Kapitel 19 Tory

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Die Kälte und Nässe drang durch meinen Mantel und ich begann zu frieren. Er war gegangen. Ich hatte es eindeutig vermasselt. Ich hatte ihn durch meine Zurückweisung verletzt und es verpasste mir einen schmerzvollen Stich, wenn ich daran dachte, dass er das nicht verdient hatte, nachdem er so unglaublich nett zu mir gewesen war. Aber deshalb musste ich ihn gehen lassen. Weil ich so jemanden wie ihn nicht verdiente. Die Tränen liefen mir nun ungehindert über die Wangen und vermischten sich dort mit den kalten, nassen Regentropfen. Ich wand mich ebenfalls langsam um, wusste nicht was ich jetzt mit mir anfangen sollte. Ich wollte nach Hause und mich in meinem Mitleid suhlen, während ich mir die Augen ausweinte.
Es war alles so perfekt gewesen. 
Ich lief zu der nächsten Haltestelle und stellte fest, dass der Bus erst wieder in einer Stunde fuhr. Verzweifelt schrie ich leide auf.
Es lief gar nichts perfekt! Überhaupt nichts! So stand ich also nun da. Im Regen, abends, von dem Mann verlassen, dem ich ziemlich mochte und mein Bus fuhr nicht. Ich zog mein Handy aus der Jackentasche und rief kurzentschlossen Tess an. Sie wusste was jetzt zu tun war. Tränen stiegen wieder in mir auf, als ich an Maxs verletzten Gesichtsausdruck dachte und wie er eilig davon ging. Er hatte wieder diese Falte zwischen den Augen gehabt und seine sonst so strahlend, blauen Augen hatten traurig geschimmert.
"Hallo?" Tess. Sie hatte abgenommen.
"Victoria? Alles okay?"
Ich mochte es nicht, dass sie mich Victoria nannte. Ich wollte Tory sein!
"Vicky?" Tess klang nun beunruhigt. "Alles in Ordnung?" Ich versuchte mich zusammenzureißen und sie zu fragen ob sie mich abholen konnte, aber ich bekam nichts anderes als ein lauten Schluchzer heraus. "Tess."
Ich hörte wie Tess am anderen Ende scharf die Luft einzog. Ich weinte selten, fast gar nicht. Warum sollte ich auch? Aber jetzt, jetzt merkte sie das irgendetwas eben ganz und gar nicht in Ordnung war. "Tess, kannst du... Kannst du mich vielleicht abholen?"

Eine Viertelstunde hielt ein Auto vor mir und ich erkannte Tess und auf der anderen Seite Brian. Stumm öffnete ich einfach die Tür zur Rückbank  und stieg ein. Tess fuhr nicht zu mir, sondern auf direktem Weg zu sich. Ich sagte nichts, sah nur stumm aus dem Fenster und betrachtete die einzelnen Regentropfen, die mit einem lauten Klatschen an die Scheibe schlugen. Hin und wieder lief mir eine Träne über die Wange, doch ich wischte sie nicht weg.
Als wir da waren, blieb ich noch kurz im Auto sitzen, ehe ich mich aufschnallte und ausstieg. Gerade wünschte ich mir nichts sehnlicher als meine Ruhe. Ich folgte Brian und Tess in ihr Zimmer, setzte mich auf ihr Bett, dass ungemacht war. Wahrscheinlich hatte ich sie und Brian gestört. Doch das war mir im Moment ziemlich gut egal.
Ich war eine miese Freundin. Und ein schlechtes Date, wie sich so eben herausstellte. Wieder lief mir eine Träne über die Wange. Max Augen. So verletzt. Tess hatte den Raum verlassen, nur um jetzt mit heißem Tee wiederzukommen. Brian hatte es sich auf ihrem Schreibtischstuhl bequem gemacht und sah mich die ganze Zeit stirnrunzelnd an. Wahrscheinlich verstand er nicht, warum Mädchen so sentimental waren. Tess reichte mir eine Tasse mit Kräutertee und ich verzog angewidert mein Gesicht. Der Geruch war grauenhaft. Sie lächelte leicht und ließ sich neben mich auf das Bett fallen und ah mich dann auffordernd an.
Ich ignorierte ihre und Brians Blicke. Ich wollte nicht darüber reden. Verletzt. Ich hatte ihn durch mein Schweigen so sehr verletzt, dabei wollte ich ihn davor bewahren, einen Fehler zu begehen. Das furchtbare Gefühl der Enttäuschung durchströmte mich. Was hatte ich nur getan? Ich hätte ihm die Wahrheit sagen sollen.
Eine Hand an meinem Knie ließ mich aufschrecken. Tess sah mich besorgt an und auch Brians Blick galt mir. Sie wollten wissen was passiert war. Natürlich wollten sie das wissen.
"Was ist passiert Vicky?" Fragte Tess leise. Ich sah sie stumm an und meine Sicht verschwamm aufgrund der Tränen die mir wieder in die Augen stiegen.
"Vicky?"
Sie sollte damit aufhören! Ich hieß nicht Vicky! Ich war Tory verdammt nochmal!
"Er hat mich geküsst." Ich sah zu der Tasse in meinem Schoß die noch immer mit dem ekelhaft stinkenden Gebräu gefüllt war.
"Aber das ist doch toll Vicky! Du magst ihn doch und er sich anscheinends auch!" Brians Stimme klang fröhlicher als der Moment erlaubte. Nichts daran war toll. Ja, vielleicht mochte Max mich, aber dennoch änderte das nichts an der Tatsache, dass ich ihn enttäuscht hatte. Enttäuscht. So sehr hatte ich ihn enttäuscht. Tess muss ihm einen ziemlich giftigen Blick zugeschossen haben, den ich merkte wie Brians Euphorie verschwand.
"Und dann?" Fragte Tess vorsichtig und legte mir einen Arm um die Schulter. "Was ist dann passiert?" Ich sah ihr ins Gesicht und bemerkte, dass sie sich Sorgen machte.
"Ich konnte das nicht Tess." Verzweifelt sah ich sie an. Verstand sie mich? Was wenn sie nun auch sauer war? Tess hatte von Anfang an nichts von der Wette gehalten.
"Was hast du getan?" Brian klang sichtlich geschockt. Wahrscheinlich erwartete er bereits das Schlimmste von mir. Also erzählte ich mit Tränen in den Augen den beiden von dem Vorfall und davon das Max gegangen war. Den Antrag und den Rest ließ ich weg. Das war mein Geheimnis. Dieser Moment sollte nur uns beiden gehören. Uns. Wie komisch das jetzt klang. So verletzt hatte ich ihn.
"Was willst du jetzt machen?" Fragte Tess mich mitfühlend. Ich zuckte mit den Schultern, während mir die Tränen wieder ungehindert über die Wangen rannen. "Ich weiß es nicht. Was soll ich denn jetzt noch machen. Er muss weiß Gott was von mir denken!" Brian sah mich mich mitleidig an, ehe seine Augen etwas anderes erfassten. "Vicky, was ist das?" Tess und ich richteten unseren Blick gleichzeitig in meinem Schoß indem meine Hände sich noch immer verkrampft an die volle Tasse klammerten. Doch es war etwas anderes gewesen, das Brians Aufmerksamkeit beanspruchte. Unübersehbar funkelte der Diamant an meinem linken Ringfinger.
Verdammt! Ich hatte ihn Max nicht wieder geben können. Gleichzeitig beschlich mich ein anderer Gedanke. Was war das für ein Ring, den er mit sich herumtrug? Er war doch singel oder?
Tess und Brian sagen mir wohl an, dass sie aus mir nichts mehr heraus bekommen würden und beließen das Thema dabei. Sie versuchten mich immer in verschiedene Gespräche mit zu integrieren, gaben es jedoch irgendwann auf. Brian ging spät. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Wann waren Max und ich aus dem Café? Bevor Tess Brian verabschiedete, bat ich sie um ihren Laptop, den sie mir ohne ein weiteres Wort hinhielt und dann mit ihrem Freund das Zimmer verließ.
Zweifel nagte an mir. Sollte ich das tatsächlich machen?
Bevor ich mich noch unentschieden konnte, tippte ich seinen Namen bereits in die Suchmaschine. Unter dem Vorwand nur herauszufinden wo sich sein Labor befand, von dem er so geschwärmt hatte, betätigte ich die Entertaste.
Es öffneten sich weit aus mehr Bilder, Dateien und Internetlinks zu diversen Seiten, als gedacht.

Maxwell Cant: Neue Entdeckungen im Blut.

Großzügige Spenden von Maxwell Cant.

Doch es war eine der etwas älteren Artikel, die mich stocken ließen.

Der große Wissenschaftler Maxwell Cant hat endlich seine große Liebe gefunden!

Ich wusste das ich diesen Artikel nicht lesen sollte, aber ich konnte nicht anders, als die Internetseite zu öffnen und mir durchzulesen, was dort geschrieben stand.

If We TryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt