7

8.4K 194 10
                                    

Entsetzt schauten meine Brüder mich an. "Was ist?" "Na ja, es ist ziemlich ungewohnt." "Natürlich ist es das, ihr habt mich ja mit blonden Haaren kennengelernt." "Und jetzt sind sie schwarz." "Das ist dunkelbraun." "Aber ein sehr, sehr dunkles Braun." "Wenn's euch nicht gefällt, dann sagt es einfach." "Das tut es nicht, wir müssen uns halt noch dran gewöhnen. Wieso hast du das überhaupt gemacht?" "Seufzend schaute ich auf meine Hände. "Ich brauchte eine Veränderung." Im nächsten Moment fand ich mich in Svens und Lars' Armen wieder und musste leicht lächeln. Der Vorfall mit Jan war zwei Tage her, aber ich träumte immer noch schlecht und kam nicht davon los. Normalerweise hatte ich ein großes Selbstbewusstsein und eine vorlaute Klappe, aber davon war momentan nichts zu spüren. Stattdessen saß ich stundenlang in meinem Zimmer, hörte einfach nur Musik und versuchte nicht an Jan zu denken. Er war jetzt wegen Stalking und Belästigung dran, hoffentlich würde er eine gerechte Strafe bekommen. Mit einem leisen Seufzen löste ich mich aus der Umarmung meiner Brüder, zu viel Körperkontakt konnte ich im Moment auch nicht ertragen. Die beiden schauten mich leicht verletzt an, doch ich drehte mich einfach um und ging hoch. Im Badezimmer stützte ich mich keuchend auf den Rand des Waschbeckens und musterte mich im Spiegel. Meine dunklen Augenringe traten schon unter der Make-Up-Schicht hervor, die ich mir heute morgen ins Gesicht geschmiert hatte. Meine blauen Augen stachen durch die dunklen Haare noch mehr hervor als vorher, allerdings sahen sie ganz anders aus als vor zwei Tagen. Der Schalk glitzerte nicht in ihnen, keine Abenteuerlust, keine Gefühle. Ruckartig drückte ich mich ab, drehte mich um und ging in mein Zimmer. Auf meinem Schreibtisch stapelten sich die Bücher, in den letzten zwei Tagen hatte ich so viel für die Uni gemacht wie nie zuvor. Ich schnappte mir mein Handy und meine Kopfhörer vom Bett, machte Musik an und setzte mich hin. Dann las ich weiter in einem Buch über den Anschlag auf Pearl Harbour durch die Japaner. Es verging einige Zeit, ich machte mir immer wieder zwischendurch Notizen oder markierte etwas, dann war ich plötzlich auf der letzten Seite angekommen. Überrascht schaute ich auf die Uhr und stellte fest, dass es schon 16 Uhr war. Ich atmete tief durch und schaute aus dem Fenster. Es war zwar kein gutes Wetter, aber trotzdem hatte ich den Drang jetzt beim Training der Jungs zuzuschauen. Seit vorvorgestern war ich nicht mehr am Trainingsgelände gewesen. Ich wusste, dass Lars und Sven sich Sorgen machten, und wollte ihnen zeigen, dass ich zurecht kam. Also stand ich auf und ging zu meinem Kleiderschrank. Dort suchte ich mir Klamotten raus und tauschte meine Jogginghose, das Shirt und die Strickjacke gegen eine Jeans und einen kuscheligen Pulli, der mir etwas zu groß war. Im Bad wischte ich mir das ganze Make-Up aus dem Gesicht, weil es draußen regnete und ich keine Lust auf Pandaaugen hatte. Dann würde man eben meine Augenringe sehen, davon ging die Welt ja nicht unter. Seufzend cremte ich mein Gesicht noch schnell ein, dann lief ich die Wendeltreppe runter und zog mir Schuhe an. Der Pulli war dick genug, sodass ich keine Jacke brauchte, dann steckte ich mir noch Handy und Schlüssel in die Hosentaschen und verließ die Wohnung. Mein Auto stand zum Glück direkt vor der Haustür und ich stieg schnell ein und fuhr los. Zum Trainingsgelände war es nicht weit und dort angekommen fand ich schnell einen Parkplatz und stieg aus. Am Eingang saß Amelie, ein Mädchen in meinem Altern, das ich vor etwa einer Woche kennengelernt hatte. Als sie mich sah, wirkte sie überrascht. "Hey, schön dich zu sehen. Geht's dir besser?" Ich zuckte die Schultern. "Kann ich raus zum Training?" "Klar, aber heute ist öffentlich, also halte dich besser irgendwo im Hintergrund auf." Ich nickte und lief weiter. Dass das heutige Training öffentlich sein könnte, hatte ich gar nicht bedacht. Leise seufzte ich und erreichte schließlich den Platz. Ich schlich mich auf die Tribüne, zog mir die Kapuze des Pullis auf und ließ meine dunklen Haare auch noch ein wenig in mein Gesicht fallen. Die Jungs hatten sich anscheinend gerade erst eingelaufen, denn sie kamen jetzt zusammen und besprachen den heutigen Ablauf. Als dann mit dem Aufbauen begonnen wurde, drehte Julian Brandt, der mir vor zwei Tagen so geholfen hatte, sich in meine Richtung, schaute hoch und entdeckte mich. Er wirkte überrascht und starrte mich einen Moment an, dann lächelte er leicht und ich versuchte es zu erwidern. Er konzentrierte sich wieder auf seine Aufgabe, aber als er an Sven vorbeikam, hielt er meinen Bruder kurz fest und redete mit ihm. Dieser schaute sofort zu mir und begann liebevoll zu lächeln. Dann machten die beiden einfach weiter, aber Sven erzählte es noch Lars, welcher ebenfalls kurz zu mir schaute. Während des gesamten Trainings blieb ich still sitzen und beobachtete die Jungs. Meine Brüder waren nicht wirklich konzentriert, zum ersten Mal fielen mir ihre müden Blicke und die leichten Augenringe auf. Sie machten sich Sorgen um mich, das wusste ich. Aber ich wusste nicht, dass sie nicht mehr genug schliefen. Damit mussten sie unbedingt wieder angefangen, wenn sie die Saison gut anfangen wollten. Als der Trainer das Training schließlich beendete, liefen die Spieler alle zum Zaun, wo Reporter und Fans standen. Ich richtete mich auf und lief aufs Feld, blieb allerdings am Eingang zum Tunnel stehen. Meine Kapuze hatte ich immer noch auf und beobachtete verstohlen, wie die ersten Jungs zurückkamen. Einer von ihnen war Julian. Er lächelte leicht und wollte mich umarmen, aber irgendwas in mir drin wehrte sich dagegen und ich wich zurück. Sein Blick wirkte für einen Moment verletzt, dann nickte er leicht und hob einfach nur die Hand. "Hi." "Hey." Julian musterte mich und legte den Kopf schief. "Hast du dir die Haare dunkel gefärbt?" "Ja. Sven und Lars können sich noch nicht so wirklich daran gewöhnen." "Na ja, es ist ungewohnt, aber die beiden werden auch noch erkennen, wie gut dir das steht." Verwirrt runzelte ich die Stirn. War das ein Kompliment gewesen? Verdammt, wo war mein Selbstbewusstsein hin? Schüchtern biss ich mir auf die Unterlippe und in diesem Moment kamen auch meine Brüder. Beide umarmten mich ganz leicht, ließen aber sofort wieder los. "Wir gehen duschen und uns frisch machen. Möchtest du hier warten?" Ich nickte leicht und die drei gingen weg. Unschlüssig schaute ich zum Zaun, wo ein paar von den Jungs immer noch Autogramme oder Interviews gaben. Mein Blick glitt über den Platz und ich entdeckte einen Ball, der vorhin hinter einen Kasten gerollt sein musste. Ich joggte los und schnappte mir die Kugel, dann dribbelte ich los. Irgendwann blieb ich stehen und ließ den Ball um meine Füße tanzen. Zwischendurch kickte ich ihn mal hoch und fing ihn mit der Strin oder dem Knie auf. Dann ließ ich ihn mal von Arm zu Arm rollen oder drehte mein Bein mehrmals in der Luft, während der Ball im Flug war. Bei einem Trick verlor ich den Ball jedoch und er rollte weg. Ich wollte ihn gerade holen, als sich ein paar Füße in mein Blickfeld schob. Überrascht schaute ich auf und entdeckte Bernd. "Na, mal wieder Lust auf Fußball?" Ich zuckte die Schultern. "Der Ball lag dahinten und ich hab ihn nur geholt." Bernd begann, den Ball auf seinem Fuß zu balancieren, dann kickte er ihn zu mir. "Hast du nicht mal wieder Lust richtig zu trainieren und im Verein zu spielen?" Ich ließ die Kugel kurz von Fuß zu Fuß springen, dann passte ich wieder zu Bernd. "Lust schon, aber das Studium ist echt anstrengend." "Ist das Studium wirklich das, was du willst?" Überrascht starrte ich den blonden Torwart an, in meinem Kopf begann es zu rattern und während wir weiter den Ball kickten, begann ich mich zu hinterfragen. Wollte ich dieses Studium wirklich? Hatte ich es damals nicht bloß wegen Mama angefangen? Aber dann musste ich es doch jetzt auch zu Ende bringen, oder? Aber konnte ich nicht parallel dazu Fußball spielen? Als Sven und Lars schließlich zurückkamen und wir nach Hause fuhren, schossen noch immer viele Gedanken in meinem Kopf hin und her und sobald ich die Wohnungstür aufgeschlossen hatte, ging ich auf mein Zimmer und ließ mich verwirrt auf mein Bett fallen.

Plötzlich zwei Brüder?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt