8. Die Dunkelkammer

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Etwa eine Stunde nachdem ich die Mail mit der Adresse abgeschickt hatte, erreichte mich eine Antwort:

Hey Emma,

der nächste Flug nach Seoul ist ausgebucht. Wir kommen frühestens in fünf Tagen, um dich abzuholen. Aber mach dir keinen Kopf, wir kommen auf jeden Fall! Zu Fuß, wenn's sein muss!

Als Antwort schrieb ich, dass sie sich nicht die Mühe machen müssten zu Fuß zu kommen, da es mir gut ginge und, dass sie zu Fuß nicht weit kommen würden. Spätestens an der Grenze zu Nordkorea würde es Probleme geben.

Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich war mit dem Zug nach Südkorea gefahren. Ich war DURCH Nordkorea durchgefahren. Es sei denn irgendjemand hatte mit dem Zug die Nordkoreanische Grenze umschifft oder man hatte den Zug in ein Flugzeug gequetscht - was eher unwahrscheinlich war.

Der Gedanke, Nordkorea durchquert zu haben, ließ mich erschaudern. Doch, war das überhaupt möglich?

So langsam kam ich ins Grübeln. Wie lange hatte ich geschlafen? Und wie tief musste ich geschlafen haben, um nicht mitzubekommen, dass ich ausgeraubt wurde? Wenn ich das nicht mitbekommen hatte, was hatte ich dann wohl noch alles verpasst?

Durch ein Räuspern wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Taehyung stand im Türrahmen und sah mich dezent belustigt an. Bei ihm hatte 'dezent' allerdings ein ganz anderes Ausmaß. Er war so dezent belustigt, dass ich sein Grinsen auch ohne Brille sehen und ihn selbst erkennen konnte, denn niemand grinste wie er. 

Ich saß noch immer in Namjoons Zimmer am Schreibtisch. Vor mir auf dem aufgeklappten Laptop-Bildschirm war noch immer die E-Mail zusehen, die schon so gut wie fertig war. Wobei sich der Bildschirm allmählich leicht verdunkelte, um anzukündigen, dass er bald in den Stand-by-Modus wechseln würde.

"Was gibt's?", fragte ich, noch immer halb abwesend.

"Ich wollte dich fragen, ob du mit mir vielleicht die Stadt besichtigen willst."

"Kann man es 'besichtigen' nennen, wenn ich sie nicht mal richtig sehen kann?" Ich zog eine Augenbraue hoch und wandte mich wieder dem Laptop zu, dessen Bildschirm inzwischen schwarz geworden war. Zum Glück hatte Namjoon seinen Code vorübergehend abgestellt.

"Ich muss sowieso noch was besorgen. Namjoon hat gestern vergessen es mitzubringen." Ich tippte die Mail fertig.

"Wenn du mir sagst, wie man die E-Mail abschickt, komme ich vielleicht mit." Er trat ganz nah heran, beugte sich ein wenig vor und klickte mit der Maus auf ein Feld mit koreanischen Schriftzeichen.

"Fertig. Kommst du?" Ich legte mir Daumen und Zeigefinger ans Kinn und setzte eine grüblerische Miene auf.

"Na gut. Hab eh nichts besseres zutun." Ich erhob mich vom drehbaren Schreibtischstuhl und ging aus dem Zimmer, gefolgt von Taehyung, der noch die Zimmertür hinter sich zuzog. An der Treppe blieb ich für einen Moment stehen, damit er mich einholen konnte. "Was ist es eigentlich, das du besorgen musst?", fragte ich während wir die Treppe hinab stiegen.

"Das wirst du schon sehen." Wir verließen das Haus (ich hatte meine Haare so gut es ging mit meinen Fingern gekämmt und hatte meine alten Klamotten wieder angezogen und er trug eine Mütze und eine Sonnenbrille) und schließlich die Gasse. Ich folgte Taehyung einfach, ohne die geringste Ahnung wo er mich hinführte. Vielleicht hatte er vor Waffen zu kaufen, um gegen Nordkorea aufzurüsten. Oder Spraydosen, um die Nachbarschaft mit 'BTS'-Graffitis voll zu sprühen (was vermutlich niemanden interessieren würde, da dort ja niemand wohnte, was auch durch die zahlreichen anderen Graffitis deutlich wurde, die die Wände der verlassen Wohnhäuser zierten). Oder Limonade, um... das UFO zu betanken, mit dem Taehyung auf die Erde gekommen war. Denn UFOs werden mit Limonade betrieben, liebe Kinderchen.

When the life is kidding you... ||BTS ff||Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt