13. Überraschung 2.0

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Ich hatte tatsächlich mit jeder Art von Reaktion gerechnet - runtergeklappte Kinnlade, aufgerissene Augen, hysterisches Aufkreischen, hyperaktives auf und ab Hüpfen (ich hatte mich sogar darauf vorbereitet, sie irgendwo festzubinden, um sie von den Idols fernzuhalten) -, doch das war nicht im Ansatz die Reaktion, die tatsächlich auf mich wartete. Sie standen einfach nur lächelnd da und winkten ihnen zu und ich stand völlig perplex daneben.

"Excuse us for a second!", sagte ich lächelnd und zog die beiden in den Flur zurück, bevor ich die Tür schloss. "Wieso seid ihr so entspannt? Das ist BTS!"

"Wir dachten uns das schon", sagte Anna und grinste breit. Insgeheim war sie schon irgendwie aufgeregt. Das sah man ihr an.

"Aber woher?"

"Wegen der E-Mail-Adresse", erklärte Johanna. "Kugelsichere Pfadfinder ist nicht gerade unauffällig. Hätte auch sein können, dass es nur irgendein Fan ist, aber immerhin kam die E-Mail aus Korea! Wir haben uns dann einfach mental darauf vorbereitet und den Ernstfall geprobt."

"Aber die Mail-Adresse war doch aus Schriftzeichen zusammen gesetzt!"

"Ähm, Koreanisch-Schüler. Schon vergessen?", frischte Anna mein Gedächtnis auf und tippte sich an die Stirn. Ich starrte sie an. 

"Ohhhh!" Meine verspätete Reaktion war wohl so witzig, dass sie darüber lachen mussten. "Hey, ihr wisst doch, wie vergesslich ich bin. Darüber muss man sich doch nicht lustig machen", meinte ich schmollend und verschränkte meine Arme.

"Können wir jetzt bitte reingehen? Der Koffer ist schwer", beschwerte sich Anna.

"Du musst ihn doch nur rollen." Johanna sah sie zugleich misstrauisch, wissend und belustigt an.

"Ich möchte mit Kookie reden, zufrieden?" Anna war also doch etwas nervös. Ich hatte es gewusst! Widerwillig ließ ich die Beiden auf die Idols los, ließ sie jedoch nicht aus den Augen. Immerhin hatte ich vor den Koreanern in den höchsten Tönen von ihnen gesprochen und ich wollte sie ja nicht ihren eigenen Ruf ruinieren lassen. Es war nur zu ihrem Besten. Außerdem wollte ich ja nicht als unglaubwürdig dastehen. Sie blieben jedoch brav im Wohn-Küchen-Esszimmer stehen und warteten auf irgendetwas, mir war allerdings nicht geläufig, worauf.

Ein Räuspern.

"Emma, willst du uns nicht vorstellen?", fragte Johanna pikiert.

"Wie unhöflich von mir!", bemerkte ich mit gespieltem Entsetzen. "So guys, this is Anna" Ich deutete auf die kleine Asiatin. "and this is Johanna." Ich deutete auf die große Dunkelblonde. "Well, I think you already know them", sagte ich dann an meine beiden Freundinnen gerichtet.

"Of course!", antwortete daraufhin Anna etwas übereifrig und verbeugte sich dann ein wenig stürmisch auf die höfliche traditionale Art zur Begrüßung. Die Koreaner taten es ihr gleich und wirkten dabei äußerst amüsiert. Yes! Endlich war ich nicht mehr das kleine unbeholfene Etwas aus Deutschland. Jetzt hatte Anna diesen Titel übernommen und sie trug ihn mit Würde.

Ab da ging der Teil los, an dem ich mich dezent ausgeschlossen fühlte. Mir hätte klar sein müssen, dass Anna und Johanna ihre Koreanisch-Kenntnisse unter Beweis stellen wollten, wenn sie schon die Möglichkeit dazu hatten. Sie unterhielten sich anscheinend über ein sehr interessantes Thema, da ich immer wieder ein "Oh" oder ein "jinja" raushörte. In solch einer Situation griff ich gerne auf eine der Lektionen meiner Mutter zurück: Nicken und lächeln ist das A und O. Wahrlich weise Worte. Gut gesprochen Mama-Sensei. 

Irgendwann wurde mir das zu langweilig und ich fragte Namjoon, wo wir heute Nacht schlafen sollten. Er fragte seine Kumpels - natürlich auf Koreanisch - und sagte mir dann, wir könnten wieder im Wohnzimmer (er sagte zwar Wohnzimmer, doch ich hoffte er zählte das Esszimmer dazu, da wir sonst Probleme mit dem Platz bekommen könnten) schlafen, da er noch eine Matratze übrig hatte. Also stellte ich meinen Koffer neben den Esstisch und die anderen Beiden dazu, während Johanna und Anna sich weiter unterhielten.

Die Zeit verstrich kriechend langsam. Ich setzte mich auf den Tisch, ich legte mich in einen Sessel, ich wühlte im Kühlschrank (wobei ich immer darauf vorbereitet war, auf die Horrorfilm-Hülle zu stoßen), ich saß auf dem Boden...

Schließlich hatte ich die Schnauze voll. Die koreanischen Wörter hingen mir schon zum Hals... Nein... Zu den Ohren raus, was besonders nervig war, da ich sie nicht verstand. Ich rappelte mich also auf und legte mir ein paar Worte für meine folgende Standpauke zurecht. Die würden noch alle ihr Fett weg bekommen! Denen würde ich mal ordentlich die Meinung geigen, was besonders qualvoll werden würde, zumal ich nicht Geige spielen konnte. Ich würde ihnen sagen was Sache ist.

"Hey", rief ich. Alle Blicke lagen mit einem Mal auf mir. Der angesammelte Mut entwich, wie Luft aus einem Luftballon mit Loch - mit einem lauten Furzgeräusch! Ganz toll gemacht, jetzt halten sie dich für komplett bescheuert. Anna und Johanna kannten mich bereits und wussten, wie bescheuert ich war. Sie hatten sich bereits daran gewöhnt, dass ich manchmal komische Geräusche von mir gab und dass meine Lache die Ratten verscheuchte (was eigentlich praktisch ist, wenn ich so darüber nachdenke). Soweit ich das beurteilen konnte, kamen sie damit klar, dass ich eine Schraube locker hatte. Sie waren ja auch selbst nicht gerade normal. Wenn wir zusammen U-Bahn fuhren, drehten sich alle nach uns um, aber nicht etwa, weil wir so gutaussehend waren (wobei das nicht ganz auszuschließen ist). Wir waren das Dreamteam, wir harmonierten perfekt miteinander. 

Jedenfalls bereitete ich mich schon innerlich darauf vor auf der Straße zu landen, aufgrund meines unfassbar dummen Beitrags zur Menschheitsgeschichte. Ich war nicht nur eine Schande für alle Deutschen, die das Pünktlichkeits- und Ordnungsklischee aufrecht erhalten wollten, sondern auch für alle Luftballons, da das Geräusch, das ich gemacht hatte, nicht mal im Ansatz nach einem Luftballon klang. Es klang eher wie ein abstürzendes Propellerflugzeug. Zum Glück hatte ich genanntes Geräusch ausschließlich mit meinem Mundwerk ausgeführt, weshalb in dieser Hinsicht keine... Probleme auftreten sollten.

Ich würde von sämtlichen Lebewesen (und Gegenständen) verstoßen werden, die auch nur Augenkontakt mit mir hatten und schließlich würde ich auf den Mond ziehen müssen, in der Hoffnung, dort keiner Art von Lebewesen (und Gegenständen) zu begegnen, die mit mir in Augenkontakt treten könnten. Meine Gefährten wären ein Maulwurf und eine Schnecke, die schließlich an der nicht vorhandenen Luft und der Kälte verrecken würden, da es keine Raumanzüge in Schneckenform gab oder mir davon zumindest noch nie einer erzählt hatte und ich würde für immer (also bis zu meinem Tod) alleine auf dem Mond leben.

Oh Mann, ich schweife schon wieder ab. Jedenfalls überraschte mich ihre Reaktion: Sie lachten! Als sie sich dann wieder eingekriegt hatten, sahen sie noch immer erwartungsvoll zu mir herüber. Ich musste nun irgendwas sagen. Irgendwas, egal was.

"Ähm... Let's go for a walk?" Wieso nicht?

"Why not?", meinte Taehyung daraufhin und zwinkerte mir zu. Konnte er Gedanken lesen?

Also gingen wir, bei bereits bestehender Dunkelheit, durch die Straßen von Seoul. Selbst bei Veränderung des Umfelds änderte sich nichts daran, dass ich nicht in ihre Gespräche mit einbezogen wurde. Inzwischen kam ich ganz gut damit klar, da ich ja auch mal ein paar Minuten überleben würde, ohne die Klappe offen zu haben. Was mich jedoch störte war: Es war dunkel, es war kalt und ich hatte weder Jacke, noch Brille dabei, obwohl meine Freundinnen mir beides aus Deutschland mitgebracht hatten. Schlau, Emma, schlau!

Ich lief sehr weit hinten, weshalb ich nicht allzu verwundert war, dass niemand mein plötzliches Verschwinden bemerkte. Ich meine, ich hatte es noch nicht mal selbst mitbekommen, bis ich im Wasser gelandet war.

When the life is kidding you... ||BTS ff||Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt