"Du hast Recht. Ich bin krank und brauche Hilfe." Zwei Sätze, neun Wörter, siebenunddreißig Buchstaben, die mir schwerer gefallen waren, als alles andere in meinem bisherigen Leben. Und doch hatten sie sich als die besten meines Lebens herausgestellt. Seit zwei Wochen war ich jetzt in Therapie und machte erste Fortschritte. Es war hart, ich hatte meine Grenzen kennengelernt. Aber alle halfen mir. Sven und Lars hatten sich anfangs Vorwürfe gemacht, weil sie nichts bemerkt hatten, aber danach waren sie immer für mich da gewesen, hatten mich zu den Therapiesitzungen gefahren und regelmäßig irgendwas besonderes mit mir unternommen. Der Verein hatte mich auf unbestimmte Zeit freigestellt, bis die Psychologin mir das okay gab, wieder loszulegen. Natürlich trainierte ich weiterhin meine Kondition, dehnte mich regelmäßig und stattete der Physiotherapeutin des Teams Besuche ab, aber ich nahm eben nicht am Mannschaftstraining und den Spielen teil. Die Öffentlichkeit hatte man mit privaten Gründen vertröstet, aber ich hatte fest vor, noch vor der Winterpause zurückzukehren. Aber meine wichtigste Stütze war Julian. Es verging kein Tag, an dem er mich nicht besuchte und mich mit irgendeinem Geschenk erröten ließ. Egal ob Blumen, Schokolade oder ein neues Buch, er schaffte es, noch mehr Platz in meinem Herzen und meinen Gedanken einzunehmen, als er vorher sowieso schon gehabt hatte. Allein wenn ich an ihn dachte, begann ich zu lächeln. Und das war auch gut so, wie meine Psychologin betonte. Sie legte mir jedoch ebenfalls ans Herz, nichts zu überstürzen. Ich war noch nicht wieder richtig da, noch ein Stück weit labil. Ich musste erstmal mich selbst wiederfinden, bevor ich irgendetwas anderes machte. Und genau das tat ich. Ich hatte begonnen, Dinge wieder anzufangen, die mir vor dem Tod meiner Mutter und der Änderung meines gesamten Lebens Spaß gemacht hatten. So spielte ich beispielsweise wieder Klavier und zeichnete von Zeit zu Zeit, verbrachte viel Zeit mit Backen und blühte in meinem Job in der Suppenküche voll auf. Den hilfesuchenden Menschen etwas zu geben, erfüllte mein Herz mit purer Freude und ich war mir sicher, dass ich das auch in Zukunft machen wollte. Und aus diesem Grund beschäftige ich mich schon seit einigen Tagen mit dem Plan für eine eigene Stiftung. Wobei eigene hoffentlich auch die Zwillinge miteinbezog. Und genau diesen wollte ich das Projekt schließlich vorstellen. Dafür hatte ich die beiden vor mir auf dem Sofa platziert und zog dann ein karriertes Küchentuch von der Tafel, die ich aufgestellt hatte. Bender-Stiftung stand ganz oben, darunter folgten einige Skizzen und Pläne, die wohl nur ich entziffern konnte. "Was soll das sein?", fragte Sven irritiert, und ich grinste ihn an und begann zu erklären. Mein Kurzvortrag dauerte zwanzig Minuten, aber ich sah, dass es nur fünf brauchte, um die Zwillinge zu überzeugen, mich zu unterstützen. Ab da ging alles ganz schnell. Wir telefonierten mit den verschiedensten Leuten, machten gemeinsame Pläne und besprachen uns mit Freunden und Bekannten, nahmen Kontakt zu anderen Sportlern auf, die ebenfalls eigene Stiftungen besaßen. Das würde unser eigenes großes Ding werden. Karin und Robert waren unglaublich stolz auf uns und ich platzte jedes Mal fast vor Begeisterung, wenn ich mit irgendjemandem darüber sprach. Aber dann wurde meine Aufmerksamkeit für einen Moment abgelenkt, und zwar von meiner besten Freundin. Laura war immer für mich da gewesen in den letzten Wochen, aber irgendwann hatte ich bemerkt, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Und ich erfuhr es auf die wohl beschissenste Art und Weise. Sie war zu Besuch gewesen und machte mich direkt im Anschluss daran, Svens Zimmer zu putzen. Und da lag es. Quadratisch und unschuldig und ich begriff zunächst nicht, was es darstellte. Aber dann durchzuckte mich die Erkenntnis und ich keuchte erschrocken auf. Es war ein Ultraschallbild und zeigte etwas, das ich sofort zu erkennen glaubte. Laura war schwanger!
"Wann hattest vor mir die freudige Botschaft zu verkünden?" Ich ließ jegliche Begrüßungsfloskeln weg, sie waren unnötig. Stattdessen starrte ich meine beste Freundin wütend an. Enttäuscht drückte ich ihr das Ultraschallbild in die Hand und musterte sie auffordernd. Laura wirkte schuldbewusst und seufzte leise. "Bitte sei nicht sauer." "Ich finde ich hab jegliches Recht sauer zu sein! Du bist im vierten Monat schwanger und ich weiß es nicht. Und auf diesem Bild steht, dass du vor drei Wochen in der 14. Woche warst! Also weißt du es definitiv schon lang genug!" Meine Stimme überschlug sich fast, obwohl sich in mir drin das Gefühl breit machte, dass ich einfach nur verletzt war. Laura schaute mich flehend an. "Bitte Emily, es tut mir Leid. Ich wusste nur nicht, wie ich es dir sagen sollte, weil deine Fehlgeburt doch noch nicht lange her ist." Johanna. Das war es also, was mich diesen komischen Stich in der Brust verspüren ließ. Ich seufzte, meine Wut war wie verflogen. Stattdessen ging ich auf meine beste Freundin zu und nahm sie einfach nur in den Arm. "Ich freu mich für euch. Weiß Sven es schon?" "Ja, ich habs ihm sofort gesagt, als ich es rausgefunden habe. Vor einem Monat ungefähr." Ich musste schmunzeln. "Dir ist klar, dass ich Patentante werden möchte?" Laura begann zu lachen und nickte. "Sonnenklar. Du bist hiermit eingetragen. Und jetzt bin ich dafür, dass wir irgendwas machen. Mal wieder so unter Freundinnen." Ich überlegte kurz. "Filmeabend mit viel Eis?" Meine beste Freundin grinste und nickte. "Filmeabend mit viel Eis!"
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Plötzlich zwei Brüder?
FanfictionEmily fühlt sich wie in einem schlechten Film. Ihre Mutter ist gerade gestorben und hat ihr einen Brief hinterlassen, in dem die 20-Jährige erfährt, dass sie adoptiert und durch eine Affäre ihres Vaters entstanden ist. Entschlossen macht sie sich au...