×Kapitel 21(1)
„I'm driving home for christmas..." Ich war so abgelenkt, dass ich im Unterbewusstsein die Weihnachtslieder mitsang, die im Radio liefen.
„Last christmas i gave you my heart..." Als jedoch Last Christmas als Nächstes kam, konnte ich Candy aufseufzen hören.
„Och ne, den kann ich nicht mehr hören.", beschwerte sie sich und drehte sich im Sessel, sodass ihre Füße an der Rückenlehne abstanden und ihr Kopf in Richtung Boden zeigte. Ein kleines rotes Buch lag in ihren Händen, dass sie seit zwei Stunden versuchte zu lesen. Ich wusste, sie ließ sich zu sehr ablenken. Alles war interessanter als diese blöde Hausaufgabe, die sie lesen musste. „Der gehört nun mal zu Weihnachten dazu. Ich kann nichts dafür.", erklärte ich ihr schmunzelnd und drehte noch lauter, während ich eine Christbaumkugel an den Baum hängte. Es war ein richtiger Tag zum Nichtstun und gemütlich zuhause zu sitzen. Vor allem, da es draußen eine riesige Ladung Neuschnee gab und das einfach zu Weihnachten gehörte.
„Jaja, genauso wie diese Plüsch Pantoffeln, die aussehen wie ein Rentier und dieses komische Kleid, dass aussieht wie ein Süßigkeiten Topf und und und." Ich hatte es nun einmal gerne festlich. Meine Plüsch Pantoffeln in Rentier Optik gehörten da genauso dazu wie weihnachtliche Kleidung, viele Lichterketten, Kekse und der Weihnachtsbaum. Ich liebte es einfach alles zu dekorieren.
„Du könntest mir ruhig mal helfen.", stellte ich fest und befestigte weiter Kugeln auf den Ästen. Ich fühlte mich einfach nur großartig.Weihnachten ist die schönste Zeit im Jahr. Zumindest war sie das als ich noch ein Kleinkind war und unsere Eltern uns noch analogen um uns eine Freude zu machen. Eine Zeit in der Magie existierte und es ein Christkind (Weihnachtsmann, für die anderen) gab ,dass ohne Gegenleistung Geschenke verteilte. Auch wenn es nicht mehr ganz so magisch war wie damals ,liebte ich es.
Alleine schon die vielen verschiedenen Gerüche riefen in meinem Unterbewusstsein viele gute Gefühle hervor. Tannennadeln, Kerzenduft, Zimt, Nelken, Lebkuchen und alte verstaubte Deko. Ich freute mich wenigstens diese Tradition, in all dem Chaos, aufrechte zu erhalten.
Es gab mir ein Gefühl der Normalität. Deshalb schmückte ich den ausgesuchten Christbaum selbst mit den Kugeln, die mir meine Mutter von zu Hause mitgebracht hatte. Bei der Übergabe der Deko hatte ich sogar kurz ein Glänzen in ihren Augen sehen können aber sie wandte sich schnell ab. Trotzdem hatte ich den Moment der Schwäche bemerkt und sie umarmt. Es war schwierig loszulassen. Aber ich war fast erwachsen und sowieso bald ausgezogen.
Aus der Weihnachtsstimmung konnte mich Candy nicht draus bringen, nur weil sie mies drauf war, weil sie ihr Buch noch fertig lesen musste.„Jingle bells, Jingle Bells Jingle all the way...", lallten zwei Männerstimmen vor der Tür zu meinem Wohnzimmer, das ich mir ergattern konnte. Ich sah prüfend auf die Uhr und dann zu Candy, die ebenfalls aufblickte. Es war gerade einmal 20 Uhr und schon war jemand angetrunken. „Sch, sch... Du musst leise sein. Die Mädchen schlafen bestimmt schon.", hörten wir und ich fing an zu grinsen. Besonders leise waren die Beiden nicht.
„Raus aus den Federn, Anni. Ich hab hier deinen Lieblingsschnaps." Darauf folgte ein Klatschgeräusch.
„Aua!"
„Lass sie schlafen."
Da hatten sich aber zwei Idioten gefunden. Wie konnte es auch anders sein. Niall und Darius passten perfekt zusammen und wenn er gerade nicht als mein Leibwächter im Dienst stand, machten die Beiden die Clubs unsicher. Ich deutete Candy an, dass sie aufmachen sollte, aber sie rührte sich nicht vom Fleck.
„Ich lieg gerade so bequem.", seufzte sie. „Und du stehst so schön."
„Du kannst nicht mehr aufstehen weil du dir irgendetwas verrenkt hast, stimmt's?", fragte ich sie wissend und bekam ein Nicken als Antwort.
„Oh Gott, mein Arsch! Ich wusste nicht, dass der auch Nerven hat, die man sich einklemmen kann."
„Ist ja gut, ich gehe schon." Wiederwillig legte ich meine Kugeln zur Seite und öffnete die Tür. Niall und Darius bemerkten es am Anfang gar nicht, dass sie bereits offen stand. Im Gegenteil, sie flüsterten sich gegenseitig etwas zu. Beide hatten eine Flasche Alkohol in der Hand und sahen bereits ziemlich fertig aus. Niall schwankte sogar ein wenig. Als ich ihn sah, breitete sich in mir sogleich ein wohliges Gefühl aus und ich räusperte mich.
Beide Köpfe schossen sofort in meine Richtung.
„Jetzt hast du sie aufgeweckt.", lallte Darius verärgert.
„Hab ich gar nicht"
„Sieh dir ihren Blick an."
„Kommt rein Jungs. Wir sind gerade dabei den Christbaum zu schmücken und euer Gelaber stört uns."
Niall streifte beim reingehen 'ganz zufällig meine Taille und das machte er mit voller Absicht. Denn danach zwinkerte er mir zu.
„Was geht denn hier ab?"
„Hier riechts wie in einem Winterwunderland."
„Wir hätten doch nicht aufmachen sollen."
„Die sind aber hübsch."
Ich blickte bei all den durcheinander redenden Stimmen gar nicht mehr durch und hatte wahrscheinlich den Gesichtsausdruck eines Wales.
Mein Bodyguard ließ sich auf dem neuen Sofa nieder und schüttete fast den Alkohol aus, wobei ich einen kleinen Herzinfarkt bekam. Ich hatte die Möbel alle erst kürzlich bekommen und das Zimmer eingerichtet. Ich bekam nicht so schnell wieder neue Sachen. Mit weit aufgerissenen Augen stürmte ich zu Darius und entnham ihm wie einem Kleinkind die Flasche, die ich auf den Tisch neben ihm abstellte. Erste Gefahr gebannt. Die zweite folgte sogleich als ich den Blick auf Niall warf. Er bewunderte meinen Christbaumbehang sehr aufmerksam. In der einen hielt er eine sehr zerbrechliche Kugel und in der anderen die Lichterkette, die übrigens auch schon um seinen Fuß gewickelt war. Wie um Himmels Willen hatte er das so schnell gemacht? Ich hatte mich doch nur zwei Sekunden umgedreht. „Die ist die allerschönste, Anni. Ich helfe dir mal aufhängen, sonst kommst du ja nie weiter.", murmelte er und kicherte. Ich sah ihn schon vor meinem inneren Auge auf die Fresse fliegen und keuchte auf. Er durfte sich auf keinen Fall weiter bewegen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mir sehnlichst einen Knopf gewünscht mit dem ich die Zeit stoppen konnte.
„Halt! Niall, nicht bewegen." Zu meiner Verwunderung tat er sogar was ich sagte und blickte verwirrt zu mir. Er war kurz davor loszugehen und alles niederzureißen. Das war knapp. Ich entwirrte ihm schnell die Lichterkette, an der der ganze Baum hing und nahm ihm dann die Kugel ab.
„Das ist alles nichts für angetrunkene Leute, verstanden?", versuchte ich ihm zu erklären woraufhin er schmollte.
„Hier ist doch niemand angetrunken, oder Darius, Kumpel?"
Als keine Antwort kam, sahen wir beide zum Sofa und ich musste lachen. Er war bereits weg gedämmert. Candy hatte sich bereits aus ihrer misslichen Lage befreit und der Schmerz schien vergessen.
„Der ist hinüber.", lachte sie und stupste ihn an die Nase. Er rührte sich kein Stück. „Och man, so eine Spaßbremse. Ihr alle." Niall begab sich schließlich auf das andere Sofa und trank aus seiner Flasche. Dabei reckte er seine andere Hand in die Luft und wippte zum Takt der Musik mit. Dass es noch immer Weihnachtslieder waren, schien ihn nicht zu stören. Ich ließ mich neben ihn fallen und atmete laut aus. Wenn man selbst angetrunken war, waren andere Besoffene viel lustiger.
„Anni, deine Füße!", quietschte Niall plötzlich auf und zeigte auf den Boden. Im ersten Moment wusste ich gar nicht was mit meinen Füßen sein sollte und dachte schon eine eklige Spinne krabbelte auf ihnen herum. Gott sei Dank war das nicht der Fall.
„Was ist damit?"
„Zwei Rentiere haben sie gegessen. Das muss schrecklich weh tun." Candy fing an zu kichern und ich verdrehte die Augen. Niall sah hingegen ernsthaft schockiert aus.
„Sehr witzig. Das sind Hausschuhe und sag nicht, sie gefallen dir nicht." Ich reckte meine Füße nach oben damit sie alle begutachten konnten.
„Doch doch. Schnaps?"
Ich nahm die Flasche entgegen und trank einmal daraus. Es brannte in meinem Hals und ich verzog mein Gesicht. Das war definitiv nicht mein Lieblingsschnaps. Im Radio fing das nächste Lied an und ich grinste. Rudolf! Ich liebte es.
„Okay. Ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Ich werde dann mal gehen.", gab Candy kund und sprang auf.
„Bleib doch noch.", bat ich sie weil ich nicht mit den zwei Typen alleine sein wollte. Ich wollte in Ruhe meinen Baum zu Ende schmücken und mit ihr quatschen. „Ja bleib.", grinste Niall und legte seinen Kopf nach hinten an die Lehne.
„Nein nein. Ich bin müde." Candy gähnte gekünstelt, schnappte sich ihr Buch und deutete mit ihrem Kopf auf Niall. Als sie ihre Augenbraue ein paar Mal hoch zog, verstand ich ihren Wink mit dem Zaunpfahl. Sie wollte Niall und mich alleine lassen. Ich warf einen Blick auf den schlafenden Darius. Ganz allein waren wir nicht, aber der bekam sowieso nichts mehr mit.
„Ich glaube Candy hat Zuckungen.", murmelte mir Niall belustigt zu und winkte Candy nach. Wir sahen ihr nach bis sich die Tür hinter ihr schloss und wir alleine waren. Niall grinste und stellte den Alkohol auf dem Boden ab. Dann ließ er wieder den Kopf auf die Lehne des Sofas sinken und seufzte.
„Weißt du, wir haben eigentlich noch gar nicht über die ganze Sache gesprochen, die passiert ist." Er hatte vollkommen Recht. Ich sprach nie über die Dinge, die geschehen waren aus einem ganz einfachen Grund. Ich wollte es vergessen und das konnte ich am besten indem ich es ignorierte. Als wäre es nie passiert. Und natürlich war es nicht die beste Art und funktionierte auch nicht ganz. Dass Niall dieses Thema ansprach, überraschte mich. Normalerweise machte er immer nur Scherze und nahm nichts so richtig ernst. Doch obwohl oder gerade wegen dem, dass er angetrunken war, schien er dieses heikle Thema anzusprechen. Ich sah ihn an, direkt in die Augen. Er schien fast so als wäre er nüchtern.
„Wie geht es dir damit? Und sag nicht gut, ich weiß das stimmt nicht. " Ich hatte die Frage wie es mir ginge, schon oft gehört, aber niemand hatte es wirklich wissen wollen. Es war eine Standard Frage auf die die meisten Leute keine besonders ausgefallene Antwort erwarteten. Danke gut, und weiter geht's. Obwohl es nicht einmal der Wahrheit entsprach. In mir bereitete sich ein wohliges Gefühl aus und ich musste lächeln. Ihn anlächeln. Jeder wünschte sich doch eine Person, die einen ansah und in den Arm nahm ohne fragen zu müssen wie es einem ging.
„Ehrlich gesagt, fühlt es sich nicht wirklich real an. Wie eine Illusion oder ein Traum und man wacht jede Sekunde auf. Ich muss mich an mein neues Leben erst gewöhnen. Es ist alles so anders und irgendwie fühle ich mich nicht mehr so frei wie ich vorher war. " Und dass ich fast die Radieschen von unten gesehen hätte, machte das auch nicht besser. Selbst Niall hätte heute nicht hier sein können. An manchen Tagen fühlte es sich echter an als an anderen Tagen. Aber damit musste ich mich zurecht finden.
Seine Hand rutschte von seinem Schoß und lag nun dicht neben meiner. Dennoch berührten sie sich nicht. Die Hitze die von ihm ausging war aber deutlich zu spüren.
„Kann ich verstehen. Ist wie der Film plötzlich Prinzessin. Aber weißt du was? Du schaffst das schon. Ich kenne dich und gerade deswegen weiß ich dass du alles was du dir in den Kopf setzt auch schaffst. Du bist stark." Das Kompliment tat mir gut und strömte durch meine Adern, direkt in mein Herz. Ich musste wegsehen und meine Augen blieben an unseren Händen hängen, die sich so nah waren und doch so fern.
„Danke, Niall. Ich bin froh dass ich alles nicht alleine durchstehen muss." Ich hatte Candy hier, meine beste Freundin. Kyle, ihren Freund. Rob, meinen Pessimist und dann noch Niall, mein... Keine Ahnung was er für mich war. Jedenfalls nicht nur ein Freund. Aber er war mit dieser Tusse zusammen, was es kompliziert machte.
„Deine Mom ist nicht deine leibliche Mom?", fragte er schließlich und ich nickte.
„Ja, das ist so absurd. Ich bin eigentlich ein Zwilling. Diese Magd hat mich einfach entführt und zu meiner Mutter gebracht..." Ich erzählte ihm ausführlich die ganze Geschichte über meine Herkunft und er hörte mir aufmerksam zu.
„Unglaublich.", murmelte er und gähnte. Ich seufzte auf.
„Ja, ich weiß. Aber sie wird immer meine Mutter bleiben egal ob es auf dem Papier ab jetzt anders steht.", sagte ich und war so entspannt, dass mir kurz die Augen zufielen. Ich sollte wirklich ins Bett gehen.
„Natürlich. Wenn mir jemand sagen würde ich wäre adoptiert, dann zum Teufel mit der Frau, die mich nicht wollte. Ich bin herangewachsen und aus mir ist sowas tolles geworden."
„Okay, übertreibe mal nicht, Niall." Er gähnte und lachte gleichzeitig.
„Wenn du reden willst, Anni. Ich bin immer für dich da." Wir quatschten über belanglose Dinge, vieles brachte mich zum Lachen, einiges war einfach nur alltäglicher Kram, wie zum Beispiel der Winterball am nächsten Tag, aber ich liebte es. Und dann schwiegen wir für eine Weile und hörten den Weihnachtsliedern zu. Die Themen waren aufwühlend, aber als sich sein kleiner Finger mit meinem kleinen Finger verschränkte, musste ich lächeln und konnte gar nicht mehr damit aufhören, bis ich einschlief.
***Ich weiß, ich bin schrecklich, weil ich euch immer so lange warten lasse. Ich bitte um Vergebung 😊😊 und hoffe, dass euch das Kapitel gefällt. Es ist in zwei Teile geteilt weil ich bei dem Rest noch etwas bearbeiten muss und euch nicht noch länger warten lassen wollte.
Ich freue mich so, dass es draußen endlich frühlingsmäßig ist... Sonne, warm und kein Schnee mehr.
LG
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Shadow Creek 2 (Blutengel)
FantasíaAnni und ihre Freunde sind in Aufruhr. Nach dem tragischen Bombenanschlag auf Shadow Creek und dem Verlust vieler Schattenschwingen, werden die Sicherheitsbestimmungen geändert und Gun Carrier bewachen das Internat rund um die Uhr. Dennoch folgen de...