Seltsam

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Du stehst da und ich starre dich an.
Und es ist seltsam.
Zum ersten Mal seltsam.
Es ist ähnlich dem ersten Mal, als wir uns sahen, heute.
Auch damals warst du in eine warme Jacke gehüllt, hattest zerzaustes, buntes Haar und standest in der Tür.
Es war nicht seltsam damals.
War es nie.
Ausser heute, jetzt, in diesem Moment.
Du schaust mich an.
Und ich sehe, nur für den Bruchteil einer Sekunde, denselben Ausdruck über dein Gesicht huschen, wie der, der meines prägt.
Was hat uns nur so ruiniert?

Dann, später, lehnst du an der Wand, sprichst mit jemandem, blickst nicht zu mir.
Und doch, ist es seltsam.
Früher starrtest du mich an, bis ich es bemerkte und dir ein zerstreutes Lächeln schenkte.
Es ist seltsam, dass wir uns nichts mehr zu sagen zu haben scheinen.
Wir, die wir immer bis spät in die Nacht hinein sprachen.
Wir, die wir gemeinsam andere niederredeten.
Bis wir uns irgendwann gegenseitig niederredeten.
Wie konnten wir uns nur so ruinieren?

Ich weiß noch, als es anfing.
Da dachte ich es würde vorbei gehen.
Dieses stundenlange Reden und doch nichts sagen und sagten wir dann doch etwas, war es der verzeifelte Versuch die Liebe vor dem Verderben zu bewahren.
Wir redeten uns gegenseitig in den Gedankentreibsand.
Bis wir dort Samen des Hinterfragens sähten.
Will ich das noch?
Will ich dich noch?
Will ich uns noch?

Es war so seltsam als wir aufhörten zu sprechen.
Es war immer noch besser gewesen, zu zweit einsam zu sein, als alleine zu sein.
Es war mir nicht verständlich, wie all das so schief hatte gehen können.
Niemand hatte noch so eine Freude, Liebe, Entspannung, Ekstase, Verzweiflung, Leere und Verwirrung in mir ausgelöst.
Mir all das wegzunehmen und mich als toten Geist zurückzulassen.
Dir all das zu nehmen und dich als leere Hülle fortzuzwingen.
Es erschien mir sinnlos.
Alles tat.

Doch dann sehe ich dich da stehen.
Nach nur so kurzer Zeit.
Wut, Einsamkeit, Verlangen, Hass und Ruhe überkommen mich, hier und jetzt.
Die seltsame Begrüßung, der seltsame Konversationszwang.
Es lässt mich kalt.
Danach ist es als hätte es die Stille nicht gegeben.
Das Knistern, das Gefühl, zwischen uns schreit nach Regeneration.
Aber nur als Freunde.
Ich werde das können, das weiß ich.
Ob ich es wollen werde, das weiß ich nicht.
Aber reicht es mir auch?

Oder ruiniert es mich nur?

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