Bettruhe. Verdammt nochmal, ich hatte keine Lust auf Bettruhe! Was brachte es mir oder den anderen, wenn ich hier tatenlos vergammelte? Ganz genau: Gar nichts.
Ich saß in meiner Hütte und hielt meine verarztete Wunde, obwohl es den Schmerz nicht wirklich linderte. Innerlich verfluchte ich schon wieder alles und jeden. Wie ich mir die Wunde überhaupt zugefügt habe? Nun ja, in meiner Bude war es nicht gerade ordentlich. Im Gegenteil, es herrschte das reinste Chaos. Ich war also heute früh aufgestanden und hatte vergessen, dass ich am Abend zuvor die große Kiste mit Messern und einer Pistole, die ich aus dem Gitterfahrstuhl abgezogen und danach bei mir versteckt hatte, direkt neben meine Hängematte gestellt habe. Da es noch relativ dunkel war, konnte ich kaum etwas erkennen und bin mit dem Knie gegen die Kiste gerannt und anschließend hingefallen, wobei meine Schulter durch einer meiner Dolche gestreift wurde. Und jetzt saß ich hier und wurde zu Bettruhe verdonnert.
Ich musste etwas machen, ganz klar. Ich musste ins Labyrinth. Da gab es gar keine andere Möglichkeit. Und mir war es egal, was Jane dazu sagen würde. Es war meine Entscheidung. Sie hatte es mir damals schließlich selbst an den Kopf geworfen.
Schnurstraks stand ich auf und griff nach meinem blauen Rucksack, und packte einige Messer und meinen Bogen mit dem Köcher hinein - das Übliche halt. Meine Wasserflasche befestigte ich an der Seite. Jedoch überkam mich ein höllischer Schmerz, als ich den Rucksack auf meinen Rücken schwang. Die Träger drückten durch das Gewicht auf meine Schultern, und das nicht gerade wenig. Es fühlte sich an, als würde dir Wunde erneut aufreißen, und brannte tierisch. Ich biss die Zähne zusammen und versuchte, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ich musste unauffällig ins Labyrinth kommen. Danach konnte ich mich wieder um meine Wunde kümmern.
Ich betrat die große Wiese und konnte Jane nirgenswo sehen. Schnell blickte ich nochmal um mich, um auch sicherzugehen, dass mich keiner hinausschleichen sah. Dann ging ich schnellen Schrittes in Richtung eines der vier großen Tore und bemühte mich, dabei keinerlei Aufmerksamkeit zu erregen. Ich war schon fast angekommen, als mich eine wütende Stimme zusammen zucken ließ. "Wenn du noch einen Schritt weitergehst, verbringst du die Nacht im Bau!" Verdammter Mist. Ich drehte mich um und sah Jane, neben Angie und Jodie. Warum hatte ich dort nicht nachgesehen? Ich war sauer. Sie verbot mir die einzige Aufgabe, die ich hier hatte: Läufer zu sein. Selbst wenn es nur heute war. Ich schmiss meinen Rucksack auf den Boden und stampfte zurück zu meiner Hängematte.
Nein, das hättest du wohl gerne, Jane! Ich war eine Läuferin verdammt nochmal! Ich war wohl in der Lage dazu, ins Labyrinth zu laufen, ohne dass mich jemand aufhalten kann. Ich verschwendete keinen weiteren Gedanken an mögliche Konsequenzen meiner Handlung, sondern drehte mich um und sprintete auf meinen Rucksack zu, packte ihn mit der einen Hand und schwang ihn beim Rennen auf meinen Rücken, während ich durch das offene Tor lief. "Bleib sofort stehen, Trinity!", hörte ich noch Janes aufgebrachte Worte, aber ich war schon zwischen den Mauern des Labyrinths verschwunden.
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Ich war schon eine Weile unterwegs und langsam machte mir meine Schulter echt zu schaffen. Sie schmerzte bei jeder Bewegung, die ich mit dem Arm machte, und jedes Mal zuckte ich zusammen. Hätte ich nicht doch lieber auf der Lichtung bleiben sollen? Konnte ich im Ernstfall einen Griewer überhaupt bekämpfen, wenn ich meinen Arm kaum bewegen konnte? Ich schüttelte die negativen Gedanken ab. Nätürlich werde ich es schaffen. Ich hatte es immer geschafft. Und es war nur ein Kratzer. Das musste ich mir einfach immer wieder vor Augen führen.
Ich kannte das Labyrinth so gut wie meine Messersammlung. Ich kannte jeden Weg und jede Weise, wie sich die Mauern verschoben. Und dennoch brachte ich es fertig, an einen Ort zu kommen, an dem ich vorher noch nie gewesen bin. Im Vergleich zu den sonst etwas dunkleren Gassen und Gängen war es hier ziemlich hell. Vor mir erstreckte sich eine weite Fläche, an den Seiten standen eine Art hohe Türme. Ein angenehmer Windzug herrschte hier und ich war zunächst überwältigt. Hatte ich nach all den Jahren einen Ausgang gefunden?
Ich ging eine Weile, bis ich auf der gegenüberliegenden Seite war. Ich bog von dort aus links ab und kam an ein großes Tor. Ich inspizierte die Wand genauer und mein Blick fiel schließlich auf ein kleines Schild.Tor 011
Geöffnet
GeschlossenIch zögerte etwas, bevor ich auf Geöffnet tippte. Einige Sekunden passierte gar nichts. Hätte ich mir ja denken können. Ich hatte schon die Hoffnung aufgegeben und wollte mich gerade auf den Rückweg machen, als auf einmal das Tor ein lautes Geräusch von sich gab und mit heftigem Erzittern des Bodens aufging. Der Wind prallte praktisch gegen mein Gesicht und ich musste aufpassen, dass ich nicht umfiel. Und dann war es komplett auf. Ich stützte mich auf meine Knie. Verdammt, ich hatte es geschafft! Ich hatte den Ausgang gefunden!
Dahinter konnte ich einige Mauern erkennen. Ein weiteres Labyrinth also. Ich wollte gerade einen Schritt hinein setzten, als ich Stimmen hörte.
"Hast du das gehört?"
"Nein, Stiles, ich hab das überdimensionale große Beben nicht mitbekommen."
Ach du Scheiße! Wer waren die denn?
"Von wo kam das?"
"Keine Ahnung. Ich glaube von da hinten!"
Ich musste hier weg und zwar schnell. Zügig lief ich zu einer der großen Türme an der Seite und versteckte mich dahinter, ich griff in meinen Rucksack und zog ein Messer hervor. Nervös schaute ich auf das Tor. Die Schritte waren schnell und kamen immer näher.
"Noah, jetzt bleib doch mal stehen!"
"Oh mein Gott! Finn, das musst du dir ansehen!"
Ein etwas kleinerer Junge mit braunen Haaren stand in dem Eingang und betrachtete die weite Fläche genauso wie ich es getan hatte.
"Ich glaube, wir haben einen Ausgang gefunden!"
Ein zweiter Junge kam zum Vorschein, er war größer und hatte schwarze Locken. Beide trugen ähnliche Klamotten, ausgewaschene, gelblich gefärbte Hemden und eine knielange Hose, und beide hatten Rucksäcke auf ihre Rücken geschnallt.
"Wie hatten wir dieses Tor so lange übersehen können?", fragte ein weiterer Junge, der älter als die anderen beiden aussah, skeptisch und tat einen Schritt weiter in meine Richtung.
Mist, ich musste irgendetwas machen. Ich drehte mich von ihnen weg und hielt meine Schulter. Nein, nein, das durfte doch nicht wahr sein!, dachte ich, als ich das Blut an meiner Hand sah. Die Wunde war also doch wieder aufgerissen. Na fabelhaft.Ich hatte wohl zu laut aufgestöhnt, da der eine Junge mit einem "Hast du das auch gehört?" seine Schrittanzahl erhöhte. In mir kam Panik auf. "Glaubst du, das ist ein Griewer?" - "Am hellichten Tag? Das würde mich überraschen." - "Naja, wir wussten bis eben auch nichts von diesem Tor, also..."
Ich musste sie doch irgendwie ablenken. Selbst wenn sie die Griewer anscheinend auch bekämpfen zu schienen, konnte ich ihnen nicht vertrauen. Ich kannte sie schließlich nicht. Nachher war das alles eine riesige Falle.
"Ich bin kein Griewer, ihr Vollidioten!", sagte ich so selbstbewusst wie möglich, ohne mich von der Stelle zu bewegen. "Ein Mädchen? Seit wann gibt es hier..." Ich holte aus und warf das Messer, was ich zuvor fest umklammert gehalten hatte, mit aller Kraft in eine Ecke der großen Betonfläche, in der Hoffnung, die drei würden sich umdrehen und abgelenkt sein. Das Klirren hallte durch den gesamten Raum. "Was war das? Finn?" - "Keine Ahnung." Und dann sprintete ich los.
In der Ferne konnte ich noch ein "HEY!" hören, dann war ich wieder im Labyrinth und lief durch die Gänge so schnell wie ich nur konnte. Mir schossen tausend Fragen durch den Kopf und mein Atem war unregelmäßig.Als ich auf der Lichtung ankam, sackte ich auf den Boden und keuchte wie verrückt. "Du meine Güte, Trinity! Was ist passiert?" Es war Mya. "Ich...ich h-hab ein T-Tor... ein Tor gefunden und... geöffnet." Ich holte Luft. "D-Da waren noch andere... Jungs." Ein stechender Schmerz durchzog meinen Körper und dann umgab mich totale Dunkelheit.
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Two Worlds
Teen Fiction"Sometimes when two worlds collide, a better one is created." _________ Ein Labyrinth. 6 Mädchen. Ein Beschluss, der Lichtung zu entkommen und alles, was sie bis dahin als normal betrachtet hatten, hinter sich zu lassen. Ein Ereignis, was ihr Leben...