangssperre außerhalb eurer Zimmer aufgehalten habt."
Ich hatte die Direktorin noch nie so wütend gesehen wie jetzt. Mit ihrer großen Brille und dem grimmigen Gesichtsausdruck sah sie viel einschüchternder aus als all die anderen Male, die ich sie gesehen hatte.
„Es tut mir Leid. Wird nicht mehr vorkommen.", entschuldigte ich mich sofort. Für irgendwelche Diskussionen hatte ich keine Lust. Ich wollte alles einfach hinter die Bühne bringen. Mrs. (mir fällt der Name Grad nicht ein) nickte, hatte jedoch kein Lächeln für uns übrig. Der starre Blick blieb.
„Dass das nicht mehr vorkommt ist doch wohl klar. Warum wart ihr draußen, frage ich euch. Niall?"
Gute Frage. Darauf hatte ich keine Antwort. Was sollte ich ihr denn schon sagen? Dass ich und meine Freunde uns nach der Ausgangssperre nach draußen geschlichen haben und sogar noch in die Bucht geflogen sind um eine Party zu feiern? Das auf keinen Fall.
Ich überlegte mir krampfhaft was ich ihr erzählen sollte doch dann ergriff Niall das Wort.
„Ich... ehm wir haben uns getroffen und ich habe ihr Blumen gegeben?", sagte er mit seinem üblichen Charme. Na super. Innerlich wollte ich mir an die Stirn klopfen das konnte ich vor der Direktorin jedoch nicht machen. Hätte er sich nicht etwas plausibleres einfallen lassen können?
Den Blick von misses so und so zu urteilen glaubte sie Niall wohl auch nicht so ganz. Sie faltete ihre Hände vor sich am Tisch zusammen und spitzte die Lippen.
„Soso. Und die hättest du ihr nicht am helllichten Tag geben können?"
„Nein...", sagte er unsicher und wurde immer leiser. Ich atmete einmal tief ein und aus und versuchte uns irgendwie noch zu retten.
„Wisst ihr was ich denke? Ich denke es hat gestern eine kleine rebellische Aktion gegeben. Party nach der Ausgangssperre? Klingt doch nach Jugendlichen, die den Nervenkitzel spüren wollen. Dabei habt ihr euch wirklich gut angestellt es zu verheimlichen... Unsere Wachen sind die Besten. Aber es ist gefährlich da draußen und ihr habt euch in Gefahr gebracht indem ihr die Regeln missachtet." Sie wusste ja gar nicht wie sehr sie mit dieser Aussage ins Schwarze traf. Sie kannte die Jugendlichen allzu gut. Aber selbst wenn, sie hatte keine handfesten Beweise und deshalb konnte sie uns das nicht in die Schuhe schieben. Zugegeben hätte ich es sowieso nicht. Mein Herz begann vor Nervosität schneller zuschlagen.
„Aber wir haben keine Party gemacht. Versprochen. Wir... ehm. Haben uns getroffen weil wir... naja... alleine sein wollten."
Ich ließ meine Hand unter den Tisch wandern und kniff in Nialls Oberschenkel um ihn zu verstehen zu geben, dass er mitspielen sollte. Er ließ sich außer einem kleinen Zucker und einem irritiertem Blick in meine Richtung jedoch kaum etwas anmerken. Spiel mit du Dummi, wollte ich ihm telephatisch mitteilen aber wir wussten beide, dass es diese Fähigkeit nicht gab.
Schattenschwingen hatten leider keine besonderen Fähigkeiten, die man nutzen konnte um Feinde abzuwehren wie in all den Fantasybüchern. Jedenfalls wusste ich von keiner.
„Ja, ich habe Anni endlich meine Liebe gestanden..." Dabei zwinkerte er mir zu legte einen Arm um meine Schultern. Die Direktorin beäugte uns skeptisch, seufzte aber schließlich geschlagen auf. Sie legte zwei kleine Zettel auf den Tisch und schob sie zu uns herüber.
„Genug jetzt. Warum auch immer ihr da wart, es hat Konsequenzen. Ihr bekommt eine Strafe."
Fast hätte ich schon erleichtert aufgeatmet, weil sie uns glaubte aber leider Fehlalarm.
Auch das noch. Ich hätte es mir schon denken können. Mit einer Standpauke kamen wir nicht davon.
„Büchereidienst jede Woche um 17:00-18:00 und die Gestaltung des kleinen Gartens davor."
Genau dasselbe stand auf den kleinen Zetteln, die sie uns zuschob.
Ich hatte echt keine Lust für die Schule freiwillig zu arbeiten und das auch noch mit dem blonden Idioten neben mir. Aber da es nun alles keinen Ausweg gab, musste ich es so hinnehmen.
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Shadow Creek 2 (Blutengel)
FantasíaAnni und ihre Freunde sind in Aufruhr. Nach dem tragischen Bombenanschlag auf Shadow Creek und dem Verlust vieler Schattenschwingen, werden die Sicherheitsbestimmungen geändert und Gun Carrier bewachen das Internat rund um die Uhr. Dennoch folgen de...