Entgegen all meinen Erwartungen antwortet er doch. Ich setzte alles auf eine Karte und frage ihn, ob er vorbei kommen kann. Ohne zu zögern bejaht er. Er sagt, er brauche nur zehn Minuten, dann geht er offline. Ich ziehe mir einen dicken Mantel über und verlasse auf Zehenspitzen die Wohnung. Nur gut, dass wir das Parkett erst neu gemacht haben. Ich stehe ungefähr fünf Minuten an unteren, mittlerweile üblichen, Treffpunkt. Ich stehe da und denke schon, dass er nicht kommt und mich bloß verarschen wollte. Wenige Augenblicke bevor ich selber gehen will, erkenne ich seine vermummte Gestallt in der Dunkelheit. Er bleibt einige Meter vor mir stehen und sieht mich prüfend an. Ich muss furchtbar aussehen.
„Ist alles okay?"
Scheinbar ist die Frage rhetorisch, denn mein Gesicht sagt schon alles. Ich schüttele mit dem Kopf und fange an die Situation zu schildern. Dabei fange ich wieder an zu weinen. Ich stehe da, mit hoch gezogenen Schultern, die Arme um meinen Körper geschlungen und die Tränen stürzen ungehalten von meinen Wangen. Ich verberge mein Gesicht hinter meinen Händen und versuche mich zu beruhigen. Er soll nicht denke, ich sei eine Heulsuse, aber dafür ist es eigentlich schon zu spät. Er hat mich schon viel zu oft weinen sehen. Ich sehe nicht, wie er die letzte Distanz zwischen uns überbrückt und beide Arme um mich schlingt. Ich bemerke es erst, als seine angenehme Körperwärme spüre. Er streicht mir etwas unbeholfen über den Rücken und flüstert, dass alles gut werden würde. Als die Tränen endlich versiegt sind, löst er sich von mir und sieht mich prüfend an. Am liebsten hätte ich mich wieder an ihn geklammert, doch ich halte mich zurück.
„Komm mit, ich will dir etwas zeigen."
Die Aussage wirkt völlig aus dem Konzept gerissen und ich bin so überrumpelt, dass ich ihm einfach folge. Er läuft in das Viertel, wo die Fabrikgebäude stehen und einige davon sogar verlassen. Wir schleichen und durch ein offnes Tor und bleiben vor einer Backsteinmauer stehen. Sie ist voll mir gesprühten Bildern.
„Das hier ist mein geheimer Platz, wenn ich mal Zeit für mich brauche. Du bist die erste der ich das zeige."
Er macht eine ausladende Bewegung zu der Wand und den Bildern. Ich trete näher an die Wand heran, um die Bilder besser erkennen zu können. Das erste zeigt ein Boot, das sehr an die Titanic erinnert und an der vorderen Seite kann man wirklich zwei kleine Menschen erkennen. Ich habe das Bild irgendwo schon mal gesehen. Alec hat es in Kunst gemalt.
„Hast du die gemacht?"
Er schüttelt mit dem Kopf und muss dabei lachen.
„Nein, ich hole mir nur manchmal Inspiration, weil ich selber ein sehr unkreativer Mensch bin."
Jetzt schüttele ich mit dem Kopf und zupfe am Saum seiner Jacke.
„Das stimmt nicht. Denk doch mal an den Truck."
Zum ersten Mal seit Stunden ist mir mal wieder danach zu Lächeln. Ich laufe zum nächsten Bild, er folgt mir leise. Es ist ein ziemlich Detailliertes Paar blauer Augen.
„Weißt du, wessen Augen das sind?"
Ich trete näher und fahre mit den Fingern die langen Wimpern nach.
„Nein, aber sie erinnern mich an deine."
Ich drehe mich um und sehe ihn überrascht an. Meint er das ernst?
„Ich höre meine Freunde immer nur ziemlich oberflächlich von ihren Freundinnen reden und fand es wirklich dämlich. Ich habe beschlossen, dass wenn ich eine Freundin habe ich so vieles anders machen und sagen will als sie und dann habe ich dich wirklich kennen gelernt. Deine Augen... sie sind so wunderschön. Sie sind der Himmel und das Meer zugleich. Ich habe das Gefühl fliegen oder tief tauchen zu können, wenn ich sie sehe.
„Alec..."
Ich spüre wie ich erröte und sehe zu Boden, in der Hoffnung das er es nicht sieht. Es ist eh ziemlich dunkel. Das schafft auch nur er immer wieder, mich völlig aus dem Konzept zu bringen.
„Es tut mir leid, dass ich neulich so abweisend war. Ich hatte einfach Zeit gebraucht um mir über einiges Klar zu werden. Ich weiß, ich habe es vor ein paar Wochen schon mal gesagt, aber jetzt kenne ich dich erst so richtig. Beim ersten Mal habe ich es einfach so leichtfertig vor mich hin gesagt,weil ich dachte es würde in die Situation passen,aber jetzt weiß ich welche schwerwiegende Bedeutung meine Worte hatten und was sie mit deinen Gefühlen angerichtet haben müssen."
Er sagt das alles sehr schnell, als hätte er Angst das ich ihn sonst unterbreche.
„Alec, was machen wir hier nur?"
Diese Frage habe ich ihm vor ein paar Wochen schon einmal gestellt. Damals ging es aber nur um einen simplen Kuss, jetzt um so viel mehr. Ich sehe ihn einfach nur an und spüre wie meine Augen wieder verräterisch anfangen zu brennen, aber ich will nicht schon wieder weinen. Ich will das hier einfach durchstehen, mit oder ohne ihn.
„Ich weiß es nicht, ehrlich, Alice. Wenn ich so etwas intensives nur im entferntesten schon mal gespürt hätte, dann wüsste ich jetzt vielleicht was ich hier eigentlich tue oder sage. Aber dem ist nicht so, aber eines weiß ich genau:Es fühlt sich richtig an, richtig hier mit dir. Auch wenn es absolut bescheuert klingt und ich keine Ahnung davon habe was es bedeutet, muss ich es einfach tun... Weißt du Allie... ich will für dich da sein. Ich will derjenige sein zu dem du kommst, wenn du weinen willst. Wenn du mich um zwei Uhr nachts anrufst und zu traurig bist um auch nur ein Wort zu sagen, werde ich deinem Schweigen lauschen, bis zu wieder schlafen kannst. Wenn du weinst, werde ich deine Tränen weg wischen. Tränen sind dem Lachen manchmal das nächste und das ist völlig okay. Wenn du müde bist, will ich dich in meinen Armen halten. Wenn schreien willst und deine Beine dich nicht mehr tragen, werde ich dich halten und bei dir sein wenn du wütend bist und deine Hände an Wänden blutig schlägst, werde ich deine Wunden kühlen und sagen, dass es heilen wird. Die Narben zeigen nur von deiner Stärke, wieder aufgestanden zu sein. Ich weiß selber nicht, was ich hier eigentlich gerade erzähle, aber es ist das, was mir in den letzten Tagen klar geworden ist. Ich will bei dir sein, immer. Ich will für dich da sein. Ich will deine Tränen trocknen und dein wunderschönes Lachen hören."
Ich stehe einfach nur da und sehe ihn an, unfähig auch nur ein Wort zu sagen. Mein Herz klopft so laut, dass er es wahrscheinlich auch hören kann.
„Okay, dann halt so: Wenn ich jedes Mal Geld bekommen würde, wenn ich jemand so wunderschönen und starken wie dich sehen würde, hätte ich jetzt fünf Cent."
Hat er gerade wirklich...? Hat er gerade einen seiner schlechten Anmachsprüche raus geholt?
„Warte ich hab noch einen: Weißt du, worin du richtig gut aussiehst? In meinen Armen."
Ich habe mich noch keinen Meter bewegt und auch noch nichts gesagt. Ich sehe ihn einfach nur, in seine wunderschönen, warmen, braune Augen.
„Könntest du bitte irgendwas sagen?Irgendwas, bitte! Du kannst auch schreien und mich Ohrfeigen, weil ich ein verdammter Idiot bin, aber das hier ist gerade wirklich Folter."
Er fährt sich verzweifelt durchs Haar. Ich hole tief Luft und komme einen Schritt auf ihm zu.
„Ich liebe dich."
Das ist alles was ich sage, bevor ich ihm an seinem Schal zu mir herunter ziehe und seine weichen Lippen mit meinen verschließe.___________________________
Das war es auch erst mal wieder, meine Lieben. Ich hoffe es hat euch gefallen und ihr hattet ein bisschen Spaß beim Lesen...
Lasst ruhig einen Kommentar oder ein Sternchen da! 💫
Tschö mit Ö und Peace Out! 💖
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Truth or dare
RomanceAlice ist schon eine lange Zeit heimlich in Alec verliebt und versucht ihr kleines Geheimnis so gut wie möglich zu schützen. Doch dann überreden ihre besten Freundinnen sie zu einer Runde Wahrheit oder Pflicht und das Schicksal nimmt seinen Lauf...