15. Staccato

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„Und? Wie läuft's so mit'm Training?“ Tim lehnte sich neben Cam an den Zaun und beobachtete die Rennpferde in der Ferne, die gerade in der Nachmittagssonne rannten.
„Gut.“ Nachdenklich sah Tim zu seinem kleinen Bruder, dessen Pokerface nichts verriet. Um ehrlich zu sein wusste Tim nichts über diesen einen Gegner, der ihm vielleicht den Sieg in Irland zunichte machen könnte. Hollywood's Sun, das beste Rennpferd, das er je im Stall gehabt hatte. Gegen seinen Halbbruder Hollywoods Hawk, ein Jahr jünger, von dem nur die Abstammung bekannt war. Auch Tim, obwohl er schon gestern Abend angekommen war, hatte keine Ahnung über den Trainingsstand und die Ausbildung des schicken Hengstes. Was ihm, um ehrlich zu sein, beunruhigte.
„Mr O’Reilly, wann könnten wir denn mal Sun rauslassen?“ Der Jockey Hartmann sah Cam fragend an. Dieser schaute auf seine Uhr.
„In zehn Minuten? Ansonsten erst in ner halben Stunde.“ Hartmann nickte und ging mit Tim in den Stall.
„Sir, wann kommt Hawk denn vom Ausritt?“ Tram saß bereits im Sattel einer vierjährigen Stute namens Connection. Cam zuckte mit den Schultern.
„Kommst du um acht nochmal hierher? Ich will nicht, dass Tim ihn sieht.“
„Wäre es nicht besser, wenn Ihr Bruder eingeschüchtert wäre? Hawk wird Sunny um Längen besiegen.“
Cam schüttelte den Kopf. „Sonst macht der ne neue Taktik. Diese eine Woche kommt Hawk nur um acht raus, ansonsten Führanlage, Koppel und Ausritt.“ Tram nickte verstehend und ritt auf die Rennbahn, wo die anderen Jockeys gerade von ihren Pferden abstiegen.
Cams Augen verfolgten Connection, das weiße Fell der Stute hob sie von den anderen ab. Von weitem sah sie aus wie Esperanza, dachte Cam. Und plötzlich kam ihm eine Idee.
Lisa stand gerade mit beiden Füßen wieder auf der Erde, da wurde sie in die Luft gewirbelt.
„Ich hab ne Idee!“, rief Cam triumphierend.
„Was? Worum geht's überhaupt?“, lachte Lisa.
„Warte, ich erzähl's dir, wenn Tim weg ist. Sunny wird gerade trainiert.“ Cam zog Lisa hinter sich her zur Rennbahn. Dort stand bereits Tim, umgeben von anderen Jockeys. Ein Halter hielt Hollywoods Sun am Zaumzeug. Das goldene Fell des Hengstes glänzte in der Sonne und Hartmann kletterte auf den Riesen. Eins, zwei, drei, los. Mit einem Mal kam Leben in das Pferd, wild preschte er nach vorne und buckelte zwischendurch. In Rekordzeit raste er über die Rennbahn.
„Na, immer noch überzeugt, dass euer Zwerg ihn besiegt?“, grinste Tim selbstsicher und verschwand mit seinem Pferd und dem Jockey im Stall.
„Also, Sir, was wollten Sie?“, fragte Tram ungeduldig.
„Wir geben Hawk in die Box von Staccato, der sieht ihm ziemlich ähnlich. Und jetzt reitest du Staccato unter Hawks Namen.“, erklärte Cam den simplen Plan.
„Na gut. Dann weihen Sie aber die anderen auch ein, sonst wird das nichts.“, grummelte der Jockey und machte sich auf den Weg zu Hawk, alias Staccato.
Wenig später war es soweit. Hawk und Staccato hatten unbemerkt von Tim ihre Boxen getauscht und Staccato stand nun startbereit mit zwei anderen Pferden auf der Rennbahn. Cam nickte und sofort schossen die Tiere los. Die leuchtende Mähne war leicht zu erkennen und selbstgefällig grinsend beobachtete Tim ebenfalls das Spektakel. Staccato, langsamer als Hawk, kam als zweiter ins Ziel, mit einer ganz normalen, durchschnittlichen Zeit.

Running Hoofs - Fly with your Wings, Hawk!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt