"Ist unsere kleine Schwester etwa nervös?", fragte Lars gespielt spöttisch und zwickte mir leicht in die Wange. Ich schüttelte nur grinsend den Kopf. Nervös war ich nicht, höchstens ein wenig angespannt. Immerhin würde ich heute die Mitspieler und Kumpels meiner Brüder kennenlernen. Eigentlich war das gar nicht schlimm, aber ich wusste halt nicht, wie sie darauf reagieren würden, dass ich die Halbschwester der Jungs war. Außerdem hatte ich Angst, dass die Äffäre meiner leiblichen Mutter und meines Vaters zum Thema werden würde, und darauf hatte ich wirklich überhaupt keine Lust. Seufzend musterte ich mich ein letzten Mal im Spiegel. Das Wetter konnte sich dieses Jahr nicht wirklich entschieden, aber heute war mal wieder ein Tag, an dem man merkte, dass es Spätsommer und nicht Winter war. Deshalb trug ich eine dunkelblaue Hotpants, ein schwarzes Top und darüber ein dünnes Holzfällerhemd mit rot-schwarz-weißem Karomuster, dass ich einfach offen ließ. Dazu rote Chucks und eine kleine, braune Tasche. Meine Naturlocken hatte ich einfach mit den Fingern gekämmt, geschminkt war ich mit Wimperntusche und einem leichten Lippenstift. "Fertig?", fragte Sven schmunzelnd und ich nickte. Wir verließen die Wohnung und stiegen vor dem Haus alle in Lars' Auto ein. Der Weg zum Trainingsgelände war nicht weit, eigentlich hätte man die Strecke auch locker mit dem Fahrrad zurücklegen können. Dabei fiel mir ein, dass mein Fahrrad ja gestern auch hergebracht worden war. Mich wieder auf die Gegenwart konzentrierend, schnallte ich mich ab und schaute meine Brüder grinsend an. "Also, der Plan wird wie abgesprochen durchgezogen?" "Jap." "Gut." Ich hakte mich bei beiden ein und wir betraten den Trainingsplatz. Es waren schon einige Spieler da, aber ich vermutete, dass es noch nicht alle waren. Wie automatisch fielen alle Blicke auf die Jungs und mich und ich musste mir mein Grinsen stark verkneifen. "Guten Morgen!", begrüßte Lars die anderen, die uns immer noch wie Kühe anstarrten. Also führte ich das Stück fort. "Hey Jungs." Auch Sven sagte Hi, dann fand endlich ein Blonder seine Stimme wieder. In den Händen hielt er Handschuhe, weshalb ich davon ausging, dass er einer der Torhüter war. "Möchtet ihr uns nicht eure Begleitung vorstellen?" Meine Brüder klatschten sich gleichzeitig gegen die Stirn, als hätten sie es vergessen. "Ach stimmt, sorry. Das ist Emily." Ich lächelte in die Runde. Ein anderer Spieler hakte nach. "Und Emily ist-?" "Unsere Freundin plus. Da wir Zwillinge sind, teilen wir alles, auch die Frauen." Der Anblick der Jungs vor mir war göttlich und ich konnte einfach nicht mehr, als einem Blonden in meinem Alter sogar die Kinnlade nach unten klappte. Glucksend ließ ich meine Brüder los, die jetzt auch lachten. Es dauerte eine Weile bis wir uns wieder beruhigt hatten, dann stellte Sven klar: "Emily ist unsere Halbschwester." "What? Und wieso erfahren wir das erst jetzt?" Dieses Mal antwortete Lars. "Weil wir sie selbst erst seit ein paar Wochen kennen. Ist eine komplizierte Geschichte, aber wichtig ist jetzt nur, dass sie seit gestern bei uns wohnt und sie die beste Schwester der Welt ist." "Awwww, das hast du schön gesagt, Bruderherz." Gespielt gerührt drückte ich Lars einen Kuss auf die Wange, woraufhin Sven sich sofort beschwerte. "Hey, ich will auch einen!" Schmunzelnd drehte ich mich um und gab auch ihm einen Kuss, dann widmete ich mich wieder der Mannschaft. "Joa, wie gesagt, ich bin Emily, bin 20 Jahre alt und mache den Jungs ab jetzt das Leben schwer", stellte ich mich nochmal kurz vor. Der Reihe nach nannten auch meine Gegenüber mir ihre Namen, aber ich konnte mir nur drei oder vier merken, eine kleine Schwäche von mir, die sich jedoch nur auf die Gegenwart bezog. Ansonsten konnte man mich nach allen möglichen historischen Personen fragen und ich nannte ihre Namen wie aus der Pistole geschossen. "Tja Bernd, Emily ist eine starke Konkurrentin für dich, sie hat nämlich mal Fußball gespielt und ist immer noch ein sehr passabler Torwart", sagte Lars grinsend. Bernd, den ich ja vorhin schon als Torwart erkannt hatte, zog eine Augenbraue hoch. "Ach ja? Wollen wir das mal testen?" "Gerne. Wie denn?", erwiderte ich. "Wer mehr Elfmeter hält." "Nichts lieber als das. Aber dafür brauche ich andere Klamotten und mit Sicherheit die Erlaubnis eures Trainers." Genau dieser betrat jetzt das Feld und ließ sich mich erstmal vorstellen, dann stimmte er zu, dass ich die Challenge gegen Bernd machen durfte. Einer aus dem Trainerteam brachte mich rein in die Umkleide und gab mir ein Trikot. Die Hose ging gerade noch, war aber gefährlich nah am Rutschen, das T-Shirt war zu lang, weshalb ich es hochschob und einen Knoten rein machte. Jetzt endete es kurz über meinem Bauchnabel, aber ich war mit meiner Figur sehr zufrieden, weshalb ich es einfach so ließ. Ein halbwegs passendes Paar Fußballschuhe bekam ich auch noch, dann wusch ich mir schnell die Wimperntusche ab, damit ich später nicht aussah wie ein Panda, und schon war ich fertig und auf dem Weg aufs Feld. Dort zog ich natürlich sofort alle Blicke auf mich und ein paar von den Jungs pfiffen wegen dem bisschen nackte Haut. Sven und Lars warfen ihren Teamkollegen sofort warnende Blicke zu, was mich schmunzeln ließ. Die beiden hatten einen wirklich ausgeprägten Großer-Bruder-Instinkt, aber das war eigentlich ziemlich süß. Ich lief mich ein paar Runden warm und dehnte mich, dann machte ich kurz bei der Übung mit, die die Jungs gerade absolvierten. Und schon wurde es ernst. Bernd musste zuerst ins Tor und er machte seine Sache wirklich nicht schlecht. Ich konnte verstehen, warum er Profifußballer war. Dann war ich dran. Erst war ich nervös, aber dann siegte die Konzentration. Den ersten Ball schoss Benjamin, jedenfalls glaubte ich, dass er so hieß. Ich hielt und ein stolzes Grinsen breitete sich auf meinen Lippen aus. So ging das eine Weile weiter und ich lief wirklich zur Höchstform auf. Am Ende hatte ich einen weniger gehalten als Bernd, aber ich gönnte es ihm von Herzen, immerhin ging es um seine Ehre. Alle klatschten und meine Brüder schlugen mit mir ein. Auch mit Bernd klatschte ich ab. "Alle Achtung", sagte er, "das war richtig gut. Wieso spielst du nicht mehr?" "Hat zeitlich nicht mehr gepasst mit Schule und zu vielen anderen Hobbys." "Aber hättest du nicht Lust wieder anzufangen?" Ich zuckte die Schultern. "Eigentlich ja, aber mittlerweile studiere ich und das ist noch aufwendiger als Schule." "Was studierst du denn?", erkundigte sich- äh- Jonathan. "Geschichte." "Und das ist spannend?", erkundigte sich ein anderer mit gerunzelter Stirn. Ich nickte sofort. "Ich hatte schon immer ein Faible für die deutsche Sprache und Geschichte. Also hab ich beschlossen es zu studieren." "Na dann." In diesem Moment klatschte der Trainer in die Hände. "So Jungs, Training geht weiter." Dann schaute er mich an. "Willst du noch bis zum Ende mitmachen? Beziehungsweise so lange du durchhältst?" Grinsend nickte ich. Meine Ausdauer war verdammt gut, weil ich immer noch regelmäßig joggen ging. Doch nach eineinhalb Stunden fiel ich völlig erschöpft ins Gras und meine Brüder beugten sich lachend über mich. Beide hielten mir je eine Hand hin und ich ließ mich wieder hochziehen. "Respekt Jungs, das ist der Wahnsinn", keuchte ich, während wir in die Umkleide gingen. Dort klaute ich mir ein Handtuch von Sven und war als Erste unter der Dusche. "Ey!", hörte ich meinen Bruder noch rufen und dei Jungs lachten ihn alle aus. Ich war ziemlich schnell fertig, zog mir meinen Slip und den trägerlosen BH an und ging zurück. Als ich reinkam, starrten die Jungs mich alle an, irgendjemand pfiff und meine Brüder machten den Eindruck, als ob sie sofort demjenigen an die Kehle gehen würden. "Bleibt cool Brüderchen." Grinsend öffnete ich den Knoten des Handtuchs, wissend, dass alle davon ausgingen, dass ich nichts drunter hatte. Das wurde jetzt auch Sven bewusst, denn er wollte zu mir laufen und das Handtuch festhalten. Aber es war zu spät. Schmunzelnd knüllte ich das Handtuch zusammen und warf es Sven zu. Er und Lars wirkten mega erleichtert, als sie merkten, dass ich schon etwas drunter hatte. Kopfschüttelnd lief ich zu meinem Platz und schlüpfte in meine Hose. "Was denkt ihr denn von mir?", fragte ich Lars gespielt empört und und er zuckte nur die Schultern und schüttelte den Kopf. "Mach' das nie wieder. Hier gibt's genug Jungs, die ihren Status und ihr Aussehen auch gerne mal ausnutzen, um jemanden einfach für eine Nacht zu kriegen." Jetzt war ich wirklich leicht beleidigt und zischte zurück: "Ich bin keine Schlampe und lass' mich auf alles und jeden ein. Das müsste euch eigentlich klar sein. Zumal die Sache mit Jan gerade mal einen Monat her ist!" Mit zusammengebissenen Zähnen zog ich mich fertig an und schulterte meine Tasche. "Ich warte draußen", informierte ich Lars und Sven, die mittlerweile beide vom Duschen zurück waren. Mit schnellen Schritten verließ ich die Umkleide und blieb einige Meter von der Tür entfernt stehen. Als meine Brüder endlich kamen, fuhren wir direkt nach Hause und dort verkroch sich jeder auf sein Zimmer. Was die Jungs machten, wusste ich nicht, ich für meinen Teil stürzte mich in Sachen für die Uni. Irgendwann klopfte es an der Tür und Sven kam rein. "Hey Kleine, es gibt Essen. Kommst du?" Ich nickte, tippte meine letzten Worte und speicherte das Dokument. Dann klappte ich den Laptop zu und folgte meinem Bruder nach unten. Er schob mir extra den Stuhl zurecht und als Lars dann mit einer großen Schale reinkam und sie auf dem Tisch abstellte, musste ich grinsen. "Lasagne, mein Lieblingsessen. Was sagt mir das?" "Dass es uns Leid tut, wegen heute Mittag in der Kabine." "Das war wohl der Große-Bruder-Instinkt. Es tut uns wirklich Leid." Ich seufzte. "Mir tut's auch Leid Jungs. Das war etwas zu dick aufgetragen und obwohl es mir in diesem Moment lustig vorkam, war es das nicht. Sorry." "Na dann können wir ja jetzt essen. Teller her!", sagte Lars fröhlich und schaufelte mir Essen auf. Und das schmeckte wirklich mega!
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Plötzlich zwei Brüder?
FanficEmily fühlt sich wie in einem schlechten Film. Ihre Mutter ist gerade gestorben und hat ihr einen Brief hinterlassen, in dem die 20-Jährige erfährt, dass sie adoptiert und durch eine Affäre ihres Vaters entstanden ist. Entschlossen macht sie sich au...