21. Frühstück

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Es war noch relativ früh am Morgen, als Danny von einer sanften Berührung an seiner Schulter geweckt wurde. Es war Toni, der ihm fast schon zärtlich über die nackte Haut strich, die an dieser Stelle von dem T-Shirt freigelegt wurde und wider Erwarten war es ihm nicht einmal unangenehm. Toni lauerte auf jede noch so kleine Reaktion des Omegas. Hätte er die Berührungen sichtlich nicht gewollt, hätte er sofort aufgehört, Danny anzufassen. Der aber blinzelte nur verschlafen, lächelte müde und drückte sich seinen Berührungen sogar noch ein winziges Bisschen entgegen, anstatt sie zu scheuen.

»Du kannst gleich weiter schlafen, Süßer. Ich muss bald los, in die Arbeit. Wenn du nachher etwas essen willst, im Kühlschrank ist noch Brot, ich bin noch nicht zum Einkaufen gekommen. Ansonsten lasse ich dir auf der Kommode im Wohnzimmer ein bisschen Geld da. Solltest du etwas raus gehen, sag mir bitte davor bescheid und meld dich, wenn du wieder da bist.«

Nun setzte Danny sich doch ein Stückchen im Bett auf. Im knappen Dämmerlicht, das durch die Rolläden ins Zimmer fiel, konnte er Tonis Figur nur undeutlich erkennen, spürte dafür aber umso intensiver seine Nähe. Die Matratze, die sich leicht neben ihm, wo Toni saß, senkte, die leisen Atmenzüge, die die Stille durchbrachen und die Wärme seiner Hand, wo er ihn berührte. Danny gähnte.

»Wann kommst du wieder heute Abend?«

»Wahrscheinlich gegen halb sieben oder so. Wenn du nichts mit dir anzufangen weißt, kannst du dir mal die Schulbücher durchlesen. Es sind nur noch ungefähr drei Monate, bis das neue Schuljahr beginnt, bis dahin müssen wir die Bücher so durcharbeiten, dass du wenigstens keine zwei Jahre wiederholen musst. Das ist der Stoff der vorvorletzten Stufe. Das hattest du ja fast alles letztes Jahr schon, bis kurz vor Ende. Das müssen wir nur nochmal durchgehen und den Rest noch erarbeiten, damit du nach den Ferien in die vorletzte Stufe kannst. Dann hast du nur ein Jahr verloren.«

Danny nickte. Er war nie ein sonderlich fleißiger Lerner gewesen, aber für heute nahm er sich fest vor, trotzdem etwas für die Schule zu tun. Zumal seine Alternative eh nur war, tatenlos herumzusitzen und sich zu langweilen.

»Willst du jetzt frühstücken oder später? Wenn du magst, kann ich dir noch einen Tee kochen, bevor ich los muss.«

Danny überlegte kurz, gähnte noch einmal und richtete sich ein Stück mehr auf.

»Jetzt. Ich geh nur kurz ins Bad. Wann musst du in die Arbeit?«

»Ich wäre jetzt gefahren, weil du eh noch geschlafen hast. Aber ich hab auf jeden Fall noch eine halbe Stunde oder so Zeit. Kommst du in die Küche, wenn du fertig bist?«

Der Kleinere nickte, drehte sich ein Stück zur Seite und schob seine Füße aus dem Bett, vom behüteten, kuscheligen Warm der Decke, ins dunkle Zimmer, wo er sofort eine Gänsehaut bekam.

Als er wenige Minuten später in die Küche kam hatte Toni schon Wasser für einen Tee aufgesetzt, auf dem Tisch stand eine kleine Auswahl an Belägen und Aufstrich für das Brot, sowie Müsli, Milch und Joghurt.

Wie in Trance ließ Danny sich auf einen der Stühle sinken und starrte eine Zeit lang bloß hypnotisiert auf die Butter, während Tonis Blick nicht von ihm lösen konnte und ihn liebevoll musterte. Irgendwann lachte der Alpha leise auf. Die Müdigkeit des Kleineren war einfach nur süß und am liebsten hätte er ihn den ganzen Tag nur beobachtet. Zumal seine Blicke – vielmehr sein Starren – Danny nicht einmal etwas auszumachen schienen. Er stand auf, um den Tee aufzugießen und schnappte sich auf dem Rückweg einen Apfel, den er auf seinem Teller halbierte.

»Danny? Wenn es okay ist, würde ich mir gleich gerne deine Arme anschauen. Nur um die Narben einfach noch einmal gesehen zu haben, um sicher zu gehen, dass alles gut verheilt, sich keine Wunde entzündet hat.«

Danny stockte kurz, nickte dann aber wie in Zeitlupe und begann, unsicher sein Müsli umzurühren.

»Denkst du, dass ich es wieder getan habe?«

Irritiert hob Toni eine Augenbraue, schüttelte dann aber vehement den Kopf.

»Nein. Du hast versprochen, es nicht mehr zu tun, als glaube ich dir auch, dass du dich seitdem nicht mehr verletzt hast. Ich vertraue dir und ich vertraue genauso darauf, dass du es mir erzählen würdest, hättest du dir doch wieder weh getan.«

Danny nickte, hob, wie um etwas zu beweisen, seine Arme hoch. Sonderlich aussagekräftig war diese Geste jedoch nicht, zumal seine Arme im Moment noch von Pulliärmeln und den Schienen verdeckt wurden. Toni lächelte bloß, murmelte ein »gleich dann« und schob sich eine Apfelschnitze in den Mund.

Als er Danny wenig später die Schienen abnahm, um dessen Arme vorsichtig zu inspizieren, konnte er zu seiner Freude wirklich feststellen, dass keine neuen Schnitte dazu gekommen waren und die alten, wie es schien, alle normal verheilten. Sogar die, die den ganzen Tag von den Bandagen verdeckt wurden und kaum an die Luft kamen, sahen gut aus, heilten zwar etwas langsamer, als der Rest, hatten sich aber nicht entzündet. Zufrieden lächelte der Alpha.

»Sehr schön. Vielleicht kannst du versuchen, ein paar Stunden am Tag die Schienen auszulassen? Nur, wenn du weißt, dass du die Handgelenke auch so still halten kannst. Wenn du liest oder so. Dann würden die Schnitte darunter auf jeden Fall schneller heilen. Aber ansonsten sieht das doch alles schon super aus.«

Danny nickte und obwohl es etwas so banales war, machte ihn das Lob seines Alphas ein wenig stolz.

*

Die nächsten Stunden, nachdem Toni in die Arbeit gefahren war, verbrachte Danny wirklich damit, zu lernen. Es fiel ihm überraschend leicht, sich an das zu erinnern, was er vor einem Jahr gelernt hatte und bei vielen der Einträge kamen Erinnerungen auf, dass sie das in der Schule besprochen hatten. Dementsprechend zufrieden mit sich selbst war er natürlich, als er am frühen Vormittag den Stift zuseite legte. Möglichst vorsichtig legte er die rechte Schiene, die er gemäß Tonis Rat abgenommen hatte, weil er die Hand beim Schreiben nicht brauchte, wieder an und ging wie von selbst in die Küche. Dort blieb er schließlich am Kühlschrank hängen, wo außer Belag für Brot tatsächlich nicht allzu viel zu finden war.

Also würde er wirklich einkaufen gehen. Er schnappte sich das versprochene Geld aus dem Wohnzimmer, zog sich anstatt seiner Jogginghose eine Jeans über – den Pulli, den er von Toni bekommen hatte, behielt er trotzdem an – und schrieb eine kurze Nachricht an Toni, dass er einkaufen gehen würde. Im Spiegel überprüfte er noch einmal sein Halsband. Es war eng angelegt, aber nich so, dass es ihm die Luft abschnüren würde. Beim Atmen spürte er es nur ein kleines bisschen, wenn es gegen seinen Hals drückte. Perfekt. Das schwarze Symbol, der Kreis, der von einem Pfeil und einer einfachen Linie durchkreuzt wurde, stach auf den ersten Blick hervor, wirkte aber nicht wie ein Fremdkörper, vielmehr wie eine Zierdekoration, die eigentlich schon kaum wegzudenken war. Danny drehte das Halsband ein Stück, sodass das Zeichen seitlich an seinem Hals lag.

Vom Schlüsselbrett schnappte er sich einen Wohnungsschlüssel und probierte noch einmal, ob der auch wirklich passte, bevor er die Tür hinter sich ins Schloss zog.

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The nights which count ~ boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt