Kapitel 7

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Alan", haucht sie. Moment mal, jetzt schon? Ich kann mich gar nicht daran erinnern, eingeschlafen zu sein. Das Kichern, das nun folgt, wird plötzlich immer dumpfer und das Bild vor mir verschwimmt.

Mit dem mittlerweile auf Standby umgeschalteten Laptop auf dem Schoß finde ich mich in der Realität wieder. Verschlafen reibe ich mir den Schlaf aus den Augen und taste auf der Suche nach meinem Handy wahllos um mich, allerdings ohne Erfolg. Wo ist dieses Scheißding bloß? Mit einem lauten und vor allem nervigen Piepen macht sich mein Handy schließlich bemerkbar, woraufhin ich es schließlich nach einiger blinder Tasterei am Boden finde und aufhebe, um das nervtötende Geräusch abzustellen. Ein Blick auf das Display lässt mich allerdings sofort aufspringen, wobei ich beinahe den Laptop auf meinem Schoß vergessen hätte. In letzter Sekunde fange ich es mit einer ruckartigen Bewegung auf und verhindere einen möglicherweise tödlich endenden Aufprall.

„Shit, ich hab verpennt!", rufe ich lauthals, während ich mich bereits auf dem Sprung ins Bad befinde. Zähne putzend hüpfe ich durch die halbe Wohnung in dem Versuch, mich gleichzeitig anzuziehen, damit ich möglichst wenig Zeit verliere. Ungeschickt wie ich in meiner Hektik bin, landet die Hälfte der Zahnpasta anstatt in meinen Mund auf meinem Hemd, was mich noch lauter fluchen lässt.

„So eine Scheiße", nuschle ich noch immer mit der Zahnbürste im Mund und riskiere dabei beinahe, noch mehr von der Zahnpasta auf mein Hemd zu kleckern. Da ich allerdings absolut keine Zeit mehr habe, entscheide ich mich dagegen mir noch ein anderes Hemd überzuziehen. Mein aktuelles Hemd ist schließlich weiß, da wird man die Zahnpasta schon nicht bemerken. Zumindest hoffe ich das. Eilig renne ich aus der Wohnung, bis mir auf halbem Wege nach unten einfällt, dass ich meinen Laptop vergessen habe.

„Verfluchte Scheiße, das kann doch nicht wahr sein!", fluche ich erneut und begegne dabei ausgerechnet Mrs. Jones, der alten Schreckschaube, die sowieso immer regelrecht auf der Suche nach Meckergründen ist.

„Also Mr. Sinclair, ich kann ja gar nicht glauben, was ich da höre", meckert sie und wirft mir einen entsetzten Blick zu.

„Ja, ja Mrs. Jones, sparen Sie es sich. Ich habe jetzt wirklich keine Zeit dafür", rufe ich ihr flüchtig zu, während ich mich bereits wieder auf dem Weg nach oben befinde, um meinen Laptop zu holen. Oben angekommen, schnappe ich mir den Laptop und sprinte förmlich aus dem heruntergekommenen Wohnblock.

In der Bahn verschnaufe ich zunächst einmal und versuche, meinen dem Kollaps nahekommenden Atem zu beruhigen. Den Laptop auf meinem Schoß betrachtend, fällt mir ein, dass meine nächtliche Recherche der absolute Reinfall war. Nahezu alles, was ich der Homepage dieser komischen Fotoagentur entnommen habe, klang für mich nach absoluter Unprofessionalität. Es gab ja nicht einmal Beispielbilder ihrer Arbeit oder Fotografenprofile, auf denen man sehen konnte, mit wem man es in dieser Firma überhaupt zu tun hat. Ich frage mich ja immer noch, woher die das Geld haben, sich eine Werbeanzeige zu leisten. Naja, wenn ich es mir recht überlege, sah die ja ohnehin aus wie eine Lowbudget Investition. Vermutlich haben sie die auch noch selbst gestaltet. Ich meine, „Fortunas Fotografie", was ist das überhaupt für ein seltsamer Name? Völlig unprofessionell. Blöd nur, dass das nichts daran ändert, dass ich mich dank meiner Großmäuligkeit nun mit diesen Leuten in Verbindung setzen muss. Apropos, ich muss daran denken, da heute anzurufen, sonst bringt mich Cooper vermutlich noch um.

Auch beim gefühlt hundertsten Anruf ertönt noch immer das nervige Freizeichen, bis es von der noch viel nervigeren Stimme abgelöst wird: „Diese Rufnummer ist leider nicht vergeben." Wow, einfach nur wow. Als ich meinte, ich hätte mich in die Scheiße geritten, war das definitiv untertrieben. Es ist, als würde diese dämliche Fotoagentur gar nicht erst existieren. Was soll der Scheiß? Resigniert seufzend klappe ich meinen Laptop zu und beschließe, mich wieder dem Manuskriptstapel zu widmen, den ich zuvor auf die linke Fläche meines L-förmigen Schreibtisches verfrachtet habe. Ich stelle erneut fest, wie praktisch mein Schreibtisch ist, als ich mich lediglich mit meinem drehbaren Schreibtischstuhl auf die linke Seite des Tisches drehen muss, um die Manuskripte durcharbeiten zu können. Gerade als ich mir das oberste Manuskript schnappe, um mit dem Lesen zu beginnen, klopft es an meine Tür. Genervt verdrehe ich die Augen und atme geräuschvoll aus, bevor ich denjenigen hereinbitte, der mich an der Arbeit hindern will. „Herein", sage ich desinteressiert und drehe meinen Stuhl wieder zur anderen Schreibtischhälfte, um zur Tür zu schauen. Bereit, dem Störenfried einen vernichtenden Blick zuzuwerfen.

Nach einem kurzen Tuscheln, das ich vor der Tür wahrnehme, tritt plötzlich eine offensichtlich aufgeregte Gruppe bestehend aus so ziemlich all meinen Kollegen in mein Büro und beginnt zu singen:

„Happy Birthday to you!

Happy Birthday to you!

Happy Birthday, lieber Alaaaan!

Happy Birthday to youuuuuu!"

Oh stimmt, da war ja was. Ehe ich weiter darüber nachdenken kann, tritt Priscilla mit einem schmierigen Grinsen und einem Cupcake mit hellblauem Frosting und einer weißen Kerze oben drauf hervor, woraufhin Bob ebenfalls aus der Menge hervortritt und hastig ein Feuerzeug über das kleine Küchlein hält, um die Kerze anzuzünden.

„Alles Gute, Boss!", sagt er, während er die Kerze anzuzünden versucht und anschließend schützend eine Hand vor die Flamme hält, als er es endlich geschafft hat. Dabei schlägt ihm Priscilla die Hand weg und flüstert ihm giftig zu: „Hier ist es doch nicht windig, du Idiot!" und setzt gleich darauf wieder ihr falsches Grinsen auf, während sie auf mich zukommt. Vor meinem Schreibtisch angekommen, beugt sie sich provokativ hervor, um mir nicht nur den Cupcake, sondern vor allem ihr unverschämt tiefes Dekolleté vor die Nase zu halten. Wie kann man nur so billig sein? Ungerührt sitze ich noch immer auf meinem Stuhl und verdrehe die Augen, als mir Priscilla den Cupcake noch näher an meinem Gesicht hinhält. Um ihrer unausgesprochenen Aufforderung entgegen zu kommen, beuge ich mich die Augen verdrehend vor und puste die Kerze aus. Mal im Ernst, wie alt bin ich denn? Das ist so unglaublich kindisch. Als ich die erwartungsvollen Blicke auf mir spüre, sage ich an alle gerichtet: „Danke. Ich weiß das zu schätzen, aber um ehrlich zu sein, ist das für mich ein Tag wie jeder andere. Wenn ihr hier nicht reingestürmt wärt, hätte ich ihn vermutlich sogar selbst vergessen." Verlegen fasse ich mir an den Hinterkopf, da mir diese Aufmerksamkeit gerade irgendwie unangenehm ist. Ich meine wirklich jedes Wort ernst, weshalb mir die Situation umso unangenehmer ist. Ich feiere diesen Tag bereits seit Jahren nicht mehr. Mit wem auch und wozu überhaupt?

„Ach kommen Sie, Boss. Sein Sie doch nicht so bescheiden", sagt Bob mit einem mitfühlenden Lächeln, was mich irgendwie wütend macht. Schließlich hat sie niemand darum gebeten, mich an meinem Geburtstag zu überraschen und deshalb sollen sie gefälligst akzeptieren, dass ich den Tag einfach ganz normal wie jeden anderen hinter mich bringen will.

Von meiner vorherigen Verlegenheit ist nichts mehr übrig als ich mich erhebe und sage: „Ich würde jetzt ganz gerne weiterarbeiten. Also, wenn ihr mich dann jetzt entschuldigen würdet. Ihr wisst ja, wo die Tür ist." Um meine Aufforderung zu betonen, setze ich mich demonstrativ an den Schreibtisch und schnappe mir das Manuskript, an dem ich zuvor arbeiten wollte. Ich nehme noch einige mürrische Laute  sowie ein ,,Dieses undankbare Arschloch" wahr und höre dann schließlich, wie sich die Tür schließt. Gerade als ich erleichtert ausatmen will, räuspert sich eine mir bekannte Person. „Du bist dir sicher, dass du den heutigen Abend alleine verbringen willst? Wir könnten deinen Tag auch gemeinsam feiern", sagt sie bewusst verführerisch und ich weiß augenblicklich, wer es ist und worauf sie hinaus will. Dieses Miststück versucht echt jeden ins Bett zu kriegen. Widerlich.

Ohne auch nur aufzublicken, entgegne ich ihr voller Desinteresse: „Nein danke, Priscilla. Der Tag muss ja nicht noch schlimmer werden." Daraufhin schnaubt sie beleidigt und verlässt augenblicklich mein Büro, was ich zum einen an dem immer leiser werdenden Klackern ihrer Absätze und zum anderen am lauten Zuknallen der Tür erkenne. Triumphierend grinse ich vor mich hin und bin froh, endlich wieder allein zu sein, als mir plötzlich etwas einfällt. Es ist mein Geburtstag. Mist, wie konnte ich das bloß vergessen! Ich muss sofort los! Mit diesem Gedanken schnappe ich mir meine Sachen und eile aus dem Büro.


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