Kapitel 11

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Colin setzte sich genau mir gegenüber auf die Wiese in einem Schneidersitz und sah mich dabei an. Ich jedoch wandte meinen Blick ab, sah auf meine Finger und spielte mit dem Ring herum, der an meinem Ringfinger war. Ich fragte mich, wieso er sich vor mich gesetzt hatte, wollte ihn das aber jedoch nicht fragen.

„Du hast kein Recht dazu, mich so zu nennen, Colin, also lass das.“, sprach ich auf den Spitznamen, mit dem er mich vorher genannt hatte und atmete tief durch. Ich wollte diesen Namen nicht aus seinem Mund hören, denn dieses Wort war dazu Imstande mich nochmals zu zerstören, so wie er es schon vor über einem Jahr getan hatte. Mit diesem Namen verband ich so viele schöne Momente, an die ich mich nicht erinnern wollte.

„Ich will dich aber so nennen, also tu ich das auch, egal ob ich ein Recht dazu habe oder nicht.“, erwiderte der Junge mit den blauen Augen vor mir und ich sah auf, zog meine Augenbrauen zusammen, als ich seinem neutralen Blick begegnete und ich seufzte einmal.

„Ich will aber nicht, dass du mich so nennst.“, er grinste nur darauf, zuckte mit seinen Schultern und legte seine Arme auf seine Beine ab, worauf er seine Hände miteinander verschränkte.

Ob es sich noch immer so anfühlen würde, wie früher, wenn wir unsere Hände miteinander verschränken würden?

Schnell verdrängte ich diesen Gedanken, wandte mein Blick ab und zupfte etwas Gras aus dem Boden, worauf ich anfing damit in meiner Hand zu spielen, um mich von den Gedanken sowie den Gefühlen abzulenken, die ich gerade empfand.

„Wieso so nervös?“, stellte mir Colin plötzlich die Frage und ich zuckte leicht zusammen, da seine Stimme viel lauter klang, als sie es eigentlich war, durch die Stille, die in diesem Wald war. Selbst die Menschen, die man vorhin noch am Lagerfeuer hörte, waren still. Man hörte nichts, außer das Rauschen der Blätter, wenn der Wind durch die Bäume zog.

„Ich bin nicht nervös.“, und wie ich das war. Ich wusste nicht, wieso ich es war und was mich dazu  brachte ununterbrochen mit meinen Fingern zu spielen oder mit etwas in meiner Hand. Schon lange nicht mehr war ich wirklich nervös gewesen und dann genau, wenn Colin, selbstbewusster denn je, vor mir saß, bekam ich dieses komische Gefühl in meiner Brust. So sehr hoffte ich, dass es nichts mit ihm zu tun hatte, und wenn doch, dann bitte der Hass, den ich für ihn empfand.

„Natürlich bist du nervös. Du hast früher immer irgendwas mit deinen Fingern gemacht, wenn du nervös warst.“, ich biss mir auf meine Unterlippe und ließ das Gras fallen, worauf ich meine Hände in meinen Jackentaschen versteckte und Colin wieder ansah, diesmal selbstsicherer. „Schon vergessen, ich kenne dich noch immer besser als irgendjemand anderes.“

„Zeiten ändern sich, so auch Menschen.“, erwiderte ich nur darauf und zuckte mit meinen Schultern, um meine Aussage zu unterstreichen, jedoch schüttelte Colin mit seinem Kopf.

„Du tust zwar so, als würdest du nichts fühlen, als wärst du kalt und alles wäre dir egal, aber Amilya, ich weiß, du bist noch immer das schöne und schüchterne Mädchen von früher, auch wenn du jetzt kurze Haare hast und wahrscheinlich dünner bist, als es gut für dich ist.“

Hatte er mich gerade wirklich schön genannt?

„Du hast keine Ahnung, Colin, wie sehr Schmerz einen verändern kann. Und glaube mir, schüchtern bin ich nicht mehr.“, ich hob meinen Blick, versuchte zu verstecken, dass ich verwirrt über die Tatsache war, dass er mich schön genannt hatte und sah ihn wieder direkt an. Ich durfte keine Schwäche ihm gegenüber zeigen.

Warum sprach ich überhaupt noch mit ihm?

„Oh doch, davon habe ich eine Ahnung.“, als ich meine Augenbrauen hochzog, um ihm zu zeigen, dass ich ihm nicht glaubte, seufzte er, jedoch mit einem leichten Lächeln im Gesicht, auch wenn dieses nicht seine Augen erreichte. „Denkst du etwa, dass ich keine Schmerzen empfunden habe, als ich dir alles erklären wollte, du es aber nicht zugelassen hast? Als du mich verdammt nochmal auf der Straße stehengelassen hast und die Entscheidung getroffen hast, einfach mal abzuhauen, ohne mir Bescheid zu sagen?“, sein Lächeln war verschwunden und ein komischer Unterton war in seiner Stimme hervorgekommen, während bei mir die Nervosität wegging, dafür aber die Wut in mir stieg.

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