Kapitel 27

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Claire war ziemlich angespannt, als sie Paddys Auto jetzt durch die Nacht fuhr und trommelte nervös mit dem Zeigefinger auf dem Lenkrad herum. Viel lieber wäre sie mit ihrem eigenen Auto hier gewesen. Dann hätte sie einfach fahren können und Paddy bei seinen Geschwistern lassen. Seine Sachen hätte sie ihm dann einfach vor die Tür gestellt oder ihm morgen in die Hand gedrückt. Natürlich hätte sie das auch jetzt einfach machen können. Aber sein Angebot war irgendwie verlockend gewesen, nichts zahlen zu müssen und ihr Kopf hatte entschieden. Gut, sie hätte sich auch einfach Paddys Auto ausleihen können und er hätte sich von Joey morgen fahren lassen können. Aber das war alles zu kompliziert. So war es die einfachste Lösung. Und reden mussten sie ja doch irgendwann. Trotzdem hatte Claire keine Ahnung, was sie sagen oder wie sie ein Gespräch beginnen sollte. Ihr Kopf war wie leergefegt, obwohl gleichzeitig tausend Gedanken darin kreisten. Ein seltsames Gefühl.


Paddy schien es ähnlich zu gehen. Auch er schwieg und war so still, dass Claire hin und wieder tatsächlich zum Beifahrersitz herüberschaute, um sicher zu sein, dass er noch da war. Nicht, dass er heimlich mitten auf der Autobahn herausgesprungen war oder irgendetwas anderes Verrücktes gemacht hatte. Nach diesem Tag traute Claire ihm irgendwie alles zu.


Aber Paddy war natürlich noch da. Allerdings schien er tief in Gedanken versunken zu sein. Er hatte sich förmlich in seinem Sitz zusammengekauert und schaute aus dem Fenster in die Dunkelheit. Manchmal knabberte er dabei an seinen Fingernägeln – ein Zeichen seiner Anspannung. Claire fragte sich unwillkürlich, woran er dachte und was gerade in ihm vorgehen mochte. Hatte auch er Angst vor einer Aussprache? Vermutlich. Oder bereute er, überhaupt mit zu ihr zu fahren, weil sie ihn wie Luft behandelte? Und was mochte er da draußen wohl sehen? Welche Bilder liefen gerade vor seinem inneren Auge ab? Die Geschehnisse während seiner Flucht? Oder ging er in Gedanken ein mögliches Gespräch durch – inklusiver sämtlicher Alternativen? Dazu passten seine gelegentlichen leisen Seufzer – das einzige Geräusch neben dem gleichmäßigen Brummen des Motors. Hin und wieder spürte Claire, dass Paddy zu ihr herübersah, wenn sie nicht hinschaute, aber sie erwiderte den Blick nicht, auch wenn es ihr schwer fiel. Sie war nicht sicher, was sie dann in Paddys Augen sehen würde und hatte auch Angst davor. Am Ende hätte sie sich dann nicht mehr aufs Fahren konzentrieren können und einen Unfall gebaut – entweder, weil sie sich über das was sie sah zu Tode erschreckte oder weil sie Paddy einfach um den Hals fiel, weil er ihr so leid tat. Beides keine gute Alternative, also starrte Claire weiter konzentriert durch die Windschutzscheibe auf die Straße und versuchte nicht weiter darüber nachzudenken.



Irgendwann schaltete Claire leise das Radio ein, um das Schweigen zu übertönen, dass irgendwie immer lauter zu werden schien. Ausgerechnet in diesem Augenblick flehte Bruce Springsteen eindringlich, dass seine Liebste auf ihn warten sollte, wenn er zurückblieb und versprach auf sie zu warten, sollte es umgekehrt sein. Claire verzog kurz das Gesicht, als der Refrain von 'If I should fall behind' vom Boss ertönte und unterdrückte ein Schnauben. Wie passend. Sollte das ein Zeichen sein? Der Text passte ziemlich gut auf die jetzige Situation. Hatte Paddy irgendeinen geheimen Pakt mit dem Radiosender geschlossen? Wollte er sie so von sich überzeugen? Claire musste bei dem Gedanken ein wenig grinsen. Wohl kaum. Auch wenn es wirklich perfekt passte.

Nach dem Lied schaltete Claire schließlich das Radio aus und atmete tief durch. „Also?", fragte sie dann. „Was ist passiert?"


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