Fuck

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Es riecht nach gewaschener Wäsche, Erde und holzigem Tabak. Die Jalousien sind zugezogen, aber es ist sowieso dunkel draußen. Zwei verschieden Lichtquellen, eine LED-Lichterkette und eine zarte Stehlampe, tauchen den Raum in ein weiches Licht. Das breite Bett ist nicht gemacht und der kleine Polster liegt unter der zusammengeknüllten Decke, beides ist ganz an die Wand geschoben, wo die voll aufgedrehte Heizung sie wärmt. Auf dem Tisch steht ein halb voller, bläulich schimmernder Aschenbecher, daneben liegen Tabak, Filter, Papes und eine abgegriffene Fernbedienung für den stumm wartenden Fernseher, der gegenüber dem Bett gerade hochfährt. Neben dem Gerät erhebt sich ein simples Regal, das förmlich überquillt vor Kochbüchern, DVDs und leeren Tabakboxen, in denen nun Pflanzen wachsen, abgerundet durch die steinerne Buddha Figur, die von ganz oben über den Raum wacht. Bemerkenswert leise für seine Größe betritt er den Raum, in der einen Hand zwei Tassen frischen Kaffee, in der anderen eine frisch gerollte Zigarette. Er lächelt sie an und schlängelt sich anmutig an Wäscheständer und Couchtisch vorbei, um sich neben sie auf das Bett fallen zu lassen. Sie hebt den Kopf, streicht sich die Haare zurück und nimmt dankbar den Mitternachtskaffee entgegen. Viel gegessen haben sie nicht. Dafür viel geredet. Und viel geraucht. Und viel gefühlt.
Er zündet die Zigarette an und beobachtet bewundernd, wie der Rauch zur Decke steigt und dort vergeht. Man sieht ihm seine Vergangenheit nicht an. Die vielen Drogen und Partys und Frauen und Probleme. Er wirkt wie der durchschnittliche junge Mann. Groß und muskulös und voller Erwartung in die Zukunft lebend. Aber sie weiß es besser. Die beiden kennen sich noch nicht lange. Um genau zu sein, würde man es in einem Zeitraum sagen müssen, kennen sie einander seit 15 Stunden. Und doch sieht sie ihn und er sieht sie.
Beim Kennenlernen schon hat sie gemerkt, dass da mehr war als das präpotente Grinsen und der schneidende Sarkasmus. Eine Stunde waren sie in der Dusche gestanden, dort auf dieser Party, wo sie beide niemanden kannten, ohne zu duschen oder miteinander zu schlafen. Geredet haben sie, bis jemand sie mit Bier übergoss. Sie mochte seine Hosenträger und er ihr T-Shirt mit der bissigen Aufschrift. Sie wollte hinter seine ständig verschlossenen Augen blicken und er an ihren, ihr in die Augen fallenden Haaren vorbei. Bis um 5 in der Früh, nach zig Hallos und Byes, zig Zigaretten und Drinks, hunderten Themen und tausenden Schichten schützenden Smalltalks, redeten sie. Er hätte fast vergessen ihr seine Nummer zu geben, bis sie ihr Handy nicht mehr fand und er es anrufen musste. Damit beschlossen sie den Abend zu beenden und sich auf den Weg in ihr jeweiliges Leben zurück zu machen. Er fuhr alleine mit dem Taxi nach Hause, sie ging zu Fuß.
Die erste Nachricht folgte auf dem Fuße, denn nach nur 3 Stunden Schlaf erhielt er sie schon, da sie nicht schlafen konnte. Es plänkelte hin und her. Dann endlich kam die Einladung.
In seine neue Wohnung. Zum Parkett verlegen. Als er das schrieb, musste sie lachen und kam mit Freuden. Acht Stunden arbeiteten sie, und die einzigen Erfolge, die sie vorweisen konnten, waren zwei Reihen Parkett und sein Mut sie zu sich mitzunehmen.
Da sitzen sie nun, im verrauchten Zimmer, die Gesichter beschienen vom Fernsehbildschirm, aber ihm nicht einmal ansatzweise Beachtung schenkend. Durch den Nahrungsmangel, das Koffein und Nikotin, das Adrenalin vom schnellen Autofahren und das Hochgefühl uneingeschränkt sprechen zu können, fühlen sich beide wie high. Und genau das war das, was sie beide suchten. Jemanden, der einem das Gefühl gibt mehr zu fühlen, als man eigentlich tut. Er, der von seiner Vergangenheit losgekommen ist, in der ihm Substanzen beim Fühlen und Nichtfühlen geholfen haben. Und sie, deren Kopf gleichzeitig überquillt mit Informationen, Fragen, Antworten, Verzweiflung, Liebe und Unverständnis  für alles und jeden und, der völligen Langweile des Alltags, die sie täglich überspült. Sie ergänzen einander so perfekt. Doch sie machen einander so kaputt. So schnell. Sie merkt das. Sie merkt es noch während sie sprechen.

Scheiss drauf. 

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 25, 2018 ⏰

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