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Rayan

Die gesamte Fahrt über schweigt sie und ich zerbreche mir das Hirn, was passiert ist. So blass war sie nicht als Phoe, der Arsch, sie in die Mangel genommen hat. Er kann es auch nicht lassen. Doch er hat anscheinend nicht mit ihrer Ehrlichkeit gerechnet. Ich ehrlich gesagt auch nicht. Die Bombe hat sie schön platzen lassen. Was ist danach passiert?

Lange liege ich neben meinem schlafenden Mädchen, die sich zusammengerollt hat wie ein Wollknäuel. Man sieht weder Anfang noch Ende. Behutsam streiche ich ihre Locken aus dem Gesicht und betrachte sie. »Was ist nur passiert, mein Mädchen?«, flüstere ich und ziehe das Knäuel an mich.

Morgens fährt sie zu sich, um zu lernen, und ich rufe Ri an. »Hey Kumpel. Was ist los?«, fragt er verschlafen. »Alter, wir haben 11 Uhr.« »Boah Rayan, nicht so laut. Mein Schädel steht kurz vorm Platzen.« »Habt ihr es krachen lassen?« »Und wie. Zac und Connor durften die Nacht noch die Küche putzen.« »Ihr Schweine. Ich will auch nicht lange stören, aber weißt du, ob gestern Abend irgendjemand was Falsches zu Lex gesagt hat? Phoe jetzt mal nicht mitgezählt.« »Nee. Alter, keine Ahnung. Ich weiß nur, dass Leni aus dem Raum ist als Lex oben war.« Leni? Das kann sogar passen. Dieses Biest. »Danke. Hau dich hin.« Na warte die kann was erleben. Natürlich wird sie den Mund aufgemacht haben. Da fällt mir auch wieder ein, dass Leni kurz nach Lex den Raum verlassen hat und noch nicht wieder da war, als Lex wiederkam und so blass war.

Ich schnappe mir meine Schlüssel und renne zum Auto. Keine fünf Minuten später stehe ich am Wohnheim und klingel Sturm. Ein verkaterter Ri öffnet mir. »Alter«, brüllt er und hält sich den Schädel. Boah sieht der scheiße aus, aber dafür hab ich keine Zeit. »Ist Leni hier?« »Rayan ...« »Ist sie hier?« »Ich glaub bei Zac.« Das genügt mir als Antwort. Ich lasse Ri stehen und nehme immer zwei Stufen auf einmal. Ohne zu klopfen stürme ich in Zacs Zimmer.

Ich entdecke sie nackt halb über Zac liegend und bin mit einem Schritt am Bett. Bevor einer der Schnapsleichen reagieren kann, habe ich sie aus dem Bett gezogen. »Zieh dir was an und dann kommst du mit«, zische ich. Sie will sich losreißen, aber hat keine Chance. Auch in Zac kommt langsam leben und er richtet sich benommen auf. »Rayan, Alter, was machst du für einen Stress?« »Halt die Fresse. Leni los oder ich schleife dich nackt hier raus. Das ist mir egal.« Zac ist clever genug und hält wirklich die Klappe. Es gibt in jeder Clique eine Rangordnung und auch wenn diese bei uns nicht so extrem ist, fehlt sie bei uns nicht. Phoenix ist der Anführer und danach kommen Ri und ich gleichermaßen. Und selbst mit einem Schädel weiß das jeder. Leni murrt etwas, aber steht dann wankend auf und zieht sich ein Shirt über.

In der Küche drücke ich sie gegen die Theke. Ich bin wirklich sauer. »So und jetzt sagst du mir mal, was du zu meinem Mädchen gesagt hast? Und versuch erst gar nicht mich anzulügen.« Böse fixiere ich sie und sie windet sich. Sie hat wohl nicht damit gerechnet, dass ich es rausbekomme und ihr die Hölle heiß mache. Nach Minuten der Stille bricht sie endlich das Schweigen und macht ihren Mund auf. Doch die Worte lassen mich vor Wut schäumen. »Leni, bist du total bescheuert? Was bildest du Stück Dreck dir eigentlich ein? Ich habe dich gefickt und mehr nicht. Wie kommst du dazu meinem Mädchen so eine Scheiße zu erzählen?« Am liebsten würde ich sie jetzt Bekanntschaft mit meiner Faust machen lassen, aber ich schlage keine Frauen. Niemals. Auch wenn sie es verdient hätte. Ich lasse sie stehen und verlasse das Wohnheim. Ich muss mich abreagieren und da hilft nur Boxen.

Zwei Stunden später bin ich ruhiger und fahre zu Lexi. Wir sind nicht verabredet, aber ich will und muss das klären. Sie darf den Scheiß nicht glauben. Megan öffnet mir die Tür. »Hey Rayan. Gut, dass du da bist. Lexi ist irgendwie ...« Weiter kommt sie nicht, denn hinter ihr räuspert sich Lexi. Sie sieht immer noch so blass aus und mit zwei schnellen Schritten bin ich bei ihr und ziehe sie an mich. »Lass uns reden.« Sie nickt und ich folge ihr in ihr Zimmer, lasse mich aufs Bett fallen und ziehe sie mit.

»Ich war bei Leni und sie hat mir erzählt, was sie dir an den Kopf geworfen hat.« Ihre Augen werden ganz groß. »Woher?«, flüstert sie. »Weil ich gemerkt habe, dass was nicht stimmt und ich Ri heute Morgen angerufen habe. Er hat mich auf Leni gebracht.« »Aber sie hat doch recht.« »Womit hat sie recht?« Das glaubt sie doch wohl selber nicht. »Ich bin verseucht. Keiner aus der verhassten Clique hat ein Mädchen aus der anderen.« Was redet sie denn da für wirres Zeug? »Lexi, das ist Schwachsinn und das weißt du auch. Klar gefällt es mir nicht, dass du mit Tyler zusammen warst, aber jeder hat eine Vergangenheit. Sie heißt so, weil sie vergangen ist.« Wow so kluge Worte aus meinem Mund sind selten. Wie soll ich ihr das nur erklären?

»Lexi, ich habe auch eine. Ich habe schon mit 13 Alkohol und Frauen verschlissen. Jede kam mir recht. Darauf bin ich nicht stolz, aber so war ich. Ich hatte jeden Tag eine andere und nie eine nochmal. Ich habe mich mit ihnen betäubt. Sie haben mir nie etwas bedeutet. Dazu habe ich angefangen Autos zu knacken und mit 15 bin ich in eine Werkstatt eingebrochen und wurde erwischt. Die Werkstatt gehört bald mir. Rob, mein Chef, hat mich erwischt und mir ordentlich die Hölle heiß gemacht. Da hörte das mit den Frauen auf. Dafür hatte ich keine Zeit mehr. Denn ich musste von morgens bis abends in der Werkstatt schuften und wurde dazu verdonnert Boxen zu gehen. Es dauerte ein Jahr bis ich es als Chance sah und wirklich was dafür tat. Bis ich verstanden hatte, dass ich mir meine Zukunft nicht versauen sollte. Also arbeitete ich hart dafür und machte, dank Rob, meinen Meister mit Auszeichnung. Als alles in geregelten Bahnen lief, lernte ich Phoenix über Ri kennen. Ri kenne ich seit der Schule und er und ich haben viel Scheiß gemacht. Er war bei dem Einbruch dabei, aber ich habe ihn nie verraten. Eigentlich wollte er auch gar nicht mitmachen. Er tat es, weil er mich nicht hängen lassen wollte, weil ich eine scheiß Zeit hatte.« Lex hört mir still zu, beobachtet mich interessiert. In mir wütet ein Vulkan kurz vorm Ausbruch. Soll ich ihr wirklich alles erzählen? Ehe ich es verhindern kann, rede ich weiter.

»Du musst wissen, dass ich eine Schwester hatte.« Die Worte auszusprechen fällt mir so schwer. »Sie ist nur 15 Jahre alt geworden, weil ein Betrunkener in das Auto meines Vaters gerast ist. Weil Sarah ohne das Wissen meiner Eltern in die Disco gegangen ist und es Stress gab und sie meinen Vater gebeten hat sie abzuholen.« Ich kann nicht weiterreden. Ich will nicht weiterreden. Ich höre mich an wie ein Weichei, aber bei Sarah werde ich genau das. Erst jetzt merke ich, dass Lexi meine Hand hält und gedankenverloren Kreise darauf malt. Die Unendlichkeit. Immer und immer wieder. Es beruhigt mich.

»Meine Schwester hatte keine Chance und mein Vater sitzt seitdem im Rollstuhl. Ich bin damit nicht klar gekommen. Ich war 13 und so wurde ich halt so. Und mit der Crew kamen wieder die Frauen, doch nicht mehr viele, sondern immer dieselben. Leni war eine davon. Bis ich dich traf.« Lexi hat immer noch nichts gesagt und so langsam werde ich unruhig. Jetzt bildet sie sich ihr Urteil über mich und ich verliere mein Mädchen. »Genau, du warst erst 13. Wie soll man in dem Alter mit so einem Verlust klar kommen? Gar nicht.« Das sind die ersten Worte, die ihren Mund verlassen und ich höre keine Verurteilung darin.

1,2 oder 3? Herz verschenkt... ✔ #LeseLiebe18 #Lagune18Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt