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Mein Kopf dröhnte und ich stöhnte vor Schmerz. Nie mehr Alkohol, wirklich! Seufzend rollte ich mich auf die Seite und öffnete die Augen, um im nächsten Moment laut zu schreien. Denn neben mir lag Julian und hatte mindestens kein Oberteil an. Von meinem Schrei wachte auch er auf und stieg sofort in meinen Schrei ein, als er mich entdeckte. Als wir uns wieder beruhigt hatten, hoben wir fast synchron die Decke an und ich stellte fest, dass ich nur noch einen Slip und Julian eine Boxershorts trug. Wir starrten uns eine Weile an, bis ich vorsichtig nachfragte. "Hatten wir Sex?" "Ich hab keine Ahnung." "Super, ich auch nicht. Dann-" "Dann tun wir einfach so, als hätten wir keinen gehabt", beendete Julian meinen Satz und ich nickte sofort. "Guter Vorschlag." Da ich mich unglaublich schämte und immer noch halbnackt war, stand ich schnell auf und stellte fest, dass Julians und meine Sachen auf dem ganzen Boden verteilt waren. Ich griff nach meinen Klamotten und suchte mir aus dem Schrank noch frische raus, dann verschwand ich im Bad, wo ich einen vorsichtigen Blick in den Spiegel risktierte. Meine Wimperntusche war verlaufen, als ob ich geweint hätte, mein Lippenstift hatte überraschend gut gehalten und war nur minimal verschmiert. Seufzend schminkte ich mich ab und machte mich frisch, dann schlüpfte ich in frische Unterwäsche, Jogginghose und Pulli und sortierte die anderen Sachen in die Wäschekörbe. Zuletzt cremte ich mein Gesicht ein und trug Lippenpflege auf, dann atmete ich tief durch und verließ das Bad. Davor stand ein grinsender Sven und musterte mich von oben bis unten. "Na, nie wieder Alkohol?" Ich nickte. "Lars und ich waren Brötchen holen. Kommen Julian und du dann gleich runter zum Frühstücken?" Wieder nickte ich nur und fragte mich im selben Moment, warum bei den beiden der Beschützer-Instinkt ausgerechnet dann aussetzte, wenn ich ihn vermutlich gebraucht hätte. So schnell wie möglich lief ich in mein Zimmer und schickte Julian ins Bad, dann nutzte ich die paar Minuten, um mein Bett abzuziehen und neuzubeziehen und zu lüften. Zuletzt schaute ich nach, ob irgendwo ein Kondom lag, konnte aber keins finden. Mehr oder weniger erleichtert wartete ich auf Julian und brachte noch schnell meine alte Bettwäsche ins Bad, bevor ich mit dem blonden Mittelfeldspieler nach unten ging und wir uns an den Tisch setzten, den meine Brüder gedeckt hatten. Unsicher reichte ich Julian den Korb mit den Brötchen und er bedankte sich mit einem schüchternen Lächeln. Sven und Lars beobachteten uns die ganze Zeit. Urplötzlich brachen sie in Gelächter aus. Verwirrt musterten Julian und ich die beiden. "Was ist?" "Ihr habt beide keinen Schimmer von gestern mehr, oder?" Ich schüttelte leicht den Kopf. "Als wir das letzte Mal bei euch reingeschaut haben, habt ihr Arm in Arm im Bett gelegen und geschlafen. Und ihr seid ja heute morgen auch angezogen aufgewacht, oder?", fragte Lars grinsend. "Klar", antworteten Julian und ich wie aus einem Mund. Meine Brüder grinsten breit. "Dann ist ja alles gut und ihr müsst euch keine Sorgen machen, dass ihr irgendwas dummes getan habt." Ich beugte mich über den Tisch und gab sowohl Sven als auch Lars eine Kopfnuss. "Ihr seid doof. Ihr habt euch voll über uns lustig gemacht." Die beiden zuckten bloß grinsend mit den Schultern und ich verdrehte die Augen, bevor ich mich wieder meinem Brötchen widmete. Es gab ein einziges Problem, das mich davon abhielt, durch die Aufklärung meiner Brüder erleichtert zu sein: Julian und ich waren nicht mehr angezogen gewesen.

Laura musste es sich stark verkneifen in lautes Gelächter auszubrechen, während ich sie streng anschaute. Ich hatte ihr nicht erzählt was passiert war, damit sie sich auch noch über mich lustig machte, sondern damit sie mich beruhigte. Also schlug ich ihr leicht gegen den Arm und sie versuchte sofort ernst zu werden. Ihr Blick blieb jedoch ungläubig und belustigt zugleich. "Ich kann es nicht fassen. Ihr habt miteinander geschlafen und du kannst dich nicht daran erinnern." "Erstens, wissen wir beide nicht, ob wir miteinander geschlafen haben, und zweitens, bist du keine große Hilfe", stellte ich klar. Meine beste Freundin räusperte sich und nickte. "Also, wie willst du ab jetzt mit ihm umgehen?" Ich zuckte die Schultern. "Keine Ahnung. Wir hatten uns darauf geeinigt, dass er mich nach meinem Studium nochmal wegen einer Beziehung fragt, weil ich im Moment keine Zeit habe, aber mit so einer Situation haben wir natürlich beide nicht gerechnet. Vielleicht sollte ich einfach abwarten, wie er damit umgeht?" "Das kann aber auch nach hinten losgehen, wenn er darauf warten möchte, wie du weitermachst." Ich seufzte und rieb mir die Schläfen. "Das ist alles so ein bescheuertes Chaos, das keiner braucht." Laura kicherte kurz. "Das nennt sich Leben, Emily, und das haben andere Leute auch." Ich seufzte und nickte dann. "Also, ich warte ab, wie Julian sich verhält und versuche ab jetzt nicht mehr mit ihm allein zu sein. Und nie wieder Alkohol!" Meine beste Freundin begann zu lachen. "Das hältst du nicht durch!" Gespielt empört stemmte ich die Hände in die Hüften. "Wieso sollte ich es nicht schaffen?" Belehrend, als sei ich eine dumme Schülerin, schaute die Brünette mich an. "Demnächst beginnt die Klausurenphase. Entweder du feierst, weil es gut lief, oder du gibst dir die Kante, weil du verkackt hast." Frustiert stöhnte ich und legte mein Gesicht in meine Hände. Die Klausurenphase. An die hatte ich ja gar nicht mehr gedacht! Mir stand ein Desaster bevor, so viel war sicher! Ich hob die Hand, um der Kellnerin zu zeigen, dass ich bezahlen wollte. Sie kam sofort und ich lud Laura spontan ein, dann verließen wir das Café und ich fuhr meine beste Freundin noch zu sich nach Hause. Als ich schließlich in meinem eigenen Zuhause war, machte ich mir als erstes eine Tasse Tee und kuschelte mich dann mit Kissen, Decke und meinen Geschichtsunterlagen auf die Couch. Die Zeit verlor ich dabei völlig aus den Augen und schreckte zusammen, als jemand direkt vor meinem Gesicht schnipste. Ich zuckte zusammen und starrte hoch, wo meine Brüder mich grinsend musterten. "Na, ist Geschichte mal wieder mega spannend?" Ich nickte und konzentrierte mich wieder auf meinen Stoff, während ich mit halbem Ohr mitbekam, wie die Jungs über ihr Training sprachen. Irgendwann wandte Sven sich mir zu. "Kleine, wir bestellen bei Rolli. Für dich das übliche?" Ich schüttelte den Kopf. "Keinen Hunger. Außerdem geh' ich gleich sowieso hoch an meinen Laptop, weil ich hier an der einen Stelle noch was nachschauen muss." Die Zwillinge schauten mich irritiert an, weil ich mich normalerweise durch nichts vom Essen abhalten ließ, aber in diesem Fall musste es sein. Seufzend stand ich auf, brachte meine leere Tasse in die Küche, machte mir einen starken Kaffee und ging hoch in mein Zimmer, wo ich mich direkt weiter mit Geschichte beschäftigte. Nachdem ich mir schätzungsweise zum dritten Mal Kaffee nachgeholt hatte, wünschten Sven und Lars mir eine gute Nacht und verschwanden auf ihren Zimmern, während ich mich in meine Bettdecke kuschelte und wieder vor dem Schreibtisch Platz nahm. Es war fast fünf Uhr morgens, als ich das Licht ausmachte und mich ins Bett fallen ließ.

Plötzlich zwei Brüder?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt