Kapitel 5 Tory

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Foto: Tess McGuier

Als mein Wecker am nächsten Morgen klingelte fühlte ich mich wie gerädert. Die ganze Nacht hatte ich irgendwie nicht richtig schlafen können, hatte mich nur von der einen zur anderen Seite gewälzt. Müde schwang ich meine Beine über die Bettkante und hätte sie fast wieder zurück gezogen, als sie den kalten Holzboden berührten. Ich ließ mein Blick gedankenverloren über mein Zimmer schweifen und versuchte aufzuwachen, als ein Blinken meine Aufmerksamkeit erregte. Ich klappte meinen Laptop auf und bemerkte, dass der Bildschirm noch immer an war. Zwei Nachrichten erhellten meinen Bildschirm, die eine noch von gestern Abend, die andere wurde erst vor zehn Minuten abgeschickt. Max.

Tory alles in Ordnung? Bist du noch da?

Hi, was war den gestern Abend los? Alles in Ordnung? Melde dich doch einfach mal, wenn du kurz Zeit hast...

Ich las mir die Nachrichten mehrmals durch, immer wieder und war kurz davor ihm zurückzuschreiben, aber ich erinnerten mich an meinen Vorsatz. Max hatte das nicht verdient. Er war furchtbar nett zu mir gewesen und er war ernsthaft auf der Suche nach einer Frau an seiner Seite. Ich war verglichen damit nur ein Kind, nicht mehr. Ich loggte mich aus und fuhr endlich meinen Laptop herunter. Mühsam zog ich mich an, nahm meine Tasche und verließ mein Zimmer.


Ich war neunzehn Jahre alt und hatte immer noch keinen Führerschein. Kira meinte das wäre peinlich. Jules erzählte mir von ihrem Europaaufenthalt, dort durfte man erst ab achtzehn Autofahren. Sie meinte ich solle dies ausnutzen, hier zu wohnen. Doch ich kam auch ohne Auto zurecht. Bree hatte mir ein paar Stunden auf einem verlassenen Supermarktparkplatz gegeben, aber wie sich herausstellte, war ich einfach kein Autokind. Ich fuhr lieber mit der U-Bahn oder dem Bus. Nachts nahm ich mir ein Taxi und manchmal lief ich auch einfach nur. Dad hatte mir einmal angeboten, seinen Chauffeur zu benutzen, aber ich hasste es preizugeben, dass meine Familie viel Geld besaß. Ich nahm mir einen Apfel von der Theke, da ich morgens nicht viel frühstückte und machte mich auf den Weg zu Bushaltestelle. Doch als hätte der Tag nicht noch schlechter werden können fuhr genauer mein Bus genau vor meiner Nase weg. Wütend und frustriert lief ich also den gesamten Weg zur Schule und kam somit eine halbe Stunde zu spät in den Unterricht.
"Ah Ms Black, schön dass Sie uns heute auch noch beehren. Bitte setzen Sie sich doch auf ihren Platz und besuchen Sie mich nach Ende der Stunde hier vorne, ja? Gut, dann wenden wir uns nun der Darstellung der Nervenzelle zu. Hier sehen Sie..."

Das Klingeln schien wie eine Erlösung und schnell packte ich alle meine Sachen zusammen, um dem Gespräch mit Mr. Jenkins so schnell wie möglich hinter mich zu bringen. Also lief ich nach vorne auf da Pult zu, während hinter mir auch der letzte Schüler nun das Klassenzimmer verließ.
Mr. Jenkins sah auf, als er bemerkte, dass ich vor ihm stehen geblieben war und sah mich nun ernst an.
"Hören Sie Mr. Jenkins", fing ich an mich zu erklären. "Ich habe heute morgen den Bus verpasst und musste deswegen herlaufen. Ich möchte auf gar keinen Fall-" Doch noch ehe ich weitersprechen konnte schüttelte mein Lehrer nur den Kopf, was mich augenblicklich zum Verstummen brachte.
"Ms. Black, ich habe Sie nicht nur zu mir gebeten, weil Sie zu spät gekommen sind. Ich habe mir erlaubt ihre Ergebnisse der gesamten letzten Biologiejahren anzusehen und ich musste mit Schrecken feststellen, dass sie den jetzigen ziemlich ähneln. Ms. Black, was ich Ihnen damit sagen möchte, ist, dass ich denke, dass wenn das so weiter geht, Sie dieses Jahr durchfallen und das ist ihr letztes Jahr auf dieser Schule. Sie könnten ernsthaft in Biologie durchfallen Ms. Black, dass ist der wahre Grund, warum ich unbedingt mit Ihnen sprechen wollte."
In dem Moment wurde plötzlich einfach alles zu viel für mich. Dieser ganze Tag hatte so mies begonnen und zog sich auch noch so endlos, dass ich in dem Moment nicht mehr als nur zu nicken versuchte, mich langsam umdrehte und auch den Raum verließ. Ich beschloss spontan den Rest des Schultages irgendwo zu verbringen, nur nicht in der Schule und machte mich mit diesem Entschluss auf den Weg in die Innenstadt.

Der Weg war furchtbar überfüllt, was einer der Gründe war, weshalb ich New York so sehr liebte. Ich liebte es, die verschiedenen Menschen und die Vielfältigkeit zu betrachten, überlegte mir, weshalb sie an einem Montagmorgen hier entlangliefen und erfand mit die verrücktesten Geschichten. Der Mann in Blau, hieß Marvin und war gerade auf dem Weg zur seinen Geliebten ins Büro. Das stellte ich mir jedenfalls vor, als ich den riesigen Strauß an roten Rosen in seiner Hand sah. Die Frau mit dem Blazer, sah eindeutig nach einer Juliette aus, die dringend ins Büro musste und der Mann mit den blonden Haaren erinnerte mich an-
Verdammt!
Blonde Haare, blaue Augen und Drei-Tage-Bart. Ich kannte dieses Gesicht. Allein schon daher, dass ich noch vor wenigen Stunden mit ihm geschrieben hatte. Vor mir befand sich niemand anderes als Maxwell Cant, mein Datepartner. Noch hatte er mich nicht bemerkt, doch er lief mit eilig entgegen, den Blick auf sein Smartphone geheftet. In meiner Panik, bemerkte mein Unterbewusstsein dennoch, dass Maxwell Cant, furchtbar attraktiv war. Noch attraktiver als auf den Fotos von ihm und noch attraktiver, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Ich weiß nicht was plötzlich über mich kam, aber ich hatte gerade das dringende Bedürfnis, ihm einfach zu folgen und zu sehen, wo er hinging. Als er also an mir vorbei ging, ohne mich zu registrieren, folgte ich ihm mit ein paar Schritten Abstand. Nach nur wenigen Minuten betrat er ein kleines Café, während ich draußen wartete, noch immer im Strom der laufenden Leute, und ihn durch die Schaufensterscheibe betrachtete. Er lächelte die Frau hinter der Theke an und sagte etwas zu ihr, was sie ebenfalls zum Lachen brachte. Ein Gefühl des Neides durchfloss mich. Sie war groß, hübsch, blond und wurde von so einem gut aussehenden Typen angelächelt. Kurzentschlossen zückte ich mein Handy, loggte mich auf der Seite ein und schrieb Max an.

Hi

Schon als ich bemerkte, wie der Max im Café sein Handy aus seiner Jackentasche herausholte, bereute ich meine Tat. Was hatte ich nur getan? Ich sollte mich von ihm fern halten und ihm nicht wie ein krankhafter Stalker folgen und schon gar nicht sollte ich eifersüchtig werden, wenn er mit einer Frau lachte, die ungefähr in seinem Alter war!!!

Hi
Ist alles okay bei dir? Ich habe mir ziemliche Sorgen gemacht...

Gebannt sah ich auf mein Handy und las die Nachricht mehrmals durch. Er hatte sich Sorgen um mich gemacht. Selten hatte sich irgendjemand richtig um mich gesorgt. Mom war meist bei Tante Emma oder einer ihrer Charityveranstaltungen und Dad war die meiste Zeit geschäftlich unterwegs. Ich hatte nie das Problem, dass ich ständig allein war, ich hatte ja Bree und die anderen, aber dennoch, Mom hatte mir nie gesagt, dass sie sich Sorgen um mich machte. Erstaunt und komplett geplättet sah ich von meinem Handy auf zu Max. Der sah noch immer auf sein Handy, jedoch tippte er nicht, scrollte er nicht oder gar weiteres. Es sah einfach so aus, als würde er noch immer in unserem Chat auf meine Nachricht warten. Auch als die Frau hinter dem Tresen ihm seinen Becher reichte und ihm verführerisch zulächelte, ließ er seinen Blick nicht vom Display ab. Er verließ das Café und erst als er draußen vor der Tür stand, bemerkte ich, wie furchtbar nah wir uns waren. Er stand nur ein paar Schritte weiter und als er sich umsah, wollte ich, dass er mich bemerkte. Doch es war absoluter Unsinn, dass er mich in dieser Menschenmenge entdeckte, weshalb er sein Blick wieder auf sein Handy richtete und in die andere Richtung fortging. Mein Blick folgte ihm bis um die Ecke, aber hinterher lief ich ihm nicht mehr. Dafür entsperrte ich mein Handy und verfasst eine kurze Nachricht an ihn.

Bei mir ist alles in Ordnung, entschuldige dass du dir Sorgen machen musstest. Ich war gestern Abend nur furchtbar müde und bin dann einfach eingeschlafen.
Ist bei dir soweit auch alles okay?

Die Nachricht wurde viiiiel länger als geplant, aber ich schickte sie dennoch ab, entschlossen, dass eine Entschuldigung genau das Richtige war. Ich musste nur kurz warten, da schrieb er mir auch zurück.

Da bin ich aber beruhigt:)
Bei mir ist alles bestens
Ich muss jetzt zur Arbeit, aber was hälst du von heute Abend? Wir könnten uns um acht Uhr bei einem Videochat sehen?

Nervös las ich mir die Nachricht durch. Videochat? Das ging auf gar keinen Fall! Er würde sofort bemerken, dass ich noch nicht einmal zwanzig war!
Was sollte ich denn nun tun?

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