Hauptsache irgendwo | Mukas ff

Kapitel 24- Eine Chance.

Mike POV:

Noch nie in meinem Leben bin ich in einer Stadt so verloren gewesen.
Berlin ist riesig und ich kenne mich kaum aus.

Für ein neues Musikvideo sind wir mit dem Zug hergefahren. Ossama müsste noch im Hotel sein, hat mir aber unsicher erlaubt, mich etwas umzusehen.

Ich habe keine Ahnung, wo ich hinlaufe.
Ich weiß nur, dass ich laufe. Wohin spielt im Moment keine Rolle.

Hauptsache möglichst weit weg von hier.

Ab und zu stoße ich mit ein paar Menschen zusammen und entschuldige mich flüchtig. Die vernichtenden Blicke der Leute nehme ich gar nicht wirklich wahr.

Hätte ich nicht meine Kaputze übergezogen, hätten mich locker schon hundert Fans entdeckt.

Mein Kopf brummt.

Alles überfordert mich gerade, so dass ich nicht mehr klar denken kann. Zu viele Fragen werfen sich mir auf.

Lukas weiß jetzt, dass ich auf Jungs stehe. Was er getan hat, war praktisch Hochverrat.

Es ist zwar schon eine Wocje her, aber ich werde den Gedanken nicht los.

Der Schmerz sitzt zu tief in meiner Brust.

Was hat er sich dabei gedacht?
'Ach, verarschen wir doch mal den jämmerlichen Spinner, indem wir ihn bloßstellen'?!

Mein Umfeld verschwimmt vor meinen Augen.

Ich werde jetzt nicht weinen! Ich weine nie! Ich bin nicht schwach.
Ich will das alles nicht fühlen. Das darf nicht die Wirklichkeit sein...
Ich kann nicht schwul sein.

Das klingt so unglaublich falsch. Nein, nein, nein.

Ich muss an Lukas denken. Wie verständnislos er mich angesehen hat. Wieso ich Angst habe, hat er gefragt...

Was ist das überhaupt für eine bescheuerte Frage?! Die hätte er sich auch selbst beantworten können.
Bis gestern war ich noch hetero und plötzlich soll ich schwul sein?!

Beinahe muss ich auflachen, unterdrücke es aber, weil mich die Leute sonst wie einen Geisteskranken anstarren würden.

Ich stehe auf Mädchen! Was ist mit Melissa? Ich liebte sie! Soll das etwa alles nur eine Lüge gewesen sein? Sie ist doch ein Mädchen!

Für einen Augenblick sind alle meine Zweifel weg.

Es ist nicht abstreitbar, dass ich auch Gefühle für Jungs haben kann, aber das heißt doch gar nichts...

Ich atme tief durch und setze mich auf eine Mauer, wo der Straßenverkehr und die Stimmen der Leute kaum hörbar sind.

Vielleicht sollte ich das nicht tun, aber meine innere Stimme rät mir danach.
Es fühlt sich an, als hätte ich das schon vor langer Zeit tun sollen.

Mit aller Kraft zwinge ich mich dazu auf dem Handydisplay das grüne Anrufsymbol zu drücken.

Als das Piepen ertönt, ringe ich mir nervös die Hände.

Ich kann das, ich kann das, ich kann das...

"Mike...", ertönt eine vollkommen überraschte Mädchenstimme.

...Okay, ich kann das nicht.

Sie zu hören, versetzt mir einen Stich im Magen. Am liebsten würde ich auflegen, aber das geht natürlich nicht.

Mühsam schlucke ich. "Melissa? I-ich wollte bloß hören wie e-es dir geht.", stottere ich, fast wie ein scheues Reh.

Melissa schweigt kurz. Anscheinend hat es ihr die Sprache verschlagen.

"Es ist schön von dir zu hören. Ich vermisse dich oft... Du fehlst mir.", gesteht sie leise.

Ich schließe die Augen und lasse die Worte auf mich wirken.

Auch wenn es nur ihre Stimme ist, es fühlt sich so... wirklich an.

"Du hast mich damals betrogen.", sage ich nur und lande wieder in der Realität.
"Ich weiß... Und das war der größte Fehler, den ich je begangen habe." Ihre Stimme wird kratzig.

Würde ich ihr so viel bedeuten, hätte sie mir das nicht angetan.
Aber ich kann und will sie nicht mehr für das Monster halten, das sie für mich war.
Ich will mit der Vergangenheit abschließen.

"Ich habe dir immer noch nicht verziehen, ich hoffe, du verstehst das.", entgegne ich und beobachte ein Kind, das die Tauben auf der Straße erschrickt.

Sie fliegen in den Himmel und ich muss leicht lächeln.

"Hättest du Lust dich mit mir zu treffen? Du kannst natürlich auch 'nein' sagen! Das verstehe ich vollkommen.", fragt sie zögernd.

Wir schweigen eine Weile, weil sie in Ruhe auf meine Antwort wartet.

"Du solltest vorher noch etwas wissen.", presse ich hervor. "Das mit uns... das ist vorbei. Es besteht nicht mehr die Möglichkeit, dass mehr aus uns wird. Dafür hast du mich zu sehr verletzt."

Ich kann ihr nicht sagen, dass ich wahrscheinlich nicht mehr auf Mädchen stehe.
Vielleicht täusche ich mich ja auch.

Natürlich täusche ich mich!
Jedenfalls kann ich nicht abstreiten, dass ich Lukas attraktiv finde. Das ist doch nicht normal, oder?

Vielleicht sollte ich unserem Wiedersehen eine Chance geben.

Ich lächle leicht. "Ich würde mich sehr gerne mit dir treffen."

Kennt ihr das, wenn ihr eigentlich lernen solltet, aber keine Lust habt, weil ihr es eh verhauen werdet?😂

Wie findet ihr das Kapitel? ❤😊