Kapitel 16

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Während der Rückfahrt wischte sich Claire immer wieder Tränen aus dem Gesicht. Sie war noch nie besonders gut darin gewesen, sich zu verabschieden – und dieser Abschied war besonders hart gewesen. Vielleicht auch, weil sie nicht wusste, wann sie Paddy und Gordon wiedersehen würde. In der Arbeit würde sie ziemlich eingespannt sein und ob sie am Wochenende wieder hierher fahren konnte, wusste sie noch nicht. Der Geburtstag ihrer Oma lag an, inklusive goldener Hochzeit. Ihre Eltern und Großeltern hätten vermutlich verstanden, wenn sie diese Familienfeier geschwänzt hätte, aber der Rest ihrer Familie wäre wohl ziemlich verschnupft darüber gewesen – vor allem ihre Tante, Lauras Mutter, die sehr viel Wert auf diese Feiern legte. Sie hatte das Fest auch organisiert. Claire mochte diese Familienfeste nicht besonders, an denen alle ziemlich steif herumsaßen, sich an ihren Gläser festhielten, viel zu viel aßen und verkrampften Smalltalk hielten. Mit den meisten Familienmitgliedern verstand sich Claire zwar ziemlich gut, aber trotzdem fühlte sie sich jedes Mal unwohl. Viele ihrer Familienmitglieder waren recht erfolgreich in ihren Berufen und prahlten gern damit – oder jammerten, was für ein hartes Leben sie doch hatten. Claire und ihre Eltern waren immer schon ein wenig die Exoten gewesen, weil sie ein sehr bodenständiges Leben führten. Für Nico waren diese Feiern immer perfekt gewesen und er hatte jedes Mal im Mittelpunkt gestanden. Aber vielleicht konnte sie sich ja irgendwie früher wegschleichen und wenigstens den Sonntag auf dem Campingplatz verbringen.


Claire seufzte und drehte das Radio lauter, obwohl sie die Musik gar nicht wirklich mochte, die gerade gespielt wurde. Irgendwelche schrecklichen elektronischen Klänge erfüllten das Innere des Autos und Bässe ließen die Fenster dröhnen, während eine seltsam verzerrte Frauenstimme einen immer gleichen Text sang. Aber Claire war froh über jede Ablenkung. Noch immer sah sie Paddys Augen vor sich, die sie unendlich traurig anschauten und spürte seine feste Umarmung. Er hatte sie nicht gehen lassen wollen und sich förmlich an ihr festgeklammert. Beide hatten sie ein wenig geweint und sich noch einmal geküsst – ein ziemlich feuchter Kuss. Das Schlimmste an ihrem Abschied von Paddy war für Claire, dass sie nicht wusste, wie er allein zurecht kommen würde und sie ihn nicht einmal anrufen konnte, um wenigstens seine Stimme zu hören, bevor sie schlafen ging. Ein Handy besaß er nämlich nicht, weil er nicht ständig erreichbar sein wollte. Das hatte er aus dem Kloster übernommen – und erwies sich jetzt als großer Nachteil. Auch Claires Handy hatte er nicht nehmen wollen, weil er fürchtete, dann ständig Anrufe und Nachrichten ihrer Freunde zu erhalten. Claire nahm sich vor, so bald es ging, ein neues Handy für Paddy zu kaufen, von dem nur sie die Nummer besaß. Es musste ja nichts Besonderes sein – Hauptsache er war erreichbar und sie wusste, dass es ihm und Gordon gut ging.

Auch Gordon hatte den Abschied nicht gerade leicht gemacht. Der Vierbeiner hatte nicht verstanden, warum sein Frauchen ihn nicht mitnahm und hatte immer wieder versucht ins Auto zu springen. Dabei hatte er herzerweichend gejault und Paddy hatte ihn nur mit Mühe festhalten können. Erst als Claire sich vor ihn hingekniet hatte und ihm erklärt hatte, dass er jetzt auf Paddy aufpassen musste, hatte sich Gordon beruhigt. Er hatte die Ohren gespitzt, leise gewufft und dann Claire durchs Gesicht geschleckt. Claire nahm das als Bestätigung und hoffte einfach, dass die beiden miteinander auskommen würden. Immerhin mochten sie sich und Paddy war sehr tierlieb. Das war schon mal sehr beruhigend.





Die Fahrt schien eine Ewigkeit zu dauern. Claire vermisste Gordons Jaulen, während sie irgendwelche Lieder mitsang und sein leises Schnaufen während der Fahrt. Es war ungewohnt, so allein im Auto zu sein. Aber sie tröstete sich damit, dass Gordon in guten Händen war und sie ihn hoffentlich bald wiedersehen würde. Außerdem konnte ihn Paddy gerade wohl mehr gebrauchen als sie. Trotzdem war es alles andere als leicht und Claire nahm sich vor, ihren anderen Plan sobald wie möglich in die Tat umzusetzen.

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