8. Black History

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Der Regen rauschte. Der Wind heulte. Der Donner grollte laut und der Blitz erhellte die dunklen Wolken. Nur der Schneesturm hatte sich gelegt und unterstützte nun umso mehr den Regen. Dieser trommelte gleichmäßig auf das Dach der Scheune. Die Wolken hingen tief über den Gestüt und verdeckten das Tageslicht. Die Ein- un Zweijährigen standen dicht nebeneinander im Regen. Ihr Fell war dunkler als sonst und tropfte. Pfützen bildeten sich auf dem Hof und den Wiesen. Der Staub und Sand mischte sich mit dem Wasser und wurde zu Matsch. Die Mähnen der Pferde hingen in Strähnen am Hals herab. Nur ein paar Pferde kämpften sich durch das Gemisch aus Wind, Regen, Schlamm, Blitz und Donner. Am sonst so gut besuchten, weiß gestrichenen Zaun stand jetzt niemand, jeder versuchte, sich so trocken wie möglich zu halten. Jede zusätzliche Sekunde im Regen war eine Qual und bedeutete, dass man nächsten Tag krank mit einer Grippe im Bett lag. Die Jockeys eilten mit den Pferden zur Rennbahn, ließen sie im Trab und versammelten Galopp je zwei kleine Runden drehen, dann zwei weitere große Bahnen in gestrecktem Galopp. Gegen niemanden. Keiner machte sich die Mühe, Konkurrenz zu suchen, Hauptsache, die Pferde wurden bewegt. Ein Wettrennen würde bei diesem Wetter nur Verletzte hervorbringen, und das konnte teuer werden, vor allem, weil die Saison nun nicht mal gestartet hatte. Heute zwitscherte kein Vogel den Menschen und Tieren sein Morgenlied. Kein neugieriger Jährling stand am Zaun und beobachtete interessiert die Pferde. Wer die Möglichkeit hatte, sich unterzustellen, der machte dies auch und verließ nur in äußerstem Notfall den sicheren Unterschlupf. Blue Meadow schien wie ausgestorben. Darragh Cross war ausgestorben. Nichts rührte sich. Niemand. Durch den Stromausfall konnte man seit gestern Abend um neun Uhr siebenunddreißig kein Licht mehr anschalten. Außerdem hatte der Sturm einen Empfangsmasten niedergestürzt, sodass telefonisch niemand zu erreichen war.
Cam blinzelte verschlafen. Er lehnte an der Holzwand von Memories Box. Der Regen trommelte bedrohlich gegen das Dach und die Fensterscheiben. Alle Stuten standen drinnen, dösten oder fraßen Heu. Im Dämmerlicht konnte man nur die Umrisse sehen, es herrschte eine geheimnisvolle, düstere und zugleich auch friedliche Atmosphäre.
Lisa war bereits auf und grinste ihn an. Cam grinste zurück. Wie süß sie immer aussah, wenn sie grinste. Eine rote Strähne fiel ihr ins Gesicht und ihre hellblauen Augen strahlten.
„Morgen, Prinzessin.“
„Morgen, Prinz.“
Cam stand auf und betrachtete Memories. Ihr schwarzes Fell glänzte, der Staub vom Stroh bedeckte es. Sie war dünn und an ihrem Schweif und After klebte noch Blut, genauso wie auf dem Stroh, also musste sie noch in der Nacht entbunden haben. Und tatsächlich: An ihrem Euter stand ein kleines, schlaksiges Rappfohlen. Cam lächelte. Es sah genauso aus wie seine Mutter.
„Es ist eine Stute.“, sagte Lisa und streichelte das flauschige Fell. Cam strich Memories liebevoll über die Stirn.
„Na Süße?“ Die Stute sah ihn an, als wollte sie sagen: Hab ich das nicht gut gemacht? Cam musste lachen und sah Lisa an.
„Und?“, fragte er.
„Was und?“ Lisa sah ihn fragend an.
„Sie braucht einen Namen.“, erklärte Cam.
„Und ich soll jetzt mal so auf die Schnelle einen herzaubern oder was?“, Lisa tat empört.
„Das hätte ich jetzt erwartet.“, lachte ihr Freund.
Lisa überlegte. Die Kleine war komplett schwarz, nirgendwo ein Abzeichen oder sowas.
„Black History.“, sagte sie.
Black Historys Fell glänzte und sie spitzte die Ohren.
Das Fell so schwarz wie die Nacht. Die Augen so dunkel wie ihr erster Tag. Und ihr Hufschlag wie das Trommeln des Regens auf dem Dach. Ihre Geschichte begann jetzt, ab dem Augenblick, an dem Lisa ihr einen Namen gegeben hatte. Und sie würde allen zeigen, was in ihr steckte.

Running Hoofs - Fly with your Wings, Hawk!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt