Dana
Die Sonne schien sanft auf mein Gesicht. Die Vögel zwitscherten fröhlich vor sich hin und überall blühten Blumen in den prachtvollsten Farben.
Ich stand schon früh auf um die frühen Morgenstunden zu nutzen meine alltäglichen Pflichten zu erfüllen. Nachdem die Tiere, die wir auf unserem Hof lebten, gefüttert, der Stall ausgemistet und das Gemüsebeet von Unkraut befreit war, beschloss ich zum Markt zu gehen um noch einige Einkäufe zu erledigen.
Mittlerweile war der Tag schon weiter fortgeschritten und die grelle Mittagssonne verzog sich hinter einigen Wolken, die sich am Himmel breitmachten.
»Komm schnell wieder, Dana. Es sieht nach Regen aus«, rief mir meine Mutter zu.
Ich küsste sie auf die Wange, bevor ich ging. Seit wir meinen Vater und Bruder beerdigen mussten, war sie ständig furchtbar besorgt um mich. Ich verstand natürlich, dass sie mich bloß beschützen wollte und war ihr auch dankbar dafür, aber ich hatte immerhin noch jemanden, der mich wie ein großer Bruder beschützte. Er würde Hannes zwar niemals ersetzen, doch ich vertraute ihm und ich wusste, dass er stets für mich da sein würde. Sowie an dem Tag, an dem Mutter und ich die beiden begraben mussten. An dem auch er seinen besten Freund verlor und dennoch stark genug war um mich zu trösten, mich zu halten, als ich drohte komplett auseinander zu fallen.
Er war einfach da und anders als die anderen Dorfbewohner gab er mir nicht im Geringsten die Schuld an dem Vorfall. Wobei ich zugeben musste, dass es mir nicht entging, dass er seinen Kindheitsfreund vermisste.
Die Wolken verdunkelten sich sichtlich, allerdings machte ich mir deshalb keine großen Sorgen. Ein wenig Regen hatte mich noch nie gestört.
Leise vor mich hin summend, schlenderte ich ins Dorf. An das unangenehme Starren der Menschen hatte ich mich bisher schon gewöhnt, schließlich empfing mich dieses bei jedem Besuch am Markt seit Hannes nicht mehr da war.
»Hallo, mein Kind. Wie geht es dir?«, begrüßte mich Holly fröhlich.
Ihre leuchtend grünen Augen strahlten förmlich. Offenbar ging es ihrem Mann besser. Seit einiger Zeit litt er nämlich unter einem starken Husten, der an den Kräften des schon in die Jahre gekommenen Mannes zehrte, doch Holly hatte ihn mit all den ihr bekannten Heilkräutern versorgt, die sie fand, und dies hatte wie es schien etwas gebracht, sonst würde sie nun nicht so strahlen. Ich freute mich für sie. Sie hatte meine Mutter und mich stets unterstützt, vor allem im vergangenem Jahr.
Ich lächelte sie an und wies auf sie.
»Mir geht es hervorragend und meinem Freddie Gottseidank auch. Die letzten paar Tage waren wahrlich kein Zuckerschlecken, doch er ist über dem Berg, denke ich.«
Erfreut über die Nachricht, umarmte ich sie, bevor ich ihr den Korb mit den Lebensmittel überreichte. Meine Mutter und ich bedankten uns für ihre Unterstützung in der schweren Zeit, die wir hatten, indem wir der älteren Frau einige Lebensmittel vorbeibrachten, da sie bereitts etwas älter war und öfters vergaß, was sie besorgen musste oder vergaß, dass sie bestimmte Dinge bereits gekauft hatte. Somit halfen wir ihr aus und bedankten uns für alles, was sie für uns getan hatte und immer noch tat.
»Wie geht es deiner Mutter, mein Kind?«
Ich lächelte bloß, doch sie verstand mich. Holly war eine der wenigen Menschen hier im Dorf, die es tatsächlich nicht daran störten, dass ich nicht sprach. Ihr war es nicht wichtig, vor allem, da sie wusste, dass ich nicht grundlos aufgehört hatte zu sprechen.
Plötzlich verdeckte mir etwas die Sicht. Ich war kurz davor wie wild anzufangen zu strampeln und zu schreien, als auf einmal eine nur allzu bekannte Stimme ertönte.
»Wer bin ich?«
Beruhigt atmete ich aus und hob meine freie Hand um seine wegzuschieben.
»Nicht schummeln«, rügte mich die Person.
Ich grummelte leise vor mich hin, bevor ich mich aus seinem Griff befreite.
Ein riesiges Grinsen erschien auf seinen Lippen. »Ich lass es gelten, aber nur, weil du heute so bezaubernd aussiehst.«
Während mein Gesicht rot anlief, beugte sich Edouard hinunter um meine Handfläche mit einem kleinen Kuss zu versehen.
»Es ziemt sich nicht für einen jungen Mann eine Dame dermaßen zu erschrecken«, rügte ihn Holly, als sie mir den schweren Korb aus der Hand nahm.
Edouard richtete sich überrascht auf und sah von der erbosten Holly zu mir. »Habe ich dich wirklich so sehr erschreckt?«, wollte er wissen. Ein Hauch von Schuldbewusstsein schwang in seiner Stimme mit.
Meine Wangen erhitzten sich erneut und ich mied seinen forschenden Blick.
»Das wollte ich nicht, Dana. Bitte verzeih mir.«
Seine ehrlichen braunen Augen blickten reuevoll in meine und ich nickte zögerlich. Ich war nicht wütend auf ihn. Als Hannes noch am Leben war, war es Gang und Gebe, dass wir uns gegenseitig neckten. Er war für mich wie ein Bruder, auch wenn mir bewusst war, dass wir nicht verwandt waren. Was mich aus der Fassung gebracht hatte, war dieser kleine, unschuldige Handkuss, den er mir nebenbei verpasst hatte und der mich verwirrte.
Ich nickte ihm leicht zu um ihn zu beruhigen. Er lächelte mich daraufhin wieder an.
»Dana, mein Kind, würde es dir etwas ausmachen, mir etwas bei meinem Stand auszuhelfen? Du wärst mir eine große Hilfe«, erklang plötzlich Hollys Stimme.
Ich zog überrascht meine Stirn in Falten. Holly brauchte nie Hilfe. Mag sein, dass sie schon älter war und kleinere Gedächntisprobleme hatte, doch nie und nimmer brauchte die Holly, die ich kannte und liebte, Hilfe bei ihrer Arbeit. Ich sollte das wissen, schließlich hatte ich öfter als ich zählen konnte ihr meine Hilfe angeboten. Aber sie blieb eisern und verweigerte jegliche Annahme von Unterstützung. Und jetzt wollte sie plötzlich, dass ich ihr half?
»Brauchst du sie dringend Holly? Ich müsste Dana nämlich etwas sehr Wichtiges fragen«, mischte sich Edouard ein. Er sah Holly flehentlich an.
Was war denn so dringend, dass es nicht warten konnte?
Erbarmungslos starrte Holly ihn nieder. Ihre grünen Augen sprühten vor Wut. Zumindest nahm ich an, dass es Wut war, auch wenn ich nicht verstand, warum Holly wütend sein sollte. Holly wurde nie grundlos wütend. Und wenn es mal passierte, dann nur wenn sie jemanden verteidigte, den sie liebte.
Edouard gab jedoch nicht so schnell auf und bat Holly kurz mit ihm alleine zu sprechen. Ich wartete derweil an Hollys Stand, während die beiden ein wenig weiter weg gingen. Ich sah wie die Patentante meiner Mutter heftig zu diskutieren anfing. Sie warf ihre Hände in die Luft und starrte Edouard an als würde sie ihn nur mit Hilfe ihres Blickes in ein Häufchen Asche verwandeln wollen.
Doch der ehemalige beste Freund meines Bruders blieb ruhig. Er versuchte, soweit ich es erkennen konnte, Holly etwas zu erklären. Holly wiederum wollte davon offenbar nichts hören.
Als mich meine Neugier beinahe zum Platzen gebracht hätte, beendeten die beiden ihr privates Gespräch und kamen wieder zu mir.
Beide zogen ein ernstes Gesicht und starrten einander erbost an.
»Komm, Dana. Gehen wir«, sagte Edouard ohne mich dabei anzusehen und nahm mich an der Hand.
Ich lächelte Holly noch zum Abschied zu, als wir auch schon in der Menge verschwanden. Wir lebten zwar in einem relativ kleinen Dorf, doch war um die Mittagszeit herum stets am Markt etwas los. Auch wenn es nun wegen dem voraussichtlichen Regen nicht ganz so voll war wie üblich.
Als Edouard und ich in der Mitte des großen Marktplatzes, am Brunnen, ankamen, ließ er meine Hand los und drehte sich schwungvoll zu mir um.
Ein riesiges Grinsen zierte seine Lippen. Ich erwiderte es schüchtern, nicht wissend, was ich sonst tun sollte.
Edouard räusperte sich kurz, ehe er ansetzte zu sprechen. »Dana«, fing er an, »du weißt, dass ich immer für dich da war und das werde ich auch weiterhin sein. Von dem ersten Augenblick an hast du mich verzaubert. Falls du es nicht bemerkt hast, empfinde ich sehr viel für dich. Du bist mir unglaublich wichtig. Ehrlich gesagt, liebe ich dich sogar. Und zwar nicht als kleine Schwester. Ich habe schon vor langer Zeit aufgehört dich so zu sehen, falls ich es denn jemals wirklich getan habe.«
Ungläubig sah ich ihn an. Ich war mir nicht sicher, worauf er hinaus wollte. Jedoch konnte ich schon jetzt sagen, dass es mir nicht gefallen würde.
Er kniete sich vor mich hin. Oh nein.
»Ich weiß, es kommt etwas überstürzt, doch ich wollte dich fragen«, er griff mit einer Hand nach meiner und mit der anderen in seine Jackentasche. Oh nein.
Er holte einen silber glänzenden Ring hervor. »Ob du meine Frau werden willst.«
Nein, nein, nein, nein, nein.
Zutiefst über diesen unerwarteten Heiratsantrag schockiert, riss ich meine Hand aus seiner und sah ihn bloß entsetzt an, als ich einige Schritte zurücktaumelte.
Besorgt richtete sich Edouard wieder auf und versuchte nach mir zu greifen. »Dana, geht es dir gut?«
Ich schüttelte meinen Kopf. Tränen begannen sich in meinen Augen zu formen und drohten mir über die Wange hinabzurinnen.
»Dana«, rief er nun nach mir, als ich mich weiter von ihm entfernte.
Wie konnte er von mir erwarten, dass ich ihn heirate? Wie hatte er gedacht, würde ich lernen ihn so zu lieben wie er es von mir erwartete? Ich konnte das nicht. Nicht bei ihm. Ich liebte ihn, ja, aber als einen Bruder und nicht als meinen Mann.
Außerdem hatte ich irgendwo da draußen noch einen Seelengefährten, der womöglich in genau diesem Moment nach mir suchte. Wie hatte sich Edouard gedacht, würde ich das vergessen?
Ich wusste, dass seine eigene Gefährtin gestorben war, bevor er sie überhaupt hatte kennenlernen können, doch ich war nicht dazu bereit meinen eigenen Gefährten aufzugeben, auch wenn er mich womöglich gar nicht akzeptieren würde. Außerdem würde ich Edouard nie so lieben können wie er es verdiente.
Ich schlang meine Arme um meinen zitternden Leib und blickte zu ihm hoch. Ich wollte ihn nicht verlieren. Er würde mich hassen, wenn ich Nein sagte. Doch ich hatte keine andere Wahl.
Mit Tränen in den Augen, sah ich ihm geradewegs in die Augen. Dann schüttelte ich den Kopf.
»Dir geht es nicht gut?«, fragte er. Seine Augenbrauen hatte er besorgt zusammengezogen.
Erneut schüttelte ich einfach nur den Kopf.
»Bist du krank?«
Ich seufzte und schüttelte abermals den Kopf. Er wollte es nicht verstehen.
Meinen Blick von ihm abwendend, zeigte ich auf den Ring in seiner Hand. Dann schüttelte ich meinen Kopf.
Edouard blickte von mir zu dem Ring und wieder zurück. Seine Schultern sackten hinunter und er sah mich mit leerem Blick an.
»Wieso?«, flüsterte er so leise, dass es mir beinahe das Herz zerriss. Ich hatte ihn verloren.
Nun flossen mir tatsächlich einige Tränen über die Wangen. Wie sollte ich ihm das bloß erklären?
»Liebst du mich nicht?«, fragte er nun lauter, drängender, »Oder willst du auf deinen Seelengefährten warten? Liegt es daran?«
Leise Schluchzer verließen meinen Mund, als er immer lauter wurde, während er bedrohlich auf mich zu schritt.
»Antworte mir!«
Er packte mich am Arm und schüttelte mich grob. Mittlerweile hatten sich einige Leute zu uns umgedreht und beobachteten das Geschehen gespannt.
»Wartest du auf ihn?«
Seine braunen Augen glühten vor Wut. Ich konnte den Hass darin förmlich sehen. Hasste er mich oder meinen für mich bestimmten Gefährten?
Langsam, zögerlich nickte ich.
Ein Klatschen ertönte und einige Umstehende keuchten entsetzt auf, als mein Kopf nach links geschleudert wurde. Die Wucht überraschte mich so sehr, dass ich wahrscheinlich gefallen wäre, würde Edouard nicht noch immer meinen Arm zerquetschen.
Ich sah auf den Boden. Wagte es nicht einmal meinen Kopf in seine ursprüngliche Richtung zurück zu drehen. Ununterbrochen liefen mir die Tränen über die Wangen. Ich konnte mich kaum auf den Beinen halten, so sehr schüttelte mich die Wucht meiner Schluchzer.
»Ich hab dich immer verteidigt«, sagte Edouard auf einmal. Gefährlich leise »Ich hab dich stets in Schutz genommen.«
Immer noch schluchzend und zitternd, hob ich meinen Blick. Ich hatte nicht erwartet das er mich mit diesem Blick strafen würde. Hass hatte ich erwartet. Wut würde ich verstehen. Doch der Ekel, den ich in seinen Augen erkannte, dieser abgrundtiefe Abscheu, den hatte ich nicht kommen sehen. Den verstand ich nicht.
»Und wie dankst du es mir?«
Er übte noch mehr Druck auf meinen gequetschten Arm aus. Ich wimmerte vor Schmerzen.
»Indem du mich abweist. MICH VOR ALLEN BLOßSTELLST!«
Ich schluchzte aufgrund seiner Lautstärke. Die Angst vor dem Mann, den ich als meinen zweiten Bruder ansah, wuchs in meinem Herzen und verdrängte jegliche positiven Gefühle, die ich ihm gegenüber jemals empfunden hatte. Ich hasste ihn nicht, das könnte ich nicht, doch ich würde ihn auch niemals mehr so lieben wie ich es früher getan hatte.
Er schüttelte den Kopf. Immer und immer wieder. Und plötzlich fing er an laut zu lachen.
Verlor er nun seinen Verstand?
»Und ich war bereit dich zu heiraten«, schüttelte er über sich selbst den Kopf. »Ich Narr.«
Eindringlich sah er mir in die Augen. »Ich hatte wohl vergessen, dass man stumme Mädchen nicht lieben kann.«
Entsetzt verließ ein Keuchen meinen Mund. Dachte er das wirklich?
»Und weißt du was?«, beugte er sich zu meinem Ohr und flüsterte, »Dein Gefährte wird das auch bemerken, sobald er dich kennenlernt. Und dann wird er ganz schnell wieder weg sein.«
Danach warf er mich mit Wucht auf den Boden und ließ mich liegen. Ich lag da wie ein Häufchen Elend und weinte und schluchzte vor mich hin.
Niemand der umstehenden Dorfbewohner trat zu mir heran um mir seine Hilfe anzubieten oder auch nur zu fragen, ob es mir gut ging. Doch das war mich gleichgültig. Diese Menschen waren mir allesamt gleichgültig. Nur Edouard war es nicht. Und er hatte mich verlassen. Mich einfach im Dreck liegen gelassen.
Die Menge löste sich allmählich wieder auf und spätestens als ein plötzlicher Platzregen einsetzte, verschwanden auch die letzten Schaulustigen.
Und obwohl ich mich in diesem Augenblick vollkommen allein und verlassen fühlte, buchstäblich am Boden, war dieser Moment womöglich notwendig um meinen Weg zu meinen Seelengefährten zu ebnen. In meine Zukunft.***
Hallo!
Erinnert ihr euch noch an mich?
Also, wie ihr wisst, wollte ich ja eigentlich eine große Lesenacht an Silvester machen, na ja, da aber das mit dem Schreiben nicht so klappt wie ich es mir gedacht habe (nicht weil ich eine Schreibblockade habe, sondern wegen was anderem), werde ich zwar eine Lesenacht machen aber wahrscheinlich nur mit 4- 5 Kapiteln, damit ihr nicht zu enttäuscht seid, habe ich dafür dies 2 Kapitel schon geupdatet. Ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen.
Außerdem würden mich eure Meinungen interessieren:
Was denkt ihr, warum Dana nicht spricht und was es mit dem Tod ihres Vaters und Bruders zu tun hat?
Und was ist mit Nicolas Geheimnis mit seinem Bruder und seinen Wutausbrüchen, die er zwar unter Kontrolle hat dank Dana, aber in seiner Vergangenheit eine große Rolle gespielt haben?
Wie gesagt, ich hoffe, ihr seid nicht allzu enttäuscht und bis Silvester!
Ich hoffe ich schaff das 😅Eure
Starlight-belle
DU LIEST GERADE
Die stumme Prinzessin (alte Version)
Teen FictionNach diesem erfrischenden Spaziergang im Wald fühlte ich mich nun unantastbar. ... Bis ich in zwei eisblaue Augen sah, die mir unheimlich vertraut waren. Das konnte nicht sein. Langsam wich ich zurück in den Wald. Bitte, lass ihn mich nicht gesehen...