Kapitel 20

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Am nächsten Tag hatte ich zusammen mit dem Rest des Rollerteams Training.

Gerade waren Ramiro, Jim, Luna und Matteo am skaten. Simon und ich durften schon früher aufhören, da wir laut Juliana alles richtig gemacht hatten.

Anders lief es bei Matteo. Der sonst eigentlich so gute Skater war heute eine wandelnde Katastrophe.

Ständig vergass er Schritte, verpasste seine Einsätze und starrte ständig nur zu Luna. Anscheinend kreisten seine Gedanken gerade eher um die brünette Mexikanerin, als um die Choreografie.

"So wird das doch nie was. Er muss sich endlich mal konzentrieren." entfuhr es Simon leise. Ich seufzte.

"Lass ihn, er ist halt verliebt." erklärte ich ihm und blickte dabei zu dem grinsenden Italiener. Er liebte Luna, das musste auch ich mir so langsam eingestehen.

Ich klammerte mich immer an die Vorstellung, dass er Luna nur ausnutzte. Jedoch sagten seine Augen etwas anderes und so fest es auch schmerzte, musste ich diese Tatsache endlich akzeptieren.

"Hat er als ihr zusammen wart auch immer so gestrahlt?" fragte der Mexikaner wie aus dem Nichts. Überrascht und ein wenig verletzt schaute ich ihm in die braunen Augen.

"Es tut mir leid. Die Frage war dumm." sagte er schnell, jedoch schüttelte ich den Kopf.

"Ist schon gut, Simon. Weißt du, dass was Matteo mit Luna hat, ist etwas echtes. Hingegen war die Beziehung die Matteo und ich führten einfach nur eine riesige Show. Er war beliebt, ich war beliebt, wir gaben das perfekte Paar ab. Es war eher etwas um unsere Beliebtheit noch größer zu machen." erklärte ich ruhig. Unsere Beziehung war ein riesiger Witz.

"Jedoch hast du plötzlich mehr gefühlt." murmelte Simon und blickte dabei auf seine Hände. Ich atmete schwer aus.

"Können wir bitte das Thema wechseln?" bat ich den Jungen. Ich sprach nicht gerne über Matteo. Auch wenn ich größtenteils über ihn hinweg war, schmerzte das alles immer noch.

"Er ist ein echter Idiot. Er weiß nicht, was er mit dir verloren hat". Simons Stimme hatte etwas ernstes an sich, jedoch schüttelte ich den Kopf.

"Vielleicht hat er mich verloren, okay. Jedoch hat er damit Luna gewonnen. Die schöne, liebe Luna. Gib doch zu, du wärst gern an seiner Stelle. Du hättest mir genauso das Herz gebrochen, wenn du dafür Luna deine Freundin nennen könntest." sagte ich mit bitterer, weinerlicher Stimme.

Matteo liebte Luna und Simon liebte Luna auch. Matteo machte mit mir Schluss und Simon würde gar nicht erst mit mir zusammen kommen, nur wegen der kleinen, süssen Lieferfee. Die Hauptrolle in dem Leben so vieler.

Es war so gemein. Was hatte sie, was ich nicht hatte? Warum hatte Matteo sie mir vorgezogen?

"Ich war ihm einfach nicht gut genug." stellte ich fest und schaute dabei zu dem Italiener. Er war meine erste grosse Liebe. Doch ich war für ihn nur ein Spiel.

Die Königin der Bahn, das war alles was er in mir sah.

Als ich anfing Gefühle für ihn zu entwickeln, hatte ich die Hoffnung, dass er mich verändern würde. Ich hatte gehofft, dass er merkte wie traurig ich doch eigentlich war. Ich wollte, dass er mein wahres ich sieht, dass er für mich da ist.

Ich hatte gehofft, dass er mir zeigen würde, dass die Welt doch nicht so ein böser Ort war.

Ich war so naiv. Ich dachte, dass sich nur wegen der Liebe alles verändern könnte. Dass mein gesamtes Leben plötzlich schön sein könnte, nur weil ich einen Freund hatte.

Ich wollte doch nur einmal geliebt werden. Wirklich geliebt werden.

"Ich fühl nichts mehr für Luna. Sie hat mir deutlich klar gemacht, dass ich keine Chance bei ihr habe." kam von dem attraktiven Mexikaner.

"Ja, sie hat vor deinen Augen mit Matteo rumgemacht. Deutlicher kanns echt nicht sein." erinnerte ich mich an jenen Tag.

"Das war schon ziemlich asozial von ihr, findest du nicht? Immerhin wusste sie über deine Gefühle genau bescheid." fragte ich ihn und blickte ihn dabei bedauernd an.

Ich meinte es nicht mal böse. Ich wollte nur wissen, ob es ihn damals genau so verletzt hatte, wie es mich verletzt hatte. Ob er genau so litt und ob auch er seine Tränen unterdrücken musste.

"Sie hat das nicht so gemeint. Luna ist manchmal echt tollpatschig. Sie wollte mir nichts böses und hat sich auch bei mir entschuldigt. Sie liebt ihn nunmal, Thema abgehakt". Er zuckte mit den Schultern.

"Mindestens hat sich eine entschuldigt." gab ich nachdenklich und auch ziemlich traurig von mir.

Luna war kein schlechter Mensch, das wusste ich. Ich mochte sie nicht, keine Frage, aber trotzdem war sie kein schlechter Mensch.

"Warum hasst du Luna eigentlich so?" fragte Simon und kurz hatte ich das Gefühl, als könnte er meine Gedanken lesen.

"Glaub mir, ich hab genug Gründe sie nicht zu mögen. Als sie noch in Cancun war, war alles noch gut." sagte ich kalt.

Gut. War wirklich alles gut? Matteo hatte mich auch damals schon nicht geliebt. Meiner Tante und meinen Eltern war ich damals schon egal.

Ich war damals schon alleine, nur war es dort noch nicht so offensichtlich. Matteo war mein Freund, von allen wurde ich vergöttert und ich lebte in meiner eigenen kleinen Scheinwelt.

Ich hatte gedacht, dass wenn schon zuhause alles kaputt war, es wenigstens in der Schule Leute gab, die mich liebten.

Doch in dem Moment, wo Matteo gegangen war, zerbrach meine Scheinwelt. Ich musste der Wahrheit ins Auge sehen.

Ich musste akzeptieren, dass die Leute, die vorgaben mich zu mögen, mich nur mochten weil ich Geld hatte und weil meine Tante in dieser Welt ein einflussreicher Mensch war.

Leute, die mich jeden Tag anlächelten, lästerten hinter verschlossenen Türen über mich. Ich bekam fiese Spitznamen, die zwar niemand wagte mir gegenüber auszusprechen, aber trotzdem ihren Weg zu mir fanden.

Eigentlich war so ungefähr die gesamte Schule gegen mich, auch wenn es niemand so richtig zugab.

Nur wenn sie etwas brauchten kamen sie angekrochen. Mit ihren Kulleraugen schauten sie mich an und schmierten mir Honig ums Maul.

Selbst Delfi, die doch eigentlich meine Freundin war, lästerte mit anderen über mich. Selbst sie hatte mit der Zeit angefangen mich zu hassen.

Simon stand zu mir, genauso wie Jazmin. Doch wie lange würden diese Freundschaften noch halten?

Ich machte immer alles kaputt, also warum sollte ich nicht noch meine letzten zwei Hoffnungsträger zerstören?

Ich war einfach Beziehungsunfähig. Wie sollte es bitte auch anders sein?

Nie hatte mir jemand beigebracht, wie man jemanden liebte. Ich wurde immer so erzogen, dass Macht über zwischenmenschlichem stand.

"Ambar, Luna hat dir nichts getan. Matteo war das Arschloch, das dich betrogen und verletzt hat." holte mich Simon aus meinen Gedanken.

"Kann schon sein, aber sie hat da mit gemacht." erwiderte ich. Der schwarzhaarige Junge wollte gerade etwas entgegenen, als Juliana uns zu sich holte.

Schnell stand ich auf und fuhr in die Mitte der Bahn.

Einsamkeit zerstört I  SimbarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt