Kapitel 33

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Claire hatte das Gefühl, als hätte ihr jemand einen riesigen Eimer Eiswasser übergeschüttet. Ihr ganzer Körper fühlte sich taub an und in ihrem Kopf herrschte gähnende Leere. Kein einziger Gedanke war mehr darin. Gerade eben hatte sie noch entspannt mit Paddy gesprochen und sich auf das bevorstehende Wochenende gefreut. Und jetzt... Jetzt schien ihre ganze Welt in Trümmern zu liegen – unrettbar zerstört. Ihr Vater, ihr großer starker Held, war schwer krank und würde vielleicht sogar sterben. Das durfte nicht sein.

Claire wollte schreien, weinen – alles gleichzeitig. So verzweifelt war sie wohl noch nie gewesen. Am liebsten hätte sie sich irgendwo versteckt und eine Decke über den Kopf gezogen – wie als Kind. Und wenn sie irgendwann ihr Versteck verließ, war alles wieder gut. Aber so einfach war es leider nicht. Seit sie klein war, hatte sie ihren Vater für unsterblich gehalten – wie wohl jedes Kind. Ihre Eltern würden immer für sie da sein. Erst als ihr Vater den ersten Schlaganfall gehabt hatte, hatte sie ein wenig von seiner Endlichkeit gespürt. Aber er hatte es geschafft und sie hatte es einfach wieder verdrängt. Es ging ihm wieder gut. Bis jetzt...

Aber sie durfte jetzt nicht verzweifeln. Irgendwie musste sie kühlen Kopf bewahren. Ihre Mutter brauchte sie jetzt. Sie war ihre größte Stütze. Später, wenn sie allein war – dann durfte sie zusammenbrechen und weinen. Aber nicht jetzt. Und noch gab es Hoffnung. Ihr Vater war ein Kämpfer. Er würde auch das schaffen. Das musste er einfach.


Claire atmete tief durch und versuchte so ruhig wie möglich zu klingen. „Ich komme so schnell es geht", versicherte sie. „Gib Papa einen Kuss von mir und sag ihm, es wird alles gut. Er soll durchhalten."


„Das mache ich", versprach Claires Mutter dumpf. „Er kann uns schließlich nicht einfach so alleine lassen, oder?" Sie schluchzte erneut. „Bitte beeil dich. Ich habe keine Ahnung, wie lange..."


„Daran darfst du nicht mal denken", tadelte Claire ihre Mutter. „Er wird wieder gesund. Papa ist ein Kämpfer." Sie machte eine kurze Pause. „Bis später. Ich mache so schnell ich kann."


Claires Mutter dankte ihrer Tochter und legte dann auf. Claire atmete tief durch und versuchte ihr Zittern  irgendwie unter Kontrolle zu bekommen. Es war schwer, ihre Mutter so verzweifelt zu hören und ihr nicht wirklich helfen zu können. Aber sie mussten jetzt einfach an ihren Ehemann und Vater glauben. Das war wohl das Einzige, was sie im Augenblick für ihn tun konnten. Er musste wissen, dass er nicht alleine war.

Nachdem sie aufgelegte hatte, ließ sich Claire langsam auf ihre Knie sinken und schlang die Arme um ihren Körper. Plötzlich fühlte sie sich entsetzlich allein. Auch wenn sie an ihren Vater glaubte, war sie plötzlich vollkommen hilflos und wieder ein kleines Mädchen. Sie sehnte sich nach einer Schulter, an der sie sich anlehnen konnte und nach jemandem, der ihr versicherte, dass alles wieder gut würde. Nur zu gern hätte sie jetzt an Gott geglaubt und ihn um Hilfe gebeten. Sie war wieder ein kleines, schutzloses Kind. Und sie hasste sich dafür, dass ihr Bauchgefühl wieder einmal recht gehabt hatte. Sie hatte schon beim Klingeln des Telefons gespürt, dass etwas nicht in Ordnung war.


Claire schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte. Gordon kam angelaufen und stupste sein Frauchen liebevoll an, als er sie weinen sah. Claire lächelte unter Tränen und vergrub dann ihr Gesicht im weichen Fell des Vierbeiners, der geduldig still hielt. Er schien die Verzweiflung seines Frauchens zu spüren und winselte leise, als würde er mitweinen. Claire klammerte sich förmlich am Hals des geduldigen Tieres fest und ließ ihren Tränen freien Lauf. Es tat einfach wahnsinnig gut, dass Gordon bei ihr war und sie die Wärme seines Körpers spüren konnte. Ohne ihren pelzigen Begleiter wäre sie vermutlich vollkommen durchgedreht.

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