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Alexia

Weihnachten bei Scarlett und den anderen lässt mein Herz höher schlagen. Alle sind gut gelaunt und losgelöst. Doch diese Stimmung kann ich leider nicht kompensieren, so gerne ich es getan hätte.

Mit Bauchschmerzen mache ich mich am nächsten Tag auf den Weg zu meinen Eltern. Ich fahre nur wegen Savanna, sonst zieht mich da nichts hin. Schon als ich in unsere Straße biege sehe ich ein verloren wirkendes Haus. Bei diesem leer aussehenden Haus handelt es sich um das Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Alle Häuser in der Straße sind geschmückt und meine Eltern glänzen mit Dunkelheit. Nicht eine Lichterkette oder Ähnliches ist zu finden. Es muss ja nicht so übertrieben sein, aber eine Kette am Fenster hätte mir gefallen. Das Haus sieht einfach verlassen und kalt aus. Genauso kalt wie das Haus ist auch die Begrüßung.
»Alexia, du bist 10 Minuten zu spät. Savanna und Cohen hatten eine weitere Anreise und sind pünktlich«, begrüßt mich meine Mutter und spätestens jetzt habe ich alle Vorhaben wieder über Bord geworfen. Auf der Fahrt zu meinen Eltern habe ich mir eigentlich vorgenommen einen Schritt auf sie zu zugehen. Ich habe doch nur diese Eltern. Sie sind doch meine Familie, haben mir das Leben geschenkt. Durch Scarletts Geschichte habe ich mir ernsthaft Gedanken darüber gemacht und mich entschieden auf meine Eltern zu zugehen.
Doch auch als ich mit ihnen am Tisch sitze, dreht sich alles um Savanna. Ich liebe meine Schwester. Sie kann wirklich nichts dafür und versucht öfter an dem Abend das Thema auf mich zu lenken, scheitert jedoch kläglich. Nach zwei Fragen an mich wandert das Gespräch wieder zu ihr. Ich gebe auf. Meine Eltern bekomme ich nicht mehr anders gepolt. Genau aus dem Grund werde ich ihnen Rayan niemals vorstellen können. Sie akzeptieren mich schon nicht, wie sollen sie dann einen tätowierten KFZ-Mechaniker akzeptieren? Sie gucken den Leuten immer schon nur vor den Kopf, geben sich nicht die Mühe genauer hinzusehen.

Als meine Eltern sich für den Abend verabschieden, bricht auch Cohen kurze Zeit später auf. Ich weiß genau, dass er das nur für Savanna und mich macht, damit wir einen Moment alleine sein können und dafür liebe ich ihn wirklich von ganzem Herzen und kann mir niemand besseren für mein Schwesterherz vorstellen.

Dick eingekuschelt sitzen wir auf der Couch, jeder einen Wein vor sich und ich erzähle ihr ausführlich von Rayan. Klar haben wir zwischendurch geskypt und gemailt, aber von Angesicht zu Angesicht ist es so viel schöner mit ihr zu reden.
»Lexi, ich freu mich so für dich. Ich möchten den Mann kennenlernen, der meine kleine Schwester so strahlen lässt.«
Bei ihren Worten geht mir das Herz auf.
»Aber vor der Hochzeit im Mai«, schiebt sie hinterher.
»Sa, wie soll das denn gehen? Du bist zu weit weg.«
Es ist mir unmöglich mal eben mit Rayan ins Flugzeug zu steigen und zu ihr zu fliegen.
»Lexi, Cohen und ich bleiben zwei Wochen bei Mum und Dad. Und so weit weg bist du nicht. Wir kommen einfach nächste Woche vorbei. Megan hat doch sowieso nichts dagegen, wenn wir ein paar Tage bleiben.«
Das hat meine Schwester sich ja fein ausgedacht. Da kann ich nichts gegen sagen und nehme sie einfach in den Arm.

Nach dieser unterhaltsamen Nacht mit meiner Schwester ist der nächste Morgen kühl wie eh und je. Das Frühstück lasse ich schweigend über mich ergehen, aber als meine Mutter auch beim Mittagessen immer noch nicht müde ist mich zu maßregeln, reicht es mir. Selbst Savanna kann mich nicht zum Bleiben bewegen. So verabschiede ich mich nachmittags und es ist mir wirklich egal, wie meine Eltern das finden. Das erste Mal in meinem Leben ist es mir egal. »Schwesterherz, meld dich wenn Cohen und du auf dem Weg seid.« »Machen wir. Hab dich lieb. Vergiss das nie.«
»Ich dich auch.«
Es tut mir weh zu fahren, aber nur wegen meiner Schwester und Cohen. Meine Eltern können sobald ich weg bin ihren Unmut über mich Luft machen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie das tun werden, aber es ist mir egal. Ich bin froh wieder in mein richtiges Zuhause zu fahren, auch wenn es dort still und leer ist. Megan ist über die Feiertage bei ihren Eltern und Rayan. Ja wo ist Rayan? So genau weiß ich das gar nicht. Er sagte, dass er zu seinen Eltern fährt, aber das ist nicht weit weg. Sie wohnen einen Ort weiter. Ich weiß nur nicht mehr, ob Rayan da die kompletten Feiertage verbringen wollte oder nicht. Eine Sache aber weiß ich mit Bestimmtheit: Die Feiertage sind für Rayan viel schlimmer als für mich. Seine Anspannung war deutlich zu spüren, als wir uns verabschiedet haben. Ich würde ihn gerne anrufen, aber ich möchte nicht stören. Er denkt, ich bin bis Silvester bei meinen Eltern.
Also verkrieche ich mich einfach die Tage bis dahin in meiner Wohnung. Leicht ist es nicht, aber Silvester steht schneller vor der Tür, als ich gucken kann. Mittags mache ich mich auf den Weg zu Rayan und schließe ihn stürmisch in die Arme. Ich habe ihn so vermisst und ihm scheint es ähnlich zu gehen, das verrät zumindest sein ausgehungerter Kuss.

Kurz vor 19 Uhr schaffen wir es endlich die Finger voneinander zu lassen und uns für den Abend fertig zu machen. Pünktlich auf die Minute stehen Rayan und ich bei Scarlett, Mira, Phoenix und Riley vor der Tür. Sobald die Tür geöffnet wird, weht mir eine Welle entgegen, die ich beim besten Willen nicht benennen kann. Gemütlichkeit, Willkommen sein, nach Hause kommen oder wie auch immer es heißen mag. Es gefällt mir. Wenn Megan noch dabei wäre und Savanna und Cohen dann wäre es perfekt. So kommt es dem aber schon ziemlich nah.

Zwischen Spielen und Singen erzähle ich Rayan, dass meine Schwester nächste Woche vorbeikommt. Ich sage ihm nicht, dass sie kommt, um ihn unter die Lupe zu nehmen, dass weiß er glaube ich so oder so.

Sobald Savanna und Cohen sich angekündigt und eine genaue Uhrzeit durchgegeben haben, gibt es für Megan und mich kein Halten mehr. Megan liebt Savanna genau wie ich und freut sich immer sie zu sehen.

Rayan meinte einen Tag vorher zu mir, dass er nach der Arbeit vorbeikommt. Bis dahin haben Megan und ich es uns zur Aufgabe gemacht unsere Küche in ein Schlachtfeld zu verwandeln.
»Ladies, soll ich erst einen Räumungstrupp ordern oder erst den Pizzalieferanten anrufen?«, ruft Colin uns über die Musik hinweg zu. Für diese Nettigkeit bekommt er von Megan und mir ein Küchenhandtuch ins Gesicht.
Es sieht gar nicht so schlimm aus, hier und da ein paar schmutzige Töpfe, dort dreckiges Geschirr, hier ein paar Kleckse auf der Arbeitsplatte. Alles halb so wild und über unser Essen hat sich auch noch nie jemand beschwert. Colin meint es auch nicht ernst, denn er hat ein dickes Grinsen im Gesicht.

Als die Türklingel ertönt werde ich kurz nervös. Das muss Rayan sein. »Ich geh schon«, ruft Colin und ist schon im Flur verschwunden.
Keine Minute später steht Rayan in der Tür und so wie er guckt, scheint er sich einen Überblick über den Ernst der Lage zu verschaffen.
»So sind die immer, aber keine Angst meistens schmeckt es ganz gut.«
Auf Rayans Gesicht erscheinen die Grübchen, die ich so gerne an ihm sehe, und dann prustet er los. Megan ist in der Zwischenzeit auf ihren Freund losgegangen. Da fällt mir ein, dass Rayan Colin ja auch noch nicht kennt. Zeit mir Gedanken darüber zu machen, habe ich nicht, denn Rayan schließt die Lücke zwischen uns und sagt »Hallo«.
Ein erneutes Klingeln lässt mich herumfahren.
»Megan, wir müssen Gas geben.«
Und schon ist sie wieder in der Küche. Rayan schiebe ich ins Wohnzimmer und Colin spielt unseren persönlichen Türöffner. Es geht doch nichts über gutes Personal.

Sobald ich Savannas Stimme höre, lasse ich alles stehen und liegen und flitze in den Flur. Bevor meine Schwester reagieren kann, klebe ich schon an ihrem Hals. Lachend lässt sie es über sich ergehen.
»Immer das gleiche mit dir«, gibt sie grinsend von sich und löst sich von mir.
Ihr Blick fällt hinter mich und ich drehe mich nervös um. Im Türrahmen steht Rayan und beobachtet die Szene vor ihm. Er sieht entspannt aus.
»Du bist also Rayan. Hey ich bin Savanna und irgendwo hinter mir ist Cohen, mein Verlobter.«
Meine Schwester geht auf Rayan zu und reicht ihm nicht, wie ich erwartet habe, die Hand, sondern zieht ihn in eine Umarmung. Ich halte vor Spannung die Luft an, bin unfähig etwas anderes zu tun. Diese Szene fasziniert mich.
»Hey Savanna. Schön dich kennenzulernen«, ertönt Rayans tiefe Stimme und ich erwache aus meiner Trance. Endlich kommt wieder Leben in meinen Körper und ein Lächeln erscheint auf meinem Gesicht als Rayan die Umarmung erwidert. Ohne es zu wollen, stoße ich die angehaltene Luft aus und kassiere einen leichten Schlag auf meine Schulter. Als ich mich umdrehe, sehe ich in das grinsende Gesicht von Cohen.
»Was hast du gedacht, Lex? Dass deine Schwester Rayan erdolcht?« Gute Frage. Was habe ich mir vorgestellt, was passieren könnte? Bevor ich mich der Beantwortung dieser Frage widmen kann, fährt Cohen fort. »Sie liebt dich und sieht, dass du glücklich bist. Du weißt genau, dass das das Einzige ist was zählt.«
Ja Cohen hat Recht. Meine Nervosität und Angst waren total unbegründet.

Nach der Vorstellungsrunde essen wir alle zusammen und reden wild durcheinander. Ich ertappe mich öfter dabei einfach alle zu beobachten. An diesem Tisch sitzen die, für mich, wichtigsten Menschen in meinem Leben und mein Herz geht auf, weil sich alle verstehen. Es sieht fast so aus, als ob Rayan schon immer genau da hingehört hat.
»Ich mag ihn«, sagt Savanna in der Küche zu mir und nimmt mich in die Arme. Mehr brauche ich nicht. Diese drei Worte von ihr sind das Wichtigste für mich.

Viel zu schnell verabschieden sich Savanna und Cohen wieder und lassen mich mit schlechter Laune und meinen Uniunterlagen zurück. Es wird Zeit etwas für die Uni zu tun, etwas viel und das hebt meine Laune nicht gerade. Ich bekomme Rayan kaum zu Gesicht, weil ich für wichtige Klausuren lernen muss. Es nervt mich total und das ist untypisch für mich. Ich wäre halt lieber bei Rayan, auch wenn es schön ist mal wieder mehr Zeit mit Megan zu verbringen. So wirklich Zeit mit meiner besten Freundin ist es auch nicht, denn wir lernen hauptsächlich, zumindest so lange, bis sie eine Bombe platzen lässt und mir kurzzeitig den Boden unten den Füßen wegzieht ...

1,2 oder 3? Herz verschenkt... ✔ #LeseLiebe18 #Lagune18Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt