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Mit Sven und Lars zu reden erwies sich zunächst als schlechte Entscheidung. Erst wollten sie Julian umbringen, dann fühlten sie sich schuldig, weil sie ihrer Meinung nach nicht gut genug auf mich aufgepasst hatten. Es brauchte ein bisschen Zeit, bis die zwei mir endlich glaubten, dass sie absolut keine Schuld traf. Und als sie das endlich begriffen und angenommen hatten, wandelte die Entscheidung sich zu einer guten um. Denn wenn ich jetzt mal eine Umarmung brauchte oder mich einfach mal ausheulen musste, konnte ich zu einem meiner Brüder gehen und musste mir keine Ausrede einfallen lassen. So wuchsen wir drei immer enger zusammen, bis ich eines Morgens in der Küche mit einer hübschen Blondine zusammenstieß. In letzter Sekunde konnte ich mir einen Schrei verkneifen, fasste mir jedoch automatisch ans Herz vor Schreck. "Ähm hi. Wo steht denn bei euch der Kaffee?" Ungläubig starrte ich sie an. "Wie wäre es erstmal mit einer Vorstellung?" "Ach so, ich bin Nele, hey. Und, wo steht jetzt der Kaffee?" Ich war immer noch nicht zufrieden. "Was machst du in meiner Wohnung?" "Wieso deine Wohnung? Ich dachte die gehört Lars." Jetzt wusste ich zumindest schonmal, zu welchem meiner Brüder sie gehörte. Angesprochener kam in diesem Moment die Treppe runter und blinzelte mehrmals, bevor er mich fast schon etwas ängstlich anschaute. "Morgen?" Ich setzte ein freundliches Lächeln auf, das er natürlich sofort als getarntes böses erkannte. "Guten Morgen Schatz. Du hast mir gar nicht gesagt, dass wir in wilder Ehe leben und ich unser Bett in Zukunft mit Nele teilen muss." Jetzt schaute die Blondine mich wie erstarrt an, ihr schien das ganze unglaublich peinlich zu sein. "Oh mein Gott, ich wusste nicht, dass er verheiratet-" In diesem Moment unterbrach ich sie, indem ich zu lachen begann. "Er ist mein Bruder, keine Sorge. Aber er hätte dich schonmal vorstellen können, bevor du uns den Kaffee leer machst. Der steht übrigens hier." Ich drehte mich um, öffnete eine Schublade und holte die Dose raus, um sie Nele zu reichen. Diese schaute mich erleichtert und gleichzeitig noch ein wenig ängstlich an, was mich grinsen ließ. Dann schaute ich meinen Bruder an, der immer noch wie bestellt und nicht abgeholt am Treppenabsatz stand. "Na los, begrüß' deine Liebste mit einem Kuss, ich hau' auch ab. Aber treibt's nicht auf der Arbeitsfläche, sonst kann ich da nie wieder Gemüse drauf schneiden oder mir ein Brot schmieren." Mit einem Zwinkern drängte ich mich an Lars vorbei nach oben und entdeckte oben Sven, der gerade aus seinem Zimmer kam. Sofort hielt ich meinen Zeigefinger vor die Lippen. "Psst. Lars hat Damenbesuch. Sie heißt Nele." Mit einem Schlag war Sven wach und begann zu grinsen. "Mehr Details." "Sie hat sich erstmal nicht vorgestellt und war auf der krankhaften Suche nach Kaffee. Viellleicht ist sie süchtig, sie wirkte schon sehr verzweifelt. Na ja, ansonsten blond und tatsächlich echt hübsch. Und sie trägt nur ein T-Shirt von Lars und hoffentlich einen Slip drunter." Sven nickte anerkennend. "Also ich hab die beiden nicht gehört, du?" "Nö. Also entweder ging's nicht so ab oder sie hatten gar nicht." "Tja, werden wir das je erfahren?" Ich zuckte die Schultern. "Keine Ahnung, aber ich bin mal gespannt wie Lars seinen Regelverstoß erklären will." Der Zwilling neben mir schaute mich irritiert an. "Regelverstoß?" "Klar. Er hat Besuch, der uns nicht vorgestellt wurde und über Nacht geblieben ist. Stell dir mal vor du hättest unter der Dusche gestanden und ich auf dem Klo gesessen und sie wäre rein gekommen." "Wir schließen immer ab." "Nein, tun wir nicht." Bestimmt schaute ich Sven an, der langsam verstand und nickte. "Du bist echt mies." Ich zuckte die Schultern. "Ich will nur klare Regeln was solche Dinge betrifft." Ich warf einen letzten Blick nach unten in die Richtung der beiden Verliebten, dann schob ich mich an Sven vorbei und ging zurück in mein Zimmer. Dort ließ ich mich mit einem leisen Seufzen auf mein Bett fallen und starrte die Decke an. Heute war wieder so ein Tag, wo ich hinschmeißen wollte und am liebsten den ganzen Tag heulend hier drin verbracht hätte. Demotiviert griff ich nach meinem Handy, das auf dem Nachttisch lag, und öffnete WhatsApp. Irgendwie war mir gerade nach Lenos Anwesenheit. Sein Chat war einer der obersten und ich fragte, ob wir uns treffen konnten. Da der Torwart zu den Menschen zählte, die oft online waren, musste ich gar nicht lange auf die Antwort warten. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Ein kleines Training zu zweit und anschließend Kakao und Kekse? Aber sowas von! Grinsend tippte ich eine Uhrzeit und stand dann auf, um meine Sachen zu packen. Als alles fertig war, öffnete ich zum ersten Mal wieder die Tür und lauschte. Von unten waren keine Stimmen zu hören und ich lief erleichtert die Treppe nach unten. Auf dem Sofa lag ein schlafender Sven, was mich kurz zum Lachen brachte, dann schnappte ich mir noch eine Flasche Wasser und verließ die Wohnung. Beim Trainingsgelände angekommen, wartete Bernd schon auf mich. Wir zogen uns schnell um und wechselten uns ein wenig im Tor ab. Ich hatte nichts verlernt, aber es machte sich doch bemerkbar, dass ich mittlerweile eher im Angriff spielte. Als wir eineinhalb Stunden später erschöpft aufhörten, begann es schon zu dämmern. Ausgepowert, aber zufrieden, ging ich duschen. Anschließend fuhren wir zu Bernd und er machte uns heiße Schokolade. Dazu gab es Oreo-Kekse, für die ich glatt morden würde. Lächelnd wickelte ich eine kuschelige Decke um meine Beine, dann brachte Bernd mir Fifa bei. Ich erwies mich als nicht sonderlich talentiert, was jedoch umso mehr Lacher zur Folge hatte. Als es schließlich spät geworden war und ich zum wiederholten Male gähnen musste, schaltete Bernd grinsend den Fernseher aus. "Du solltest besser nach Hause gehen, sonst frisst du mir mit dem nächsten Gähnen meine Nase weg." Ich boxte ihn schmuznelnd gegen die Schulte rund nickte dann. Seufzend stand ich auf und zog mir Jacke und Schuhe an, dann brachte Bernd mich noch zum Auto. Ich fuhr nach Hause, wobei die Müdigkeit immer mehr Besitz von mir ergriff. Mit halbgeschlossenen Augen bog ich in unsere Straße ein, wo ich im letzten Moment die Person vor meiner Motorhaube entdeckte. Erschrocken und mit einem Schlag hellwach bremste ich. Von dem heftigen Ruck flog mein Körper nach vorne und ich knallte mit dem Kopf auf den Lenker. Aber für das Dröhnen im Schädel und das Pochen in der Hand interessierte ich mich gar nicht. Sobald der erste Schock halbwegs abgeklungen war, stieß ich die Autotür auf und rannte raus. Vor dem Wagen hockte eine Person auf dem Boden, die ich erst im zweiten Moment erkannte. Mein Blick verdunkelte sich. "Was machst du hier?"

Ein Kapitel mit viel Inhalt. Was haltet ihr von Emilys kleiner Verarsche, um Nele Angst zu machen? Und was glaubt ihr, wen sie gerade angefahren hat?

Plötzlich zwei Brüder?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt