Two people

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Irgendwie konnte ich nicht aufhören zu Grinsen. Eben hatte ich Nik kurzerhand nach seiner Nummer gefragt und er hatte sie mir tatsächlich gegeben, am liebsten hätte ich einen Freudentanz gemacht, aber dann hätte er mich als Psycho eingeordnet und die Handynummer gelöscht.

Das Problem war, dass ich ehrlich gesagt keine wirkliche Ahnung hatte, wie er mich einstufte. Wir verstanden uns ziemlich gut, aber auf einer bisher freundschaftlichen Basis. In ihn hatte ich einen wirklich guten Freund gefunden, zumindest hatten wir genau den gleichen Humor, was es noch angenehmer machte.

Immer noch grinsend dachte ich an eben zurück. Sein Lachen, als wir wieder ein paar dumme Witze gerissen haben, obwohl es manchmal schon an flirten grenzte. Was mich wieder eindeutig verunsicherte. Es könnten auch die falschen Signale sein, die ich aufschnappte oder mir womöglich einredete.

Mein Herz würde es nicht nochmal überleben, sich zu verlieren und anschließend zertreten zu werden. Gleichzeitig wäre es eine weitere Freundschaft, die somit den Bach runterging. Wieder wäre es neuen Schuld. Ich brachte einfach nichts zu Stande. Immer zerstörte ich alles, indem ich zu schnell handelte oder einfach nicht nachdachte.

Wieso war ich so verdammt naiv. Ein Träumer. Augenblicklich wechselte meine Stimmung und alles fühlte sich so viel schwerer an. Mit schnellen Schritten sprang ich die Treppe zu meiner Wohnung nach oben. Denn ich wusste genau, was mein Körper jetzt tat. Aufgeben.

Der Schlüssel ließ nach ein paar Drehungen die Tür aufspringen. Diese schloss ich, mit zitternden Händen und dann sank ich zu Boden. Wie in einer dramatischen Szene eines Films, wenn der Charakter an der Tür mit dem Rücken hinunterglitt. Genauso war es. Nur ohne die Musik im Hintergrund, welche die Stimmung unterstütze.

Einzelne Tränen traten aus meinen Augen und hinterließen Masse Flecken auf meiner Jeans. Mit dem Ärmel versuchte ich diese vergebens wegzuwischen. Es wurden immer mehr, bis es ein heißer Wasserfall war, welcher meine Wangen hinunterplätscherte. Alle Gliedmaßen waren von einem auf den anderen Moment schwach geworden und nun nicht mehr unter meiner eigenen Kontrolle.

Diese Gedanken verschwanden nicht mehr. Wie konnte meine Stimmung so schnell um schwanken? Das, was in meinem
Kopf geschah, würde mich auf Dauer vermutlich zerbrechen lassen. Dieses kleine pochende Ding in meiner Brust, ging dort wie ein Stein und schmerzte. Es stach, doch ich konnte nicht aufstehen, um es unter Kontrolle zu bekommen. Meine Füße verweigerten es mir. Genauso wie all meine Muskeln.

In meinem Flur war es nicht sonderlich hell, das Licht hatte ich nicht einmal angemacht. Fast schon leblos, striff ich meine Schuhe ab und warf sie achtlos in eine Ecke. Die Jacke tat es den Treffern gleich und landete neben ihnen. Nach mehreren Versuchen rappelte ich mich auf und stand wieder.

Verkrampft hielten sich meine Finger an dem Türgriff fest, damit ich den halt nicht verlor. Es war einfach nur erbärmlich. Ich wollte gar nicht wissen, wie ich gerade aussah. Sofort kamen erneute Tränen aus meinen Augen und liefen unkontrolliert an meiner Haut hinunter.

Kein Ton kam aus meinem Mund. Nur mein schmerzverzerrtes Gesicht und das salzige Wasser, zeigten wie es mir in diesem Moment ging. In mir baute sich das Gefühl auf, dass ich einfach nicht mehr konnte. Ich wollte nicht mehr. Wieso war alles so schwer und wo waren die schönen Augenblicke hin?

Ein Wimmern erklang aus meiner trockenen Kehle. Mein ganzes Gesicht  stand unter Wasser und den Versuch es wegzuwischen, hatte ich bereits aufgegeben. Alles zerfiel langsam. Meine Mauern, die ich über den Tag wieder aufgebaut hatte, brachen in sich zusammen. Mit ihnen fiel ich.

Es klopfte an meiner Tür und ich schaffte es nicht einmal diese zu öffnen.

'Reece', hörte ich eine mir bekannte Stimme rufen.

Ich hatte vergessen, dass ich ihn heute eingeladen hate vorbei zu kommen. Die Möglichkeit, nicht zu öffnen hatte ich nicht. Er wusste, dass ich da war. Außerdem wäre es nicht fair. Nur würde er mich in diesem Zustand sehen.

Schwach schleppte ich mich hin und ließ sie aufschwingen. Der Junge mit den blondierten Haaren, starrte mich unverwandt an. Immer noch war mein Gesicht von Tränen überströmt. Sie hörten einfach nicht auf zu laufen, sie waren unaufhaltbar.

Im nächsten Moment brach ich wieder in mich zusammen und lag nun auf dem Boden. Man konnte mich schluchzen hören, es klang kläglich. Meine Beine hatte ich an meinen Körper gezogen und so lag ich auf dem Laminat meiner Wohnung. Eingerollt und am Ende.

Er kniete sich zu mir und strich mir beruhigend über den Rücken. Dabei flüsterte der Junge aus Irland leise, beruhigende Worte. Anschließend nahm er mich in den Arm und mein schwerer Kopf ruhte an seiner Brust. Sein Shirt musste völlig durchweichen. Doch Zak stellte keine Fragen. Er verstand, dass es das beste war, einfach da zu sein.

Es tat gut, gehalten zu werden. Plötzlich fühlte ich mich nicht mehr so alleine. Gebrochen war ich immer noch. Doch die bloße Anwesenheit eines Menschens, erleichterte es. Seine Hand fuhr immer noch in einem gleichmäßigen Rhythmus über meinen Kopf. Wieder wimmerte ich.

Doch in meinem Inneren spürte ich, wie der Schmerz nachließ. Reece Bibby war nicht ansatzweise der Junge, den die Supporter kannten. In ihm sah es anders aus, alles war fein und empfindlich. Ihm wurde in seinem Leben so oft Schmerz zugefügt, was er niemals ganz verkraften konnte. Alles in ihm stockte sich immer und immer wieder auf. Bis er wie ein Vulkan ausbrach.

Er hat panische Angst, irgendwann alleine zu sein. Doch auch davor, wieder und wieder enttäuscht zu werden. In seinem Kopf, war er die Enttäuschung. Eigentlich war er nur innerlich angebrochen und drohte in immer mehr Einzelteile zu zerfallen.

'You don't have to talk Reece. It's okay. Whatever it is. I'm there for you. Always Reece. Always', flüsterte Zak in mein Ohr und ein müdes, erschöpftes Lächeln zeichnete sich auf meinem Gesicht ab.

Ich wollte 'Thank You' antworten, doch mein Hals brannte und es kam nicht mehr als ein schwaches Krächzen aus meiner Kehle. Wieder beruhigte seine Hand mich, indem
sie über meinen Rücken fuhr. In diesem Moment hatte ich das Gefühl verstanden zu werden, nicht mehr alleine zu sein. Er hatte mich aufgefangen, bevor ich zu tief gefallen wäre.

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Wieder mal ein Kapitel im Bus entstanden 😂.
Das wird echt zur Gewohnheit 😅...

Minute by Minute (Reece Bibby)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt