Kapitel 14

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Claire hatte tatsächlich gedacht, dass sie nichts mehr überraschen konnte, aber als sie Paddy sah, war sie erschrocken und auch entsetzt. Er sah tatsächlich noch erbärmlicher aus, als sie ihn je zuvor gesehen hatte. Seine Haare waren nicht nur vollkommen zerwühlt, sondern sahen auch noch aus, als wären sie seit Tagen weder gekämmt noch gewaschen worden. Auch rasiert hatte er sich nicht und ein Drei –Tage – Bart zierte sein Gesicht. Über seiner Oberlippe glänzte ein leichter Schweißfilm. Seine Haut wirkte wächsern und seine leeren Augen waren blutunterlaufen, als hätte er seit Tagen nicht geschlafen. Die tiefen Ringe unter ihnen verstärkten diesen Eindruck noch. Auch seine Kleidung hatte er anscheinend seit Tagen nicht gewechselt und überall waren Flecken zu sehen. Er stank nach Schweiß und jede Pore seines Körpers schien Alkohol auszudünsten.

Claire verschlug es fast den Atem und ihr wurde ein wenig übel. Aber schlimmer war für sie zu sehen, in welchem Zustand Paddy war. Trotz allem fiel es ihr schwer, die Tränen zurückzuhalten.


„What?", knurrte Paddy, als er Claire erkannte und kniff die Augen zusammen. „Are you deaf or something?"


„Dir auch einen guten Morgen", gab Claire zurück. „Ich freue mich auch, dich wiederzusehen. Und Nein. Ich höre eigentlich sehr gut. Zumindest das, was ich hören will."


Paddy schien von Claires Reaktion ein wenig erstaunt zu sein, aber er fing sich schnell wieder und verdrehte die Augen. „Also? Was willst du?"


Claire zwang sich, nicht zu tief zu atmen, obwohl sie sich gerade sehr beherrschen musste, nicht aus der Haut zu fahren. Paddy wollte also immer noch die sture Schiene fahren. Gut. Wenn er meinte...


„Tja. Eigentlich wollte ich dir nur sagen, dass es Gordon wieder gut geht", erklärte Claire kühl. „Aber ich schätze, das interessiert dich nicht."


Claire hoffte, dass wenigstens die Erwähnung des Vierbeiners etwas in Paddy bewirkte, wenn sie selbst es schon nicht konnte. Und tatsächlich wirkte Gordons Name wie eine Art Zauberschlüssel. Kaum hatte sie ihn ausgesprochen, da wurden Paddys Gesichtszüge weicher und seine Augen verloren ihren feindseligen Ausdruck.


„Es geht ihm besser?", erkundigte sich Paddy und brachte sogar ein leichtes Lächeln zustande. „That's great to hear."


„Die Tierarztpraxis hat eben angerufen und gesagt, dass er nach Hause darf", gab Claire Auskunft und sah Paddy an. „Vielleicht möchtest du ja mitkommen, um ihn abzuholen."


Claire wusste selber nicht, warum sie das gerade sagte. Eigentlich hatte Paddy ihre Freundlichkeit überhaupt nicht verdient. Er hatte sie verletzt und sein Auftritt eben war auch alles andere als nett gewesen. Aber er sah so verletzlich und verloren aus, dass sie nicht anders konnte, als ihm zu verzeihen. Außerdem würden Vorwürfe in seinem Fall wohl nicht wirklich etwas bewirken – außer, dass sie noch mehr den Zugang zu ihm verlor. Gerade schien es, als würde er doch wieder einen Schritt auf sie zu machen – und diese Chance wollte sie nicht kaputt machen. Vielleicht war das ihre einzige und letzte Gelegenheit. Außerdem war es schön zu sehen, dass Gordons Name wieder etwas Leben in Paddys Augen brachte.


„Gern", nickte Paddy jetzt. „Wenn ich darf?"


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