Kapitel 3

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„Und generell habe ich mich für die Verfassung meines Manuskripts sehr viel mit Träumen und deren Forschung beschäftigt", erzählt Mr. Alvarez, wobei ich ihm kaum noch Beachtung schenke. Zu sehr beschäftigt mich nämlich die Frage, ob an seiner Vermutung eventuell doch etwas dran sein könnte und ich meinen immer wiederkehrenden Traum fälschlicherweise auf die leichte Schulter genommen haben könnte, oder ob ich mich einfach zu sehr von seinem Geschwafel habe einlullen lassen und langsam selbst den Verstand verliere.

„Vor allem wiederkehrende Träume halte ich für sehr bedeutungsvoll", fährt er fort und erweckt damit augenblicklich meine Aufmerksamkeit. Sehr um einen möglichst lässigen und desinteressierten Ton bemüht, steige ich wieder in den Dialog ein: „Aha und wie kommen Sie zu dieser Annahme? Ich meine, die Wiederkehr von Träumen kann doch auch bloßer Zufall sein, meinen Sie nicht?"

Auch wenn ich es nicht gerne zugebe, interessiert es mich doch sehr, was Mr. Alvarez dazu zu sagen hat. Ich meine nicht, dass ich ihm irgendeine Art von Glauben schenken würde, aber es schadet ja nicht, sich das mal anzuhören.

„Naja, betrachten Sie es mal so: an Erinnerungen, die für uns von Bedeutung sind, denken wir ja in der Regel auch nicht nur einmal im Leben oder? Vielmehr versuchen wir uns diese so oft wie nur möglich wieder ins Gedächtnis zu rufen. So in etwa verhält es sich mit unseren Träumen. Die Träume, die von Bedeutung sind, tauchen immer wieder auf."

Scheiße, seine Erklärung klingt sogar logisch. Aber das werde ich mir sicher nicht anmerken lassen. Ich meine, der soll sich bloß nichts darauf einbilden. Erst nach einigen Sekunden bemerke ich seinen erwartungsvollen Blick, woraufhin mir einfällt, dass ich ihm wohl noch eine Reaktion schuldig bin. Mit zugegebenermaßen gespielter Gleichgültigkeit gebe ich ihm ein „Mhm, verstehe" zurück, woraufhin sich sein Blick verändert. Zunächst kann ich seinen Blick nicht richtig deuten, doch dann erkenne ich den Hauch eines triumphierenden Lächelns, der allerdings schnell wieder verfliegt. Vermutlich, weil er ihn für unangebracht hält. Kluges Kerlchen.

„Mr. Sinclair, mich beschleicht allmählich das Gefühl, dass sich Ihr Interesse an meinem Manuskript auf persönlichen Erfahrungen gründet", sagt er, während er mir dabei intensiv in die Augen blickt. Normalerweise macht mich niemand nervös, allerdings muss ich zugeben, dass meine Nervosität gerade steigt, da ich mich mit einem Mal unglaublich ertappt fühle. Was fällt dem Kerl eigentlich ein? Meine Angelegenheiten gehen ihn einen Scheiß an! Wütend stehe ich auf und konfrontiere den Möchtegern-Psychotherapeuten -Schrägstrich Traumdeuter – mit meiner Wut: „Ich glaube, es ist besser, wenn Sie jetzt gehen. Es steht Ihnen nicht zu, sich in meine Privatangelegenheiten einzumischen. Also verlassen Sie nun bitte dieses Gebäude! Ach und übrigens: so toll ist Ihr Manuskript gar nicht, also bilden Sie sich bloß nichts darauf ein, dass ich Sie zu diesem Gespräch eingeladen habe!" Energisch reiße ich die Tür des Konferenzraumes auf und bedeute ihm damit, zu gehen. Er allerdings scheint erstaunlich gefasst zu sein und erwidert im Gehen völlig ruhig: „Ich verstehe, Mr. Sinclair. Dennoch vielen Dank für die Einladung. Wenn irgendetwas ist, wissen Sie ja, wie Sie mich erreichen. Und noch etwas: oft sind es die zunächst unscheinbaren Kleinigkeiten, die einem Traum seine Bedeutung sowie den Bezug zur Realität verleihen." Mit einem meiner Meinung nach unangebrachten Lächeln verlässt er den Raum und zwinkert mir in seiner Dreistigkeit auch noch verschwörerisch zu.     „Mistkerl!", denke ich und knalle dabei lautstark die Tür hinter ihm zu.

Abends liege ich, immer noch wütend über die heutigen Ereignisse, im Bett und lasse den Tag noch einmal Revue passieren. Während ich mich gedanklich immer wieder über Alvarez und seine absurden Behauptungen aufrege, bemerke ich, dass meine Augenlider immer schwerer werden, bis sie endlich zufallen und mir gleich darauf ein mittlerweile sehr bekanntes Bild vor Augen erscheint.

Sie, die unbekannte Schöne steht wieder vor mir.


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