Kapitel 13

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Sekundenlang konnte Claire Paddy nur anstarren und begriff überhaupt nicht, was er da gerade zu ihr sagte. Nur ganz langsam sickerte die Bedeutung seiner Worte in ihr Bewusstsein. Er schickte sie weg – knallhart und endgültig. Diese Erkenntnis traf Claire mit der Wucht eines Faustschlags in die Magengrube. Warum tat er das? Was war passiert, dass er so reagierte? Lag es an ihr? Oder hatte Patricia irgendetwas zu ihm gesagt?

Claire war vollkommen verwirrt und hatte keine Ahnung, was sie jetzt tun sollte. Sollte sie gehen und Paddy einfach seinem Schicksal überlassen? Immerhin war das sein Wunsch, den er deutlich geäußert hatte und den sie eigentlich respektieren musste. Seine Wortwahl war da ziemlich klar gewesen. Und eigentlich hatte sie es auch nicht nötig zu betteln. Wer ihre Hilfe nicht brauchte, der hatte eben schon. Aber andererseits war Paddy nicht wirklich er selbst. Er schien sturzbetrunken zu sein und konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Konnte sie seine Aussagen in diesem Fall überhaupt ernst nehmen? Oder war es nur ein Gebrabbel, das er morgen bereute, wenn er wieder nüchtern war – genau wie den Kater, den er sicher haben würde? Durfte sie überhaupt einfach gehen und ihn einfach sich selbst überlassen? War das nicht fahrlässig? Im Augenblick machte Paddy nämlich nicht unbedingt den Eindruck, wirklich zurechnungsfähig zu sein. Es war unmöglich zu sagen, was jetzt das Richtige war.


„Paddy, ich...", begann Claire etwas hilflos und hob dann die Salatschüssel hoch. „Ich habe Salat..."


„Put your fucking salad wherever you want to", unterbrach Paddy Claire ruppig. „I said Leave me alone. So go home. And don't talk to me anymore. Clear enough?"


Bevor Claire noch irgendetwas sagen oder auch nur irgendwie reagieren konnte, drehte sich Paddy um und knallte die Tür des Wohnwagens hinter sich zu. Kurz darauf war auch wieder das Klicken des Schlüssels in der Tür zu hören. Er hatte also wieder hinter sich abgeschlossen.

Claire hatte keine Ahnung, was sie jetzt fühlen oder denken sollte. Sie war wütend und enttäuscht. Paddy ließ sie hier draußen stehen wie ein dummes Kind und gab ihr nicht mal die Chance, mit ihm zu reden. Er war komplett in sich selbst gefangen und schien nichts um sich herum wahrzunehmen. Claire wusste, dass er nicht wirklich etwas dafür konnte. Er war krank und dachte nicht darüber nach, was andere Menschen fühlten oder ob er sie mit seinem Verhalten verletzte. Trotzdem war Claire enttäuscht. Nach den letzten Tagen – und vor allem heute Morgen – hatte sie doch weitaus mehr von Paddy erwartet. Wenigstens aber, dass er ihr eine Chance gab, an ihn heranzukommen.


„Dann mach doch verdammt noch mal was du willst!", schrie Claire jetzt der geschlossenen Tür entgegen. „Das machst du ja sowieso! Ertrink in deinem Selbstmitleid und dem Scheiß – Alkohol! Es ist mir egal!"


Das war es ganz und gar nicht, aber Claire fühlte sich absolut hilflos und diese Hilflosigkeit machte sie wütend. Es war entsetzlich, einen Menschen leiden zu sehen und nichts unternehmen zu können, weil die Person jede helfende Hand von sich wegstieß – so wie Paddy. Aber sie konnte einfach nichts für ihn tun. Wut war das einzige Ventil, was sie gerade hatte, um mit ihrer Hilflosigkeit irgendwie klar zu kommen. Dabei konnte sie nicht einmal genau sagen, auf wen sie wütend war. Auf Patricia, die ihrem Bruder sonst was gesagt hatte? Auf Paddy, der einfach nicht sah, dass sie es gut mit ihm meinte und für ihn da sein wollte? Oder auf sich selbst, weil sie sich so unzulänglich fühlte? Vermutlich war es eine Mischung.

Zum zweiten Mal heute liefen Claire dicke Tränen die Wangen hinunter. Sie wollte einfach nur aus diesem Albtraum erwachen. Nach einem letzten Blick auf die verschlossene Tür wandte sich Claire langsam ab und trottete nach Hause. Etwas anderes blieb ihr wohl nicht übrig. Insgeheim hatte sie gehofft, dass Paddy es sich doch noch anders überlegte und absichtlich noch gewartet, ob sich die Tür öffnete. Aber nichts war passiert.

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