12. Nachts

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Toni betrachtete den kleineren Jungen neben sich, der etwas unsicher, aber scheinbar genauso neugierig seine Umgebung beobachtete. Es hatte den Alpha glücklich gemacht, zu beobachten, wie Danny aufgeblüht war, als sie heute Abend, kurz nachdem es dunkel geworden war, das Haus verlassen hatten. Eigentlich war es widersprüchlich, dass Danny ausgerechnet jetzt, nachts, wo es eigentlich für Omegas nicht gerade sicher war, draußen zu sein, viel entspannter und irgendwie auch glücklich gewirkt hatte, wohingegen er sich am Nachmittag des Vortags draußen noch unsicher und fast schon ängstlich verhalten hatte.

»Das ist es.«

Toni deutete auf ein großes Gebäude, das nur noch hunderte Meter vor ihnen stand. Es war ein alter, leerstehender Plattenbau in einem etwas heruntergekommenerem Teil der Stadt. Das Gelände war weitläufig mit hohem Drahtzaun umgeben, an dessen eine Seite ironischerweise eine ordentlich gepflegte Kleingartensiedlung grenzte. Dieser starke Kontrast der spießigen Ordnung zu dem wilden, ungepflegten und heruntergekommenen Chaos wirkte skurril und fast schon irreal.

»Das hier ist eine Art ›Hall of Fame‹. Das Gebäude steht seit Jahren leer und die verschiedensten Sprayer der Stadt treffen sich hier regelmäßig. Es gibt hier manchmal Battles, teilweise wird ein Thema vorgegeben, zu dem gesprayt werden soll und das beste Piece gewinnt, aber auch so findet sich hier eigentlich immer für jeden eine freie Stelle zum sprayen. Gerade am Wochenende sind hier Nachts die meisten Street-Art-Künstler der Stadt anzutreffen. Die meisten sind tatsächlich Alphas, manchmal Betas. Omegas sind selten vertreten, gibt es aber auch. Aber die meisten Alphas haben ihre Omegas dabei, wenn sie hier sind, du musst dir also keine Gedanken machen, du bist nicht der einzige Omega hier.«

Danny nickte zögerlich, schien darauf zu warten, dass Toni irgendwie fortfuhr. Dieser hob vorsichtig eine Hand und legte sie an Dannys Halsband. Er öffnete die Schnalle und nahm es ihm vom Hals, steckte es in seine Tasche.

»Du brauchst hier kein Halsband. In der Hall of Fame bist du auch als Omega sicher, egal, ob gebunden, oder nicht. Für einen gebundenen Omega ist es meistens ja etwas sehr positives, zeigen zu dürfen, dass er jemandem gehört. Zumindest bei den Alphas, die ich hier aufhalten, gibt es eigentlich keinen, dessen Omega nicht gerne bei ihm wäre und ihm gehören würde. Von daher nimmt eigentlich trotzdem kein gebundener Omega hier drin sein Halsband ab. Wenn du in Zukunft öfter mit hier her kommen solltest, wirst auch du dein Halsband dranlassen dürfen. Aber noch bist du nicht an mich gebunden, du trägst das Halsband nur, um auf der Straße sicherer zu sein, nicht, weil es dich als gebunden kennzeichnet. Hier drin gibt es keine Geheimnisse. Wir zeigen, dass du nicht an mich gebunden bist und ich verschweige auch nicht, wie ich dich zu mir geholt habe. Ist das okay für dich?«

Unsicher nickte Danny, seine Hand strich abwesend über seinen nackten Hals.

»Dir wird es gefallen. Komm.«

Toni hielt Danny die Hand entgegen, es war ein Angebot, das der Kleinere sofort annahm. Der Alpha führte ihn ein paar Meter weiter, wo in dem Zaun ein Tor lag, dahinter konnte er eine Gestalt ausmachen. Toni pfiff einmal leise und der Schatten bewegte sich.

»Wer seid ihr?«

»Baskis.«

»Toni! Du warst letzte Woche gar nicht da. Ich hab dein Piece beim Zoo gesehen. Stark. War letzte Woche groß im Gespräch hier.«

Toni lächelte, schlug die ihm dargebotene Hand ein.

»Wen hast du mitgebracht?«

Die Blicke beider Alpha wanderten zu Danny, der sich für einen kurzen Moment gar nicht wohl fühlte, bis Toni seine Hand auf seinen Rücken legte und dort beruhigend über den Stoff seines Shirts strich.

»Danny. Er ist ein Omega. Er begleitet mich heute.«

Sein Gegenüber betrachtete den Kleineren für ein paar Sekunden in der Dunkelheit, seine Umrisse und was er sonst noch von ihm erahnen konnte.

»Ich schätze Mal, du kannst ihm vertrauen.«

Toni zögerte keinen Moment.

»Ja.«

»Gut. Freut mich, Danny.«

Der Omega schien irritiert, fast schon verwirrt zu sein. Toni strich ihm wie beiläufig über den Arm, versuchte, ihm so Sicherheit zu geben. Der Alpha ihm Gegenüber schien es zu merken, denn er lächelte verständnisvoll.

»Keine Angst. Wie gesagt, du bist hier sicher, versprochen. Du bist zwar als ungebundener Omega hier, aber bei uns ist kein Omega mehr oder weniger wert als der Andere, egal, ob gebunden oder ungebunden, ob er selbst Streetart-Künstler ist oder nur sein Alpha. Hier wird eigentlich größtenteils eine Meinung vertreten. Wenn ein Omega sich den Alphas unterordnet, wird er dafür mit Respekt behandelt. Willkürliche Übergriffe wie auf den Straßen draußen gibt es hier nicht. Und wenn ein Alpha eine andere Ansicht vertritt und seinen Omega anders behandelt, dann ist das seine Entscheidung. Die anderen Omegas behandelt er trotzdem gut und genauso wird sein Omega von allen anderen mit Respekt behandelt, so wie jeder andere Alpha auch. Genauso haben wir auch einen Fall, bei dem die beiden, Alpha und Omega, eigentlich in der Beziehung gleichgestellt sind. Und trotzdem ordnet sich der Omega den anderen Alphas hier freiwillig unter, bloß seinem Freund gegenüber nicht. Also hab bitte keine Angst, hier schlecht behandelt zu werden. So lange du dich dementsprechend benimmst, wird dir auch Respekt entgegengebracht.«

Danny blinzelte, schien über all das nachzudenken. Dann nickte er langsam.

»Das werde ich. Danke.«

Toni lächelte ermutigend und spürte, wie Danny zögerlich seine Hand nahm.

»Darf ich? Auch wenn ich nicht an dich gebunden bin?«

Eine ungewohnte Wärme durchströmte den Alpha. Als Antwort legte er bloß seine Lippen sanft auf Dannys Haare, die nach ihm und seinem Shampoo rochen, und küsste ihm den Scheitel. Der andere Alpha beobachtete sie dabei, fuhr dann fort, als er sah, dass Toni seinen Blick erwiderte.

»Es sind schon einige da heute. Metheus ist auch schon gekommen.«

»Metheus ist da?«

Der Alpha lachte über die freudige Überraschung in Tonis Stimme.

»Dachte ich mir, dass du dich darüber freust. Ja, er ist da.«

»Oha. Dann schauen wir mal rein. Bis später.«

Der Alpha lächelte, hob eine Hand zum Abschied und lehnte sich wieder in den Schatten der Nacht gegen den Zaun neben dem Tor, um seine Wachschicht weiter zu halten. Toni währenddessen fühte Danny an der Hand in Richtung des Plattenbaus, von dem nun Stimmen zu hören waren und aus dem schwaches Licht nach Außen drang.

Toni lächelte.

Dieser Ort hatte ihm schon nach dieser kurzen Zeit, in der er nicht hier her gekonnt hatte, so sehr gefehlt und ihn nun Danny zeigen zu können machte ihn unglaublich glücklich.

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The nights which count ~ boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt